Nochmal reverse psychology
Mittwoch, 7. November 2007Wieso fällt es mir oft so viel einfacher, mich herzlich zu entschuldigen, wenn ich nicht das Geringste dafür kann…?
Wieso fällt es mir oft so viel einfacher, mich herzlich zu entschuldigen, wenn ich nicht das Geringste dafür kann…?
Samstagabend, 17. November, gesellige Biere und Liköre in einem Berliner Wirtshaus – geht was z’sam? Und weiß jemand ein passendes Lokal? Vorschläge gerne an die E-Mail-Adresse links.
Die Times beschreibt sachlich und vergleichend die verschiedenen Methoden, die zu den ständig neuen und oft widersprüchlichen medizinischen Ernährungsempfehlungen führen (und freut sich, dass sie das Wort epistemology in einer Massenpublikation verwenden darf):
Bacon. Be afraid? Or not very afraid?
– Doppelblindversuche (“entirely impracticable”)
– “cohort studies”* (“expensive, take a very long time”)
– Fall-Kontroll-Studien (Vorsicht vor “missclassification bias“)
– Meta-Analysen (Vorsicht vor “selection bias” und “publication bias“)
via delicious.days
* Wie heißt das auf Deutsch?
Die Bewegungsform „Joggen“ gibt es nicht mehr. Die aktuelle Bezeichnung derselben Tätigkeit heißt „Running“.
Dies als Information, die Sie vor meinem Irrlauf letzte Woche bewahren soll: Ich wollte eine dunkelbraune Jogginghose (um etwas Passendes zu meiner braun-orangen-Baseballmütze „Rallye Dakar“ zu haben) und begab mich in ein Münchener Sportkaufhaus. Auf der Inhaltsangabe im Erdgeschoß suchte ich nach einer Abteilung „Jogging“ oder „Laufsport“ – vergeblich. Kleinlaut wandte ich mich an eine Verkäuferin, sie möge mir nicht böse sein, aber wo ich denn hier im Haus Jogginghosen fände? „Im Untergeschoß beim Running“, lautete die Auskunft, und den neuen Fachterminus muss man sich unbedingt bayerisch ausgesprochen vorstellen, „Rrranning“.
(Wissen’S was: Ich sag ab sofort wieder „Dauerlauf“. Extra.)
Über Frau Gröners Hinweis kam ich zu einem großartigen Ausschnitt von Top Gear, der besten Automobilsendung des Planeten: Hingehen, anschauen, Maul aufsperren. Ich erwischte in England mal eine Folge im Fernsehen, in der sie einen modernen Geländewagen gegen einen Panzer der britischen Armee wettfahren ließen, und zwar durch ein Panzer-Übungsgelände. Anschauen auf eigene Gefahr: Es ist wahrscheinlich, dass Sie auch als noch so überzeugte Pazifistin danach sagen: „Behaltet den Range Rover, ich will den Challenger.“
Ich habe natürlich keinerlei Fundament für meine Behauptung, das sei die beste Autoshow überhaupt, da ich mich nicht für Autos interessiere. Doch ich weiß: Top Gear schaue ich mir trotzdem an. Umso mehr freute ich mich, als der Mitbewohner, der sich noch bedeutend weniger für Autos interessiert, eine DVD mit ausgewählten Ausschnitten aus Top Gear anbrachte. Genau das Richtige für Samstagabend!
Nicht.
Die Ausschnitte waren wirklich danach ausgewählt, was Autofans begeistern könnte: sehr flache, sehr teure, sehr schnelle, sehr laute Autos beim Testfahren auf Ebenen. Nahaufnahmen von Radkappen und Wurzelholz-Armaturen, Preisvergleiche, Geschwindigkeitsrekorde. Und niemand sagte mir, was diese Autos eigentlich so schnell machte. Mit Technik kriegt man mich immer (soll ich Ihnen erklären, warum die Entwicklung der Common-Rail-Einspritzung ein solch großer Fortschritt war?), also hätte mich beim Vergleich zwei solcher sehr flacher und schneller Autos interessiert, worin die technischen Unterschiede liegen. So bleibt mir nur die Information, dass auch Schweden sehr flache, sehr teure, sehr schnelle, sehr laute Autos bauen können, und dass das italienische rote in weniger Zeit englische Steilküsten entlangrauscht als das englische dunkelgraue.
Wollte man auf Biegen und Brechen Geschlechterstereotypen auch darauf kompatibilisieren: Wir Frauen sind eben praktisch veranlagt, und boys will be boys. Das würde die Flut von Ingenieurinnen auf dem Arbeitsmarkt erklären.
