Archiv für April 2008

Neues vom Diätterror

Dienstag, 15. April 2008

(Weil Diäten und Ernährungsideologien einfach immer einen Schmunzler wert sind.)

Dass Kleinkinder andere Nahrung brauchen als Erwachsene, weiß selbst ich Kinderignorantin. Das scheint in manchen Fällen vom Wahn der Fettvermeidung und Ballaststofffavorisierung überdeckt zu werden. Eine Untersuchung in England hat zutage gebracht, dass scheinbar supergesunde weil kalorienbewusste Speisepläne von Kindertagesstätten zu Mangelernährung führen.

For years nutritionists have recommended a diet high in fibre and low in fat, with plenty of fruit and vegetables. Now, however, nurseries are being told the food they serve in accordance with these guidelines is unsuitable for toddlers and could lead to vitamin deficiencies and even stunted growth.
‘Nurseries are applying the principles of adult healthy eating to the food they are supplying to young children,’ said Sarah Almond, a consultant specialist paediatric dietician who has analysed the results of a trading standards study into nursery food.

via deliciousdays

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Und dann amüsieren wir uns über Julie Klausner, die bei Salon über den Bestseller Skinny Bitch abkotzt, ein vorgebliches Diätbuch mit streng veganem Hintergrund, das mit Motivationskommandos wie “you need to exercise, you lazy shit,” “coffee is for pussies” und “don’t be a fat pig anymore” arbeitet.

Meine Lieblingspassage in Klausners Polemik:

It’s a heavily agenda’d method of preying on the dieter, whose mind is weak from starvation and preoccupation with nothing but food. Have you tried to hold a conversation with somebody on a diet? The first 10 pounds they lose are mostly brain.

via, ahem, dem Internet?

Häusliche Harmonie. Mit Gewittern.

Montag, 14. April 2008

Wieder mal ein bisschen Ehe-Kitsch: Samstagabend hatten wir eine mittelgroße dinner party*, und mir wurde klar, wie viel Freude es mir bereitet, so etwas mit dem Mitbewohner vorzubereiten. Wir arbeiten so gut zusammen im Planen, Gedankenmachen, Einkaufen, Organisieren, Einteilen. Meiner Beobachtung nach hat sich das erst über die Jahre des Zusammenlebens entwickelt: Anfangs habe ich meine Einladungen vorbereitet, mit dem Mitbewohner als willigem Helfer; und der Mitbewohner hat für seine Gäste gesorgt, von mir nach seinen Anweisungen unterstützt. Heute haben wir in Vielem Routine, zum Beispiel in der Technik, mit der wir den Tisch vom Esszimmer (für bis zu sechs Leuten in Ordnung) ins Wohnzimmer (wohnlicher) tragen. Während ich in diesen Jahren vom Mitbewohner gelernt habe, ein paar Pingeligkeiten sein zu lassen (dann hat der eine oder andere Messerrücken halt Wasserflecken), denkt der Mitbewohner inzwischen von selbst an Dinge wie die richtigen Gläser fürs entsprechende Getränk. Und es fühlt sich so gut an, mich den ganzen Tag lang im Einladungs-Pas-de-Deux durch die Wohnung zu bewegen, als einzige Sorge das Oszillieren zwischen „Oh Gott, wer soll das alles essen?“ und „Das reicht nie! Wir werden Pizza bestellen müssen!“.

Es war ein wunderschöner Abend; ich werde hoffentlich nie aufhören, mich geehrt zu fühlen, wenn Menschen einer Einladung zu mir nach Hause nachkommen. Ein Gewitter gab es am nächsten Tag in Form einer Migräneattacke. Ich war mir beim Zu-Bett-Gehen noch so sicher gewesen, dass ich den Weingenuss gering genug gehalten hatte, wachte auch mit lediglich der üblichen Partybenommenheit auf. Doch im Lauf des Vormittag wuchs mein Schlafbedürfnis, und als ich mich zurück ins Bett legte, schlug der Migränehammer zu (bei mir: Kopfweh, große Übelkeit, Schwäche, Lichtempfindlichkeit) – fast zwölf Stunden nach dem letzten Glas Wein. Aha, ein neuer Ablauf. Um fünf war endlich alles vorbei, allerdings auch der Sonntag. Ich werde nächste Woche auf der fress:publica 2008 in Frankfurt mit dem Alkohol höllisch aufpassen müssen.

* dt. „Samstag hatten wir einige Leute zum Abendessen eingeladen“? Ach, der englische Ausdruck ist viel schöner.

Theresienwiesen-Flohmarkt 2008

Sonntag, 13. April 2008

Gestern zwar nicht sonnig, aber zum Gück ohne den befürchteten Regen.

Diesmal schon um 9 Uhr erstaunlich gut besucht. Wie immer gab es Kunst und Klump.

Am meisten beeindruckt hat mich allerdings diese Preziose.

So waren
Theresienwiesen-Flohmarkt 2007 (nicht)
Theresienwiesen-Flohmarkt 2006
Theresienwiesen-Flohmarkt 2005
Theresienwiesen-Flohmarkt 2004

Konsumentenirritation

Samstag, 12. April 2008

Lebensmittel kaufe ich wirklich gerne ein – das mag daran liegen, dass ich kein Auto habe und anstrengende Großeinkäufe nicht kenne. Besonders gerne schaue ich nach neuen Produkten aus, um sie zu probieren. Als ich also an der Bäckerei unten im Hertie am Hauptbahnhof ein „Andalusisches Bergbauernbrot“ angeboten sah (Weißbrot in Ciabattaform), nahm ich sofort eines. Doch schon als ich es in meinem Rucksack verstaute, stutzte ich: Welche andalusischen Bergbauern bitte? Das einzige Gebirge in Andalusien heißt Sierra Nevada. Da gibt es ein paar wenige, winzige Dörfer – aber Bergbauern? Das wäre mir neu. Seither grüble ich, ob ich eine peinliche Wissenslücke entdeckt habe. Oder ob ein münchner Bäcker sich schlicht eine Riesengaudi gemacht hat.

