Kirschblüten – Hanami
Dienstag, 11. März 2008 um 9:13I hab ja so vui gwoant.
Dass ich in Kirschblüten – Hanami weinen würde, wusste ich durchaus vorher. Dass mir aber bereits bei Fanfare und Einblendung von 20th Century Fox die Tränen kullern würden, hat mich überrascht.
Dabei hätte ich es ahnen können: Ich habe ja schon geweint, als ich zur Berlinale den ersten Trailer zum Film sah und seine Geschichte hörte: Trudi erfährt, dass ihr Mann Rudi todkrank ist. Ohne etwas zu sagen, will sie mit ihm noch ein paar schöne Tage erleben. Sie besuchen ihre Kinder in Berlin und fahren dann weiter an die Ostsee. Völlig unerwartet ist es aber nicht Rudi der stirbt, sondern Trudi. Rudi ist völlig fassungslos, und in den nächsten Wochen überlegt er, was Trudi alles für ihre Ehe aufgegeben hat. Sie hat immer davon geträumt, zur Kirschblüte nach Japan zu fahren, er hat das verhindert. Nun versucht er, seiner toten Frau dieses Erlebnis nachträglich zu verschaffen.
Hannelore Elsner, deren überkandidelte Femmefatalität mich sonst aus jedem Film treibt*, ist – wie schon in Alles auf Zucker bewundert – eine schlichte Hausfrau. Trudi wartet in hinter bei Weilheim auf dem Dorf jeden Abend auf ihren Mann Rudi (Elmar Wepper), Abteilungsleiter im Amt für Abfallwirtschaft. Gleich am Anfang hört man sie aus dem Off und voller Zuneigung berichten, dass der Rudi am liebsten alles so hat wie immer. Ein paar Szenen lang sehen wir, wie sie ihn umsorgt, ihn mit allen seinen Seiten liebevoll annimmt.
Der Schmerzensschrei, den Rudi beim Entdecken von Trudis Tod ausstößt, markiert das Alles Anders. „Ich hab sie eingesperrt“, sagt er im Kreis seiner Kinder („mei, ich weiß nicht wer die sind, und die wissen nicht, wer ich bin“ hat er zuvor das Verhältnis zu ihnen beschrieben). Trauer und Reue treiben ihn um, lassen ihm keine Ruhe. Im verzweifelten Suchen nach einer Wiedergutmachung packt er Trudis Kleider ein und reist nach Japan. Unter seinem Lodenmantel trägt er dort ihre blaue Strickjacke und ihren Rock und versucht so, posthum ihre Träume zu erfüllen.
Der Film enthält so viele anrührende Momente, die gerade deshalb bei mir funktionierten, weil ihnen jede Melodramatik fehlt. Alle Dörrie-Filme, die ich bislang gesehen habe, sind von einem tiefen Erbarmen mit den Menschen gekennzeichnet, das genug Raum lässt, sie auch in ihrer komischen Absurdität zu zeigen. Ich musste oft schon an den Titel eines Hemingway-Kurzgeschichtenbandes denken, wenn ich auf ihre Filme zurückblicke: Men without women scheint ein roter Faden zu sein, in ihrem Durchbruchsfilm Männer der Mittelpunkt. Und ich hab ja schon in Bin ich schön? so geweint über Dietmar Schönherr, den alten spanischen Gastarbeiter, der den Tod seiner Frau betrauert.
Frau Dörrie hat sehr viel dokumentarisches Material zwischen die Spielszenen geschnitten, unmarkiert: Der alte Bauer, der vor seinem oberbayerischen Hof sitzt und gerade in ein Magnum-Steckerleis beißt. Der bleichwampige, Sandburgen bauende Papa an der Ostsee. Picknickende Japaner unter blühenden Kirschbäumen. Die Sequenzen sind durch ihre Digitaloptik erkennbar. Der visuelle Gesamteindruck von Kirschblüten – Hanami geht dadurch Richtung Filmhochschul-Abschlussfilm.
Was wohl dabei herauskäme, wenn Doris Dörrie und Bully Herbig zusammen einen Film machten? Das Geschichtenerzählen und die Warmherzigkeit der Dörrie kombiniert mit dem wahnwitzigen filmerischen Perfektionismus eines Herbig?
*Gut in dieser Rolle sind unter andererm Lauren Bacall und Greta Garbo. (Darf eine femme fatale eigentlich aus Hotelfenstern klettern können?)
die Kaltmamsell5 Kommentare zu „Kirschblüten – Hanami“
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11. März 2008 um 11:33
Sehr schöne Kritik, Sie haben einfach Talent !
Nicht passend zum Thema aber zu Ihren Koch-Interessen, vielleicht haben Sie es aber schon gelesen:
Hitze von Bill Buford
Hitze von Bill Buford
11. März 2008 um 13:02
Vielen Dank, graz, steht auf Englisch schon eine Weile auf meiner Merkliste.
11. März 2008 um 19:01
Habe den Text jetzt leider noch nicht gelesen, weil ich mir vorgenommen habe, diesen Film zu mögen und „Hitze” genauso wenig zu mögen wie sonst Hannelore Elsner. Nun bin ich doppelt gespannt.
12. März 2008 um 20:21
Solche Filme kann ich einfach nicht schauen. Ich überlege mir dabei immer, wie ich mich in dieser Situation fühlen würde. Ob melancholisch gedreht oder nicht. Es kommt immer “verschissen” dabei raus. Und dann fliessen bei mir die Tränen, selbst wenn aus der Situationskomik sämtliche Sitznachbarn im Kino lachen.
13. März 2008 um 10:37
Hallo,
ich mochte den Film auch sehr, weil er nicht künstlich auf die Tränendrüse drückt.
Der Ausdruck, “tiefes Erbarmen mit den Menschen” finde ich sehr passend gewählt und er zeichnet die Regiseurin auch aus.
Das fast der ganzen Film mit einer wackligen Handkamera gedreht worden zu sein scheint, passt vielleicht ganz gut zu einer Geschichte über Leute die mal gerne mal als “einfach” abstempelt.