Frausein ist schlecht für Gehalt und Karriere
Freitag, 30. November 2007 um 9:57So so: „Die Differenz zwischen Frauen- und Männergehältern ist in Deutschland größer als in fast allen anderen Industriestaaten.“ Das hat laut Süddeutscher Zeitung eine Studie der OECD herausgefunden und nennt als eine Ursache die typischerweise lange Babypause deutscher Mütter. So weit, so wenig überraschend.
Tatsächlich überraschend hingegen finde ich ein Detail eines Essays in der Harvard Business Review, September 2007 („Women and the Labyrinth of Leadership“ von Alice H. Eagly und Linda L. Carli): Eine Studie des U.S. Government Accountability Office untersuchte die Entwicklung der Gehälter zwischen 1983 und 2000. Berücksichtigt wurden Vollzeit- sowie Teilzeitkräfte, zudem eine ganze Reihe von Faktoren, die sich auf das Gehalt auswirken können, darunter Ausbildung, Arbeitszeiten und Berufserfahrung. So konnte man festhalten, dass Männer pro Jahr mehr bezahlte Arbeitsstunden leisteten und im gleichen Alter mehr Berufserfahrung hatten.
Although most variables affected the wages of men and women similarly, there were exceptions. Marriage and parenthood, for instance, were associated with higher wages for men but not for women. In contrast, other characteristics, especially years of education, had a more positive effect on women’s wages than on men’s.
Aber, und jetzt kommt’s: Selbst wenn man alle Faktoren rausrechnete, die Männer und Frauen unterscheiden, ergaben sich niedrigere Gehälter bei Frauen als bei Männern. Das war mir neu.
Eagly und Carli untersuchen also in ihrem Essay, ob denn die oft genutzte Metapher vom glass ceiling, an die Frauen auf ihrem Karriereweg nach oben angeblich irgendwann dotzen, überhaupt stimmt. Ihr Ergebnis: Nein, die Hindernisse für einen Aufstieg sind vom ersten Arbeitstag an da, und sie bestehen aus Stereotypen und Geschlechterklischees (gender bias).
Study after study has affirmed that people associate women and men with different traits and link men with more of the traits that connote leadership. Kim Campbell, who briefly served as the prime minister of Canada in 1993, described the tension that results: “I don’t have a traditionally female way of speaking … I’m quite assertive. If I didn’t speak the way I do, I wouldn’t have been seen as a leader. But my way of speaking may have grated on people who were not used to hearing it from a woman. It was the right way for a leader to speak, but it wasn’t the right way for a woman to speak. It goes against type.
Hier haben wir den typischen double bind, in den Frauen im Berufsleben geraten. Frauen werden mit Empathie und gemeinschaftsorientiertem Verhalten (von Psychologen communal genannt) assoziiert, Männer mit Initiative und Kontrolle (agentic Verhalten). Letzteres bedeutet agressives, ehrgeiziges, dominantes Verhalten, selbstbewusst und gerne auch eigennützig – genau die Eigenschaften, die man von Führungskräften erwartet. Verhalten sich Frauen also sehr communal, werden sie kritisiert, nicht agentic genug zu sein. Doch sind sie sehr agentic, werden sie für ihren Mangel an Gemeinschaftssinn kritisiert. So oder so: kein Chefmaterial.
Studies have gauged reactions to men and women engaging in various types of dominant behaviour. The findings are consistent. Nonverbal dominance, such as staring at others while speaking to them or pointing at people, is a more damaging behaviour for women than for men. Verbally intimidating others can undermine a women’s influence, and assertive behaviour can reduce her chances of getting a job or advancing in her career. Simply disagreeing can sometimes get women into trouble. Men who disagree or otherwise act dominant get away with it more often than women do. (…) Perhaps this is why respondents in one study characterized the group “successful female managers” as more deceitful, pushy, selfish, and abrasive than “successful male managers”.
Dabei werde Frauen laut diesen Untersuchungen nicht mal für stereotyp weibliches Verhalten gelobt – weil es bei ihnen als selbstverständlich angenommen wird. Verhält sich aber ein männlicher Chef communal, wird das ganz besonders honoriert.
