Hadern mit dem Nichtbegreifen

Mittwoch, 6. Februar 2008 um 9:34

Da kriegt also jemand ein gewünschtes Baby, leidet nach der Entbindung unter schwerer postnataler Depression, die sie sogar zu einem längeren stationären Klinikaufenthalt zwingt. Das Kind stellt sich als unglückliches, essgestörtes Monster heraus, das seine ersten vier Lebensjahre hauptsächlich mit Tobsuchtsanfällen und Gebrüll verbringt. Das Familienleben ist beherrscht von Prognosen, was in der näheren Zukunft wohl welche Art von Kinderzorn hervorrufen wird – und doch wünscht sich die Mutter noch ein Kind! Obwohl ihr klar sein MUSS, dass sie selbst bei besserem Gelingen das Monster nicht etwa gegen das zweite eintauschen können wird. Ich fühle mich so allein in meinem absoluten Nicht-Begreifen dieses Mechanismus’.

Doch ich arbeite weiterhin hartnäckig daran, ihn auf irgendeine Weise zu verstehen. Vielleicht könnte ich die Mutter mit einem leidenschaftlichen Formel-Eins-Rennfahrer vergleichen, der bei einem Unfall fast gestorben wäre? Und der dennoch – gerade mal verheilt, doch verbrannt und ohrenlos – wieder Rennen fährt? Oder mit dem enthusiastischen Extrembergsteiger, der im Eis bereits alle Zehen verloren hat und doch immer neue extreme Bergtouren plant?

die Kaltmamsell

18 Kommentare zu „Hadern mit dem Nichtbegreifen“

  1. walküre meint:

    Stark verallgemeinernd formuliert: Wenn jemand versucht, seine eigenen, nicht bewältigten Probleme zu übertünchen, indem er bzw. sie Kinder in die Welt setzt, passieren genau solche Dinge. Oft beobachtet, einige Male auch im unmittelbaren Umfeld erlebt.

  2. Lila meint:

    *kopfschüttel*

    Was ist daran schwer zu verstehen? Du hast doch selbst die Beispiele vom Radfahrer und Bergsteiger gegeben. Genauso ist es. Beim nächsten Rennen gewinne ich, beim nächsten Berg klappt alles, das nächste Baby wird perfekt, beim ersten habe ich einfach nicht alles gut genug gemacht.

    Außerdem sind sie doch so süüüüüüüüß, wenn sie klein sind…

    *duckt sich und rennt ganz schnell weg…..*

  3. Lila meint:

    RENNfahrer natürlich, pardon. Habe soeben Kopf aus Aquarium befreit und meinen Fehler bemerkt.

  4. Greenbay meint:

    Komisch, dass Kinderhass salon- bzw blogfähig ist. Schwulenhass, Ausländerhass, Lehrerhass usw. dagegen nicht. Wahrscheinlich, weil sich kleine Kinder nicht wehren können.

  5. die Kaltmamsell meint:

    Na, komme’Se, Herr Greenbay, Sie sind doch bloß neidisch: Und wenn Sie noch so sehr um Greenbayhass betteln – den kriegen Sie einfach nicht.

  6. Frau Klugscheisser meint:

    Sagen wir mal so: da ist eine Frau, die unter Depressionen leidet, diese jedoch mit medikamentöser und therapeutischer Hilfe in den Griff kriegt, jedoch jederzeit einen Rückfall erleiden kann. Und ihr Lebenspartner, der beruflich wie seelisch unter den Zuständen seiner Frau leidet, würde sich dennoch immer wieder für sie und keine andere entscheiden. Ist das Verhalten dieses Lebenspartners (oder Mitbewohners oder wie auch immer genannt) denn so schwer zu verstehen? Sicher nicht mit rationalen Argumenten nachvollziehbar aber mit dem Herzen vielleicht.

  7. die Kaltmamsell meint:

    Schon, Frau Klugscheisser – aber würde er sich eine Zweitfrau / Geliebte zulegen?

