Leseempfindlichkeit
Dienstag, 20. November 2007 um 8:34Es kann mir einen gesamten Krimi vergällen, wenn der deutschsprachige Autor zweimal „schlabberte“ statt „leckte“ verwendet (z. B. ein Eis aus der Waffel).
die Kaltmamsell19 Kommentare zu „Leseempfindlichkeit“
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20. November 2007 um 9:05
Titel?
20. November 2007 um 9:21
Saltimbocca.
20. November 2007 um 10:01
Das kann ich nicht nachvollziehen, so abstrakt. Das ist doch gegebenenfalls genau das, was passiert, es wird das Eis geschlabbert und gar nicht vornehm und akkurat geleckt. Ist ja fast onomatopoetisch, dieses weichlippige Schlabban.
Unbestritten mag es trotzdem nicht passen zur Geschichte und zum Rest dieses Krimis, den ich gewiss nicht kenne, den zu verteidigen ich keine große Lust verspüre – schon aus Unkenntnis. Aber Eisschlabbbbbern, pfuibäh, geht!
20. November 2007 um 10:45
“Schlabbern” halte ich im Zusammenhang mit Eis ganz einfach für das falsche Wort. Schlabbern tun Hunde, wenn sie trinken. Und ich habe noch nie jemanden ein Eis mit dieser Technik verzehren sehen – weil es niemand tut. Falsche Wörter reißen mich verlässlich aus der Handlung.
20. November 2007 um 10:50
Es gibt genau EINE Tätigkeit, auf die (das ohnehin eher umgangssprachliche) “Schlabbern” zutrifft, und zwar auf das durstige Trinken eines Hundes (oder anderen Tieres mit langer Zunge) aus einem Wassernapf, einer Quelle oder ähnlichem, bei dem ein ganz bestimmtes plätscherndes Geräusch entsteht. Ein Eis kann man schlürfen, lecken, lutschen und dabei auch schmatzende Geräusche erzeugen – schlabbern kann man es als Mensch sicher nicht !
20. November 2007 um 11:51
Will mich auch gegen das Schlabbern äußern. Meine Legitimation: Kenne nicht nur den göttelnden Doppelbock und Karl Kraus, sondern kann auch Schreiße als Zitat identifizieren. (In anderer Übersetzung: Scheitze.) Meine Begründung: Klar darf man mit Wörtern machen, was man will. Oft kommt Schönes dabei heraus. Belegte Erstverwendungen bei Shakespeare sind Legion. Manche Wortverwendungen reißen einen überhaupt nicht aus dem Lesefluss, andere tun es und man freut sich drüber. Beim konkret geschlabberten Eis ist weder das eine noch das andere der Fall. Meine Interpretation des geschlabberten Eises: Schlampigkeit. Eine andere Interpretation müsste ich mir erst anhören, vielleicht überzeugt sie mich ja.
(Das Grimmsche Wörterbuch habe ich zu Hause. Ist spannend, aber keine Autorität fürmich.)
20. November 2007 um 11:03
Sorry, meine Damen, aber es gibt Leute, die machen es wie Hunde (zuletzt sogar bei Wetten dass?). Und was es noch für andere besondere Arten gibt, Eis zu sich zu nehmen, möchte ich lieber gar nicht erwähnen außer mit Hinweis auf eine mir nicht …
Aber, nun sagt mal an, wo ist denn hier die Wortpolizei? Nehmen wir doch die Musik, da gab es eine Zeit, da war genau festgelegt wie ein Affekt zu klingen hatte, alle haben sich drauf geeinigt, alle haben das verstanden. Und alles klang, dann dauerhaft auch langweilig, außer bei Bach und Buxtehude. Oder Rebel. Also ein paar anderen. Dies hat nicht allen Komponisten gereicht, es nach dem “Das macht man aber so” zu machen. Selbst Bach hat das nicht gemacht.
Und natürlich, ein Gottelbock kann nicht döppeln – und doch tut er das. Und Schneeflocken dürfen Gottseisgedankt durch die Beihilfe von Karl Kraus auch schwirbeln, auch wenns der Literaturkritik damals nicht gepasst hat. Und, mein Gott, ein Mensch kann auch fressen, auch wenn er eigentlich essen muss. Oder scheißen, obwohl er kacken sollte. Himmelarschundzwirn. So eine Schreiße.
20. November 2007 um 11:13
Schaun’S, hufi: Selbstverständlich kann ein Schriftsteller statt “Musik” auch “Stuhl” hinschreiben – aber das ist im Deutschen das falsche Wort für die bezeichnete Sache.