Eagly und Carli belegen zudem (es ist ein langes Essay), dass sich die Geschlechter-Stereotypisierung bereits weit vor einer möglichen Chef-Position zum Schaden von Frauen auswirkt: Geht es um Familiengründung, sind es nicht nur auch heute weit häufiger die Frauen, die dafür berufliche Abstriche machen – dies wird bei der Verteilung von Posten sogar automatisch angenommen.
Even women who have found a way to relieve pressures from the home front by sharing child care with husbands, other familiy members, or paid workers may not enjoy the full workplace benefit of having done so. Decision makers often assume that mothers have domestic responsibilities that make it inappropriate to promote them to demanding positions.
Von Vätern wird das nicht angenommen.
(Nur zur Sicherheit: Fallbeispiele aus dem eigenen Gesichtfeld entkräften wissenschaftlich gesicherte Daten keineswegs. Weder die eine Kollegin, die trotz weiblichem Charme und Esprit in die Hauptabteilungsleitung geklettert ist und von allen Seiten respektiert wird. Noch: „Meine Frau verdient aber mehr als ich.“ Es handelt sich um Ausnahmen.)
Mittlerweile gibt es Eaglys und Carlis Ausführungen auch als Buch:
Through the Labyrinth. The Truth about How Women Become Leaders.
5 Kommentare zu „Frausein ist schlecht für Gehalt und Karriere“
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30. November 2007 um 13:16
Ich kann nur zustimmen. Es ist leider tatsächlich so, dass Frau immer ein bisschen mehr leisten muss um die gleiche Anerkennung zu bekommen. All die schönen politisch korrekten Lippenbekenntnisse sind noch nicht in den Köpfen angekommen.
30. November 2007 um 14:52
dass es diese stereotype gibt und dass sie frauen schaden, kann und will ich nicht bezweifeln. aber es ist auch keineswegs so, dass keinen mittelweg gäbe. sozial-empathisches verhalten schließt strategisches, zielgerichtetes verhalten und vielleicht auch mal harte entscheidungen nicht aus. nur gibt es eben auch einige beobachtungen, die darauf hindeuten, dass für frauen gerade das klischee zur falle wird – sprich: kaum in der führungsposition verhärten sie unnötig, um ja nicht aus der vermeintlichen rolle des beinharten chefs zu fallen. und das ist natürlich genauso falsch.
ich denke, das erfolgsrezept ist, nicht (irgend)einer rolle zu entsprechen, sondern sich ein eigenes image zuzulegen – eines, dem frau gerne und nachhaltig treu bleiben kann und das weiblichkeit und souveränität gleichermaßen ausstrahlt. es gibt ja auch schon durchaus ein paar beispiele von frauen in führungspositionen, die das schaffen. ich würde allerdings zustimmen, dass das noch zu wenige sind.
30. November 2007 um 15:02
In einem anderen Leben vor Jahren war ich eine ziemlich hohe Chefin (#2 bei der größten Firma im Sektor und Land) in einer sehr von Männern dominierten Sektor in einer sehr Männer dominierten Land. Und das einzige Kritik, was ich immer wieder hörte war, dass ich gefälligst bisserl weiblicher werden soll, vom Aussehen sowie vom Umgang her….. Und dieser Kritik kam auch von Europäern.
30. November 2007 um 15:13
Ganz klar, Hande: Mit langen Locken und rosa Rüschenrock wärst Du im Handumdrehen # 1 gewesen. Wo kämen wir hin, wenn jede Frau selbst bestimmen könnte, was ihre Art von Weiblichkeit ist!
4. Dezember 2007 um 18:34
Ergebnis meiner ganz privaten Feldforschungen (statistisch irrelevant weil die Testgruppe zu klein ist):
Dieselben Stereotype finden auch im privaten Umfeld Anwendung. Unbewusst, nehme ich an. So wird beispielsweise bestimmtes Auftreten im Fall als völlig OK im anderen als arrogant empfunden, Männer dürfen gradaus sagen, was sie meinen, Frauen müssen einen Aufweicher ala ‘ich meine’ vorauschicken, um eine Kritik akzeptabel zu formulieren, usw. Nicht immer, nicht überall, aber häufig genug, dass es auffällt.