  8. generator meint:

    Ist auch immer wieder ein Trick, sich hingebungsvoll im Amateurbereich um anderleuts Probleme/Depressionen zu kümmern, weil man dann die eigenen nicht mehr bemerkt. Gutmenschen, co-depressiv, co-abhängig oder sonstwas.
    Und die romantische Liebe ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts – kaum irgendwas kann größeren Schaden anrichten oder größeren Unsinn rechtfertigen. Drogen nehmen und sich verlieben sind glaubich nicht weit auseinander. Seufz.

  9. kecks meint:

    Es sind Kinder, niemals Monster (außer im liebevollen Sinn). Und dann war da auch noch die Biologie – manche folgen diesen Impulsen nun mal unreflektiert. Was nicht schlecht sein muß, aber schlecht (für wen?) sein kann – nachvollziehen kann ich es nicht, aber dafür wenigstens ansatzweise erklären.

  10. Rob meint:

    So rational betrachtet, hätte hierzulande bis 1970 und seit 1990 kein Kind geboren werden können, wenn überhaupt. Von anderen Gegenden ganz zu schweigen.

    Kinder kriegt man wahrscheinlich wie man sich selbständig macht. Ohne nachzudenken, weil einem nichts besseres einfällt oder weil man den Mut dazu hat.

  11. creezy meint:

    Warum soll die Mutter vor Augen haben mit einem neuen Baby das andere Kind ersetzen zu wollen? Ich glaube mit der Idee, sie könnte «das Monster nicht etwa gegen das zweite eintauschen können […]» hast Du vielleicht die falsche Abzweigung genommen? ,-)

    Es gibt Eltern mit behinderten Kindern, die trotzdem an ihrer Familienplanung festhalten und noch mehr Kinder bekommen und dennoch alle gemeinsam in eine gut funktionierende Familienstruktur zu integrieren wissen und keines ihrer Kinder – weder die gesunden vor allem nicht die kranken – missen wollen. Es geht nur darum, ob sie sich die Kompetenz zutrauen. Und Kompetent sein, das können auch Ex-Depressive. Insbesondere wenn – wie in diesem Fall – die Depression ja offensichtlich hormonell verursacht war.

    Im Grunde willst Du, dass ich z. B. – weil ich mal einen schweren Radunfall hatte –nicht mehr, dass ich Rad fahre. Weil ich offensichtlich einmal meine Inkompetenz diesbezüglich bewiesen habe und nun mit gesundheitlichen Folgen leben muss. Da würde ich Dich die ich Dich als gesunden Menschen kenne erstmal fragen, ob Du einen Clown zum Frühstück gegessen hast. ;-)

  12. Sigourney meint:

    Sie sind nicht allein, ich verstehe das auch überhaupt nicht.
    Aber ich erspare den Eltern meine Meinung dazu. Zumindest so lange sie nicht meinen, mir eine Pflicht zur Reproduktion predigen zu müssen. Oder mit missionarischem Eifer erzählen, wie wundervoll eigene Kinder seien und die Erfahrung müsse frau doch unbedingt machen.
    Dann wird es hässlich…

  13. loreley meint:

    Vielleicht hilft ein zweites Kind sogar die Situation zu normalisieren. Möglicherweise wollten sie immer mehr als nur ein Kind haben.

  14. gaga meint:

    Huiuiui. Die kleine Diva (unsympathische Persönlichkeit, dieses Kind, schon vom Gesichtsausdruck her) wird vor Eifersucht austicken. Das gibt ordentlich Theater.
    Abgesehen davon, ist es sicher niemals berechenbar, welchen Charakter man sich mit einem Kind in die Familie holt. Die unwägbare Unterschiedlichkeit dieser Individuen wird jede Mutter bestätigen, die mehr als ein Kind hat. Insofern kann ein kleiner Engel zu dieser Konstellation stoßen oder ein weiterer Satansbraten. Doris Lessings Buch “Das fünfte Kind” widmet sich im weiteren Sinne diesem Thema.

