Gedankenstrom beim Laufen
Montag, 15. September 2008 um 9:17Ah, weiße Kniestrümpfe zu kurzen Laufhosen scheinen die Massen erreicht zu haben. Vielleicht eine Möglichkeit, meine bösen Waden (zwei Orthopädinnen und ein Physiotherapeut haben sie bereits als zu hart und wohl von Haus aus verkürzt beschimpft) warm zu halten? Es müsste mir lediglich komplett egal sein, wie bescheuert ich aussehe.
§
Nachdem mittlerweile selbst Studenten zum Unterrichten in bayerische Gymnasien geschoben werden, wundert mich nicht mehr, dass Lehrer als Leute gelten, die in ihrem Fachgebiet halt nirgendwo anders einen Job bekommen haben. Und dann denke ich an die Gymnasiallehrer und -lehrerinnen, die zwischen 1980 und 2000 eine Planstelle bekommen haben, als die Standardfrage an Lehramtsstudenten noch war: „Studierst du noch, oder bist du schon arbeitslos?“ Als nur die allerbesten eines Jahrgangs in den Schuldienst übernommen wurden, die Leute mit Spitzennoten. Die sich den Arsch aufgerissen hatten, um Lehrer werden zu dürfen. Und die jetzt natürlich, rubbeldiekatz, in denselben Sack gesteckt werden wie Spanischmagister, die sich zu einem Jahr Unterrichten am Gymnasium herablassen (individuelles Fördern von Schülern? dafür werden sie doch nicht bezahlt), weil sie dann wenigstens nicht arbeitslos sind. Die Lehrer, die ich kenne, zeigen dazu erstaunlichen Gleichmut – sind ja Kummer gewöhnt.
§
Für einen ziemlich kalten, nassgrauen Sonntag sind erstaunlich viele Läufer unterwegs.
§
Die beiden Dokumentarfilme Samstagabend im Bayerischen Fernsehen: Die Sennerin und die Fortsetzung Die Hoferbin. Wie beispielhaft Autor Matti Bauer die junge Frau vom Tegernsee eingefangen hat, wie behutsam und voll Respekt. Der „Almerin“ Zeit zum Erzählen gelassen hat, es ihr überlassen hat, Prioritäten zu setzen, sich vor der Kamera zu entfalten, über Monate hinweg. Eine beeindruckende Frau, diese Uschi. Bauerntochter, weit gereist, eigensinnig, belesen, reflektiert, kurz vor dem Landwirtschaftsmeister. Wie sie beweist, dass man auch mit tiefstem Dialekt nicht dumm wirken muss. Das Leuchten ihres dicken, rotblonden Zopfes in der Bergsonne des Sommers 2003. Dass das Ergebnis den tiefen Respekt vor dem Thema des Filmes zeigt, beweist die Fortsetzung: Wären Uschi und ihre Eltern mit Die Sennerin nicht einverstanden gewesen, hätten sie sich sicher nicht zu einer Fortsetzung bereit erklärt.
Die Hoferbin steigt wieder ein, als Uschi drei Jahre später an der Entscheidung arbeitet, ob sie den Hof der Eltern übernimmt. Mittlerweile hat sie nicht nur den Landwirtschaftsmeisterbrief, sondern auch einen Sohn. Noch deutlicher als im Film davor lässt Matti Bauer viel weg (er ist gelernter Völkerkundler, das mag seinen Stil erklären): Die Geschwister Uschis tauchen nur als Erwähnung auf, der Vater des Babys gar nicht. Ich bin sicher, das war mit den Beteiligten so vereinbart, und es ist völlig in Ordnung. Als Haupthindernis für eine Hofübernahme – meine Güte, ich Naivling hätte nicht gedacht, dass dahinter ein solcher Berg Bürokratie und Vertragswerk steckt – stellt sich implizit die Bäuerin heraus, die Mutter Uschis. Im ersten Film hatte sie zwar mehrfach betont, sie wolle den Hof abgeben, damit sie endlich machen könne, was sie selbst will, und nicht immer, was gemacht werden muss. Doch scheint sie nicht damit fertig zu werden, dass ihre Tochter sich von Zwängen befreit und auch als Bäuerin unbeirrt das tut, was sie selbst will und wie sie es für richtig hält. Dadurch verströmt die Mutter eine eigenartige, unglückliche Missgunst.
Das Ganze entwickelt die Spannung eines Spielberg-Filmes: Wie wird sich Uschi entscheiden? Können die Konflikte überwunden werden, zumindest auf einer pragmatischen Ebene?
Uschi hat keine Illusionen zur Landwirtschaft – wie sollte sie, sie ist schließlich auf dem Hof aufgewachsen. Ihre letztendliche Entscheidung, den Betrieb weiter zu bewirtschaften, ist dennoch rein idealistisch: Dass es Höfe wie den ihren gibt, ist für sie einfach Kulturgut, das es zu erhalten gilt.
Und dazu das schöne Oberbayrisch: Wie lange hatte ich schon nicht mehr “Schandarm” für einen Polizisten gehört, das Uschis Vater verwendete. Auf der Alm schrieb Uschi ihr Almbuch sogar auf Bayrisch: “Koiwe” (Kälber), “Kas” etc.