Junge Liebe in der Straßenbahn

Freitag, 11. April 2008

(Beide nicht mehr jung, Stimmen und Gesichter völlig ausdruckslos.)

Er: Habich’s heute schon gesagt?

Sie: Was?

Ob ich’s schon gesahagt hab?

Ischliebedich?

Ja.

Mhm.

Nein, hab ich nicht.

Dohoch.

Wann denn?

Wahann?

Heut früh.

Aber du nicht.

Hm?

Du hast’s nicht gesagt.

Hab ich schon.

Hast du nicht.

Woher die Wörter?

Donnerstag, 10. April 2008

Für die vielen Passwörter, die ich in der privaten Internetnutzung brauche, habe ich schon vor Jahren ein System gefunden. Doch das hilft mir in der Arbeit nichts: Seit sechs Jahren wird mir alle zwei Monate ein neues Passwort für den Zugang ins System abverlangt, vielstellig und mit vielen Auflagen – zu denen gehört, dass höchstens zwei Stellen der vorherigen Passwörter enthalten sein dürfen (aus Sicherheitsperspektive höchst löblich). Ich muss mir also immer wieder ein völlig neues Wort ausdenken, das ich mir auch noch merken kann.

Meine Lösung: Ich habe ich mir Nahverkehrspläne aus aller Welt besorgt. Und alle zwei Monate suche ich mir eine hübsche Haltestelle heraus (die eben abgelaufene lag in Moskau), die ich mit meinem persönliches System von Groß- und Kleinschreibung kodiere.

Sprachallergien

Dienstag, 8. April 2008

Zu meiner großen Bestürzung wird mir gerade klar, dass ich doch eine Allergie habe – nämlich gegen bestimmte sprachliche Erscheinungen. Neuestes Mitglied auf der Liste der Allergene: „…war der Siegeszug der (XXYY) nicht mehr aufzuhalten“. Es schüttelt mich.

Wie bei vielen Allergikern nimmt bei mir die Anzahl der reaktionsauslösenden Substanzen mit den Jahren zu. Erst letzte Woche habe ich mir von einem älteren Kollegen Widerwillen gegen „unter Beweis stellen“ geholt. Sein Vater, so erzählte er, habe sich diese Formulierung verbeten, da Hitler sie in seinen Reden besonders gerne eingesetzt habe. Und schon kann ich sie zumindest nicht mehr verwenden; vermutlich bedarf es nur weniger Wochen, und ich mag sie auch nicht mehr lesen. Denn, auch das wird mir soeben klar, es gibt wohl eine passive und eine aktive Sprachallergie. Die passive könnte „visuelle Kontakallergie“ heißen, die aktive „Schreibhypersensibilität“ (leider schier unaussprechlich – fällt Ihnen was Besseres ein?).

Unter Schreibhypersensibilität leide ich zum Beispiel, wenn es um den Potentialis geht; beim Lesen aber akzeptiere ich vereinfachte Formen. „Wegen“ lasse ich beim professionellen Schreiben immer schön den Genitiv folgen; in Fremdtexten nehme ich den Dativ hin. Auf der Liste visueller Kontakallergene steht allerdings erheblich mehr. Das begann, ich weiß es noch wie heute, in meinem Volontariat mit dem geschwungenen Tanzbein, das in jedem Manuskript freier Mitarbeiter auftauchte, die über ein Fest berichteten (sprachlicher Nachbar vom „Höhepunkt des bunten Treibens“, vor allem zu Fasching). Fast manisch redigierte ich es weg. Noch im Lauf dieser ersten beiden Jahre bei der Zeitung verursachte mir der Texteinstieg „Es ist wieder so weit“ Übelkeit. Im Studium begegnete ich so viel unpräzisem Geschwalle und Wortgeklingel, dass man mich in Kursen regelmäßig die Hand-outs des Dozenten redigieren sah (nein, Herr Schröder, das war kein fleißiges Mitschreiben). Konkrete Aversionen entwickelte ich unter anderem gegen die Abkürzung m. E. (meines Erachtens). Das Berufsleben in der freien Wirtschaft bescherte mir dann Abneigungen wie die gegen „ließ es sich nicht nehmen“ oder gegen das Uriah-Heep-artig buckelnde „können“: „konnte erzielen“, „konnten wir verbuchen“, „konnte leicht übertreffen“, „konnten fortsetzen“. Das hörte noch lang nicht auf, als eine meiner Agenturchefinnen „beinhalten“ konsequent als „Bein halten“ aussprach und mich auf ewig für eine unbefangene Verwendung verdarb.

Ich fürchte, dass mich eine progredierende Verschlimmerung dieser Sprachallergie irgendwann sprachlos macht. Dass keine Wendung, kein übliches Bild übrig bleiben, die ich nicht als Floskel empfinde. Ich würde berufsunfähig.

(Hey, das klingt wie der Stoff für einen deutschen Roman. 180 Seiten. Suhrkamp. Totlangweilig.)