  15. die Kaltmamsell meint:

    Oh ja, gaga, dieses Lessing-Buch hat tiefen Eindruck auf mich gemacht. Und Doris Dörries Samsara, voller Muttergeschichten, die man als Verhütungsmittel einsetzen könnte.

  16. Richard meint:

    wollte sofort antworten – aber dann etwas abstand ist doch gut. beim in die arbeit fahren heute freitag 8.2.08 hat mich dieses thema doch immer noch beschäftigt und als häufiger, interessierter besucher ihres blogs und ihrer bekannten meinung zu kindern bzw. zum kinderkriegen beschäftigt mich die frage, was hat sie zu ihrer einstellung finden lassen. hatte und habe oft mit kindern zu tun. aus den verschiedensten schichten und bin der meinung, böse kinder gibt es nicht. es gibt nur kinder die von den eltern und dem sie umgebenden mileu nicht situationsgerecht behandelt werden. nicht kinder sondern die sie formenden erwachsenen sind für fehlverhalten verantwortlich. darum bitte nicht mehr “kinderhassen” sonder “eltern-bzw. erwachsenenhassen”. kinder sind doch die fleischgewordene option auf leben in der zukunft und entstanden aus einem akt der liebe. nicht reduziert auf geld- od. steuervorteile. dies meint ein mann der mit 20jahren bewußt zu einem kind ja gesagt hat, große finanzielle einschränkungen gemeinsam mit der mutter dieses kindes hinnehmen mußte, nicht nach dem statt schrie sondern verzichtete und sparte und heute stolz auf seine tochter (43) ist, die ihren weg macht und ich froh bin dass es sie gibt.

  17. Tanja meint:

    (Mit der angemessenen Kinderanzahl zwischen 0 und X komm’ ich nicht draus, aber das ist auch nicht nötig, weil darüber wissen alle andern Bescheid.)

    Diese Heather hab ich vor längerer Zeit auch einmal eine Weile gelesen und fand sie mannigfaltig gestört. Ich habe mir immer wieder gesagt, dass ein Blog- selbst wenn man damit eine dem Vernehmen nach anspruchsvolle Familie ernährt – ja nur einen Bruchteil eines fürs Netz gefilterten Lebens abbildet. Aber genützt hat das nix und ich fürchte, in dem Falle wird das Blog eher nicht mehr lange für die Dekompensation ausreichen. Kurz und wohl etwas überheblich: Ich glaube kaum, dass es für Nicht-Psychologen gesund wäre, diese Frau zu verstehen. Aber das ist ja das, was du – dank den Vergleichen weniger plump – auch geschrieben hast.

    Und überhaupt, vielleicht gibt es sie ja gar nicht.

  18. Frau G. meint:

    Leute setzen aus den seltsamsten Gründen Kinder in die Welt. Vielleicht empfindet sie Nr. 1 nicht mal als Monster und denkt Kinder seien alle so. Aus meiner kinderlosen Sicht sind zumindest viele Kinder enorm nervig. Und als normale Frau muss man das in jedem Fall hinnehmen, am besten auch noch niedlich finden und selbst auch haben wollen. Sonst stimmt da was nicht.

    Es gibt Leute die sich nicht entblöden einen nach Jahren des schweigens (worüber man recht dankbar war) anzurufen weil sie dank Reproduktionsmedizin kurz vorm Klimakterium endlich schwanger sind und einen dann vollblöken wie nachahmenswert und grossartig das sei. Geradezu unabdingbar wenn man eine glückliche Beziehung führen will.

    Das finde ich persönlich noch viel seltsamer und bekloppter als nach einem missglückten Versuch ein zweites Kind zu bekommen. Schlimmer kanns wahrscheinlich da auch nicht mehr werden. Ob es den Kindern schaden könnte fragt bei der Vermehrung eh kein Mensch. Kinder bekommen war und ist immer ein egoistischer Akt.

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