Wissen Sie: Wenn Rundfunkgebühren allein mit der Begründung erhoben würden, dass sie solche Dokumentationen ermöglichen, hätten sie für mich Berechtigung genug. Dann macht Fernsehen glücklich.
§
Ich fände es nett, wenn das ein Lauf ohne Sturz würde. Die gestrige Wiederholung (wieder Wurzel, wieder über die linke Schulter abgerollt) war bereits halb so lustig. Wo es der riesige blaue Fleck auf dem linken Unterarm doch gerade mal in die grüne Phase geschafft hat.
§
Klar: Roher Marmorkuchenteig schmeckt so gut, dass man sich fragt, ob das Backen überhaupt sein muss. Löffelweise aber wäre er doch zu üppig – die ideale Darreichungsform ist die geleerte Rührschüssel mit lediglich Resten von Teig. Ob man daraus wohl ein originelles Dessert machen könnte? Eine kleine Schüssel servieren, die noch Reste von Kuchenteig enthält, dazu die teigumhüllten Rührer?
die Kaltmamsell12 Kommentare zu „Gedankenstrom beim Laufen“
Sie möchten gerne einen Kommentar hinterlassen, scheuen aber die Mühe einer Formulierung? Dann nutzen Sie doch den KOMMENTAROMAT! Ein Klick auf einen der Buttons unten trägt automatisch die gewählte Reaktion in das Kommentarfeld ein, Sternchen darüber und darunter kennzeichnen den Text als KOMMENTAROMAT-generiert. Sie müssen nur noch die Pflichtfelder "Name" und "E-Mail" ausfüllen und den Kommentar abschicken.
15. September 2008 um 9:51
Diese leicht komprimierenden Strümpfe gibt es auch in seriösem Schwarz und unter der herbstlichen Bekleidung fallen sie ja nicht so auf. Da sie recht teuer sind, sollte man sich im Laufsportladen etwas Zeit für eine Beratung nehmen. Die Verkäuferin hat meine Wade gemessen und mir dann eine von zwei in Frage kommenden Größen empfohlen.
15. September 2008 um 10:53
Jetzt hab ich bei Stefans Kommentar doch glatt “kompromittierenden Strümpfe” gelesen …
Was die Übernahme eines Bauernhofes betrifft, so ist die im Film und von Ihnen geschilderte Problematik einer der Hauptgründe dafür, dass Höfe verkommen und letztendlich aufgelassen werden. Die Alten wollen partout nicht loslassen (seltsamerweise meistens tatsächlich die Bäuerinnen !) und mischen so lange in aller Dominanz mit, bis die Jungen entweder den Hut drauf geschmissen oder die vielen Köche den Brei endgültig verdorben haben. Bei Familienbetrieben generell ist diese Problematik nicht von der Hand zu weisen – in Österreich gibt es sowohl seitens der Wirtschaftskammer als auch der Bauernkammer regelmäßig Beratungsangebote bezüglich Übergabe/Übernahme und auch Seminare, die zu verhindern suchen, dass Firmen geschlossen werden müssen, weil diese aufgrund der Dominanz der alten Generation hoffnungslos veraltet und nicht mehr rentabel sanierbar sind.
15. September 2008 um 11:24
Ich habe den ersten Teil auch gesehen und war begeistert.
Sprachlos begeistert.
15. September 2008 um 12:05
Aber Walküre: die kompromittierenden Strümpfe sind sicher nicht für das Lauftraining geeignet ;-)
15. September 2008 um 16:02
@walküre:
Es ist im Grunde ja auch klar, dass die “Alten” weiterhin mitmischen. Sie haben den Hof in der X-ten Generation übernommen und wollen ihn auch noch in der übernächsten Generation wissen. Also klammern sie und wissen alles besser als der Nachwuchs. Erfahrung… Weissheit… gepaart mit Sturheit. Sie meinen es gut und mussten vermutlich selbst ähnliches mit ihren Eltern und Großeltern durchmachen. Aber genau deshalb geben sie ihr gesammeltes Wissen weiter, – weil sie überlebt haben.
Moderne Landwirtschaft bringt Veränderungen mit sich, aber die Grundregeln bleiben die gleichen. Sähen und füttern, ernten und schlachten. Der gebildete Landwirt mag es wissenschaftlicher und wirtschaftlicher orientiert angehen, aber die Gesetze bleiben.
15. September 2008 um 18:27
Yakobo, es geht ja seltsamerweise gar nicht so sehr um diese Grundregeln, sondern beispielsweise um neue Wege der Vermarktung, um die Kooperation mit Genossenschaften, um das Erschließen neuer Märkte und dergleichen. Was schon seit Hunderten von Jahren gut funktioniert hat, muss nach Meinung der Alten auch nach wie vor passen. Tut es aber nicht, und da beginnt das Problem, denn die Zeiten haben sich geändert.
Weiters: Früher war es beispielsweise üblich, dass die Altbauern nach der Hofübergabe in ihren Alterssitz, das sogenannte Auszughaus im Dorf (zu jedem florierenden Bauernhof gehörte ein solches), übersiedelt sind, und den neuen Hofbesitzern nur auf Wunsch geholfen haben, wohl wissend, dass Jung und Alt unter dem selben Dach selten eine gute Mischung sind. Heute stehen oft genug Auszughäuser leer oder werden gleich verkauft, und die Altbauern bleiben auf dem Hof, was auf