20. November 2007 um 11:14
“Schlabbern” ist ein lautmalerischer Begriff und insofern für Menschen aufgrund anatomischer Gegebenheiten nur bedingt und generell nur bei flüssigen Substanzen möglich.
20. November 2007 um 11:33
Schauns, Frau Kaltmamsell: Das ist der falsche Vergleich. Und das ist der Grund, warum viel Musik aus dem 17. und 18. Jahrhundert völlig falsch gehört wird. Und tatsächlich viele statt Musik Stuhl hören.
Und Walküre. Selbst Glas ist flüssig, aber man kann es sogar einschlagen und brechen (aber so pingelig möchte ich nun im Gegenzug auch nicht werden). Die Hunde hat man aber auch nicht gefragt, ob sie da schlabbern, was sie wohl so ohnehin nur im deutschsprachigen Raum tun. Wie auch immer.
Selbst die Gebrüder Grimm war in dieser Hinsicht weniger ängstlich im Umgange als ihr zwei hier:
Macht ja gar nicht, ist altes Zeug und heute weiß man es eben besser, wie man das Verb zu verwenden hat. Da ziehe ich neigungsvoll den Hut. Habe ich doch wieder was gelernt. Und das ist das schöne am Flur, äääh Internet – oder war es jetzt doch eher Stuhl.
[Wenn ich nach oben gucke, über den Eintrag, dann wird so ein Eintrag übrigens als Beifallsspende bezeichnet – naja. Kann man auch so sehen.]
20. November 2007 um 11:50
Wieso ängstlich ? Einer der Vorteile der deutschen Sprache ist die Tatsache, das sie viel Feinschliff besitzt und somit die Möglichkeit bietet, exakt zu formulieren, was man ausdrücken will. Wir sprechen hier nämlich nicht von kreativen Wortschöpfungen, gegen die sicherlich nichts einzuwenden ist und die eine Sprache verändern und beleben, sondern von falsch gewählten Formulierungen. Den Brüdern Grimm gebührt zwar viel Ehre, was ihre wissenschaftliche Tätigkeit anbelangt, von den damaligen Definitionen auf heute zu schließen, scheint mir jedoch arg weit hergeholt zu sein. Zu dieser Zeit war auch “Weib” eine gängige Bezeichnung für eine Frau – Ihrer Logik nach zu schließen, dürfte man auch heute diesen Terminus im Alltag entsprechend verwenden. Tun Sie das ruhig – ich rate Ihnen aber, vorher eine gute Kranken- bzw. Lebensversicherung abzuschließen.
20. November 2007 um 12:18
Mit ihnen kann man reden, Herr Mitbewohner. Ich bin nun sicher alles andere als ein Literaturkritiker oder dergleichen, das sollen andere machen, die sich berufen; mir geht es um Sprache und um einen Umgang damit. Und zwar einen, der aus einer immanenten Sicht der Zusammenhangs urteilt; nicht aus der Sicht des Sprachgesetzgebers. Deswegen ist, wie Sie sagen, das Grimmsche Wörterbuch eine Quelle, aber es ist keine Satzung. Es klärt auf über einen Sprachgebrauch. Mehr nicht, weniger aber auch nicht.
Es gibt daneben aber andere Grimm-Nachfolger(innen), die so etwas ganz genau wissen. Sie wissen, dass ein Wort genau “EINE” Tätigkeit (Walküre) bezeichnet. Schlabbern eben genau dies und eben nicht das. Das ist zwar merkwürdig, aber statthaft, so ist das bei solchen Menschen. Sie wissen alles immer sehr genau.
Und andere wissen eben sehr genau, besser als der Autor, dass da jemand ein Eis leckt, selbst wenn der Autor meint, es wurde geschlabbert. Das Problem, wir haben es alle nicht gesehen, nicht gehört, nicht beobachtet (möglicherweise ja nicht einmal der Autor, wie soll man das wissen, das kann man eben nur glauben (hören Sie Frau Kaltmamsell?, es ist eine Glaubenssache) – oder abnehmen. Es kann ja durchaus sein, dass die im Krimi agierende Person tatsächlich das Eis geleckt hat, dann hat der Autor das falsch beschrieben. Aber es kann sein, dass die Person das Eis geschlabbert hat (so wie es die Gebrüder Grimm beschreiben), dann hätte er lügen müssen, wenn er schreibt, das Eis wurde geleckt (mit Genuss, mit Widerwillen …).
Womöglich hat die Kaltmamsell sogar sehr recht, genau wie Sie, Herr Mitbewohner, und der Autor ist ein großer Sprachschlamper – dann ist aber das Buch gewöhnlich voll mit Plattitüden, Cliches, Stereotypen, Dummheiten. Das kann ich nicht wissen, aber wundern würde es mich auch nicht.