Michael Herbig, „Bully“, habe ich sehr spät entdeckt. Zum einen fernsehe ich zu wenig, um auch nur einen von Allgemeinbildung geforderten Kenntnisstand zu erlangen, zum anderen hieß die Sendung, mit der er wohl in Deutschland bekannt wurde, „Bullyparade“ – der Titel ließ mich einen Witze-Erzähl-Wettbewerb vermuten, und sowas interessiert mich überhaupt nicht. Dass damals in der Agentur der Gruß der brasilienstämmigen Grafikerin auf einmal konsequent „Grüß Ditsch!“ lautete (1), dass Kollege Franz nur noch in Fistelstimme und sekundenlang gerolltem R angesprochen wurde (2), dass der in Agenturkreisen häufige Prosecco meist mit tuntigen Gesten, gehaucht und mit den Worten „Mogst a Glasl Prosecco?“ angeboten wurde (3) – all das brachte ich natürlich nicht in Verbindung mit einer Fernsehsendung. Und dann stolperte ich eines Abends in die Ausstrahlung einer alten Folge Bullyparade und entdeckte: genial, nie dagewesen, fast britisch in intellektuellem Aberwitz und Pointenlosigkeit, durchmischt mit einer kalauernden Albernheit, die Mel Brooks zur Ehre gereichen würde. Ich war fassungslos. Dann endlich ging ich auch ins Kino und sah mir ein Jahr nach dem Start Der Schuh des Manitu an. Ich amüsierte mich, neuerlich fassungslos machte mich aber das filmische Niveau des Films: Wo ich Supernasenartiges in Drehbuch, Ausstattung, Kamera und Schnitt erwartet hatte, kam mir Hollywood entgegen. Nur halt auf Deutsch.
Wie komisch Bully Herbig ist, zeigte das Fotointerview mit ihm im SZ-Magazin letzte Woche: Die Frau, die sich letzten Freitag am Sendlinger Tor gegen acht vor Lachen am Bushäuschen festhalten musste – das war ich.
Also schaute ich mir Lissi und der wilde Kaiser an, Herrn Herbigs ersten Trickfilm, natürlich in dem einen Münchener Kino, dessen barocke Ausstattung es mit den Sissi-Filmen aufnehmen kann: im Filmtheater Sendlinger Tor. Und – ich hab sehr g’lacht. Angefangen mit der Heinz-Erhardt-Figur, die erst mal vor den Vorhang tritt und auf Deutsch und sowas wie Englisch Anweisungen zum Verhalten während des Filmes gibt (halt: Vorher kam ja schon die übliche schnell durchlaufende Raubfilmer-Warnung, die Herr Herbig vergeblich versuchte vorzulesen), über den hessischen Teufel und sein Echo, gesprochen von Badesalz, bis zum Navigationssystem in der Kutsche: eine Menge guter Einfälle. Und zuletzt belohnt Michael Herbig als Filmliebhaber natürlich die Abspannsitzenbleiber. Wer mit Bullyhumor etwas anfangen kann oder / und die Sissi-Trilogie mehr als einmal gesehen hat, wird eine Freude haben.
(1) Zitat aus dem Serienelement „Pavel und Bronko“: Die beiden tschechischen Intellekturellen Pavel Pipović und Bronko Kulička (gekleidet in Rollkragen plus Jacket in sozialistisch gedeckten Farben) an Sofatisch unterhalten sich kettenrauchend über Weltereignisse. Wörter, die auf -ig und -lich enden, werden dabei immer auf -itsch und
–litsch endend ausgesprochen.
(2) Zitat aus dem Serienelement „Sissi – Wechseljahre einer Kaiserin“: Herbig in Drag als romyschneidereske Sissi und Kollege Tramitz als Kaiser Franz himmeln einander in verschiedenen grotesken Umgebungen an.
(3) Aus dem Serienelement „Unser (T)Raumschiff“: „Raumschiff Enterprise“ (orignal series) nachgespielt mit einer durchwegs tuntig-schwulen Besatzung, darunter Capitain Kork, Mr. Spuck, Schrotti, Pulle und Mr. Solo.
Mit Freundin Frühstück im Café Glockenspiel, anschließend Spaziergang in Sonne und Kälte. Nicht wie geplant für zwei, drei Stündchen ins Büro gegangen, statt dessen Apple Pie gebacken und gegessen.