Worauf ich aber aber beharren muss, man kann Eis schlabbern. Ich weiß, wie das klingt, ich habe es gesehen. Manchmal passiert das sogar sehr unfreiwillig, wenn das Eis sehr viel ist, wenn die Luft sehr heiß wird, und man die Wahl hat, das Eis schön über die Hände klebrig fließen zu lassen, hinunter auf Hemd oder die männlich beharrte Brust, wobei es manchem Weib geradezu pfingstig ums Heil wird. Zumahn, wenn ein Knie-Ender sie hirschelt.
20. November 2007 um 20:46
Na einmal «schlabbern» ginge ja noch. Beim zweiten Mal hätte ich schon Sorge mit dem Krimihelden nie essen gehen zu wollen mangels guter Kinderstube. Und das kann einem das ganze Buch verderben. Aber hallo kann es das!
20. November 2007 um 21:12
Kicher ;-)
Nunft!
20. November 2007 um 22:47
Dank, Herr hufi, für die Einführung des Begriffs “Sprachgebrauch”. Das ist genau das, was man mit Sprache machen kann, sie so gebrauchen, dass ein Begriff oder Vorgang mit den “falschen” Worten genauer und anschaulicher beschrieben wird, als es mit dem “korrekten” Wort möglich wäre.
Da mich hier keiner persönlich kennt, bin ich nicht zu gschamig, zu bekennen, dass “Schlabbern” bei mir und einer Ex das Synonym für orales Vergnügen war. Vorteil hierbei: coram publico Bedürfnisse äussern können, ohne dass auch nur irgendjemand eine Ahnung hatte, warum man plötzlich verschwinden muss.
Deutsch ist wunderbar.
21. November 2007 um 6:35
Grundsätzlich gebe ich doch dem hufi Recht.
Doch es ging mir deutlich um ein konkretes Buch und um konkrete Stellen. Mir daraus eine reaktionäre Sprachhaltung basteln zu wollen, ist böswillig.
Gehen’S hin und lesen das Buch (das ich keineswegs empfehle), dann reden wir weiter.
21. November 2007 um 9:54
Warum der Herr Jaumann den Friedrich-Glauser-Krimipreis gewann, brauche ich nicht zu verstehen. Warum einem Aufbau-Lektor durch die Lappen geht, was einer Kaltmamsell ins Auge springt, ist für mich die dringendere Frage. Aber vielleicht haben Autor und Lektor ja eine Stunde diskutiert und sind übereingekommen, dass zweimal “schlabbern” der treffendste Ausdruck für die zu beschreibende Tätigkeit sei.
(In manchen Büchern lese ich in erster Linie, weil sie so gut übersetzt und lektoriert sind und weder in Rechtschreibung noch in der Typo Fehler haben. Einfach zur Erholung. Das Historische Lexikon der Schweiz ist so eines.)
22. November 2007 um 21:14
Mich tät’s auch stören, aber begründen könnt ich’s ned so schön.
Ganz tief im Bauch drin halt, da tut’s weh, das Wort.
22. November 2007 um 22:15
Liebe Kaltmamsell, böswillig? Ich? Nein.
Jeder hat so seine Geschichte. Ich habe die, dass ich leider mehr als einmal Bachmann-Preis-Jury-Sitzungen zu viel gesehen habe. Mich erstaunt immer wieder, wie die Jury-Mitglieder in Erzählungen so umhergehen wie als wären sie eine Realität. Dabei sind sie samt und sonders Fiktionen.
Und daher meine Aversion gegen ihre Mitteilung ganz oben. Sie ist keine Jury-Mitteilung, sie ist eine Beobachtung, etwas was Ihnen nicht gefällt. Und damit haben Sie sicher sogar Recht. Dieses Vertrauen in ihre Lesekompetenz habe ich zweifellos.
Aber es muss mir verstattet sein, diese Bemerkung ebenso ernst zu nehmen, wie sie diesen Krimi durch den Eintrag edeln. Deswegen bin ich auch nie davon ausgegangen, dass im Wesentlichen zwischen uns da ein Dissenz ist.
Schauen Sie, mich verwundert eher die Bereitschaft der zustimmenden Personen, mit wenigstens ebenso wenig Zusatzwissen wie ich, das von Ihnen gegebene Werturteil, ein solches ist es unzweifelhaft, wie hingehaucht es auch gewesen sein mag, für bar zu nehmen und mit, wie ich finde, teilweise doch untauglichen Mitteln der Literatur-Dogmatik, zu stützen.
Und das kränkt mich nun wieder sehr viel mehr als ihr Vergällung am Krimi.
Herzliche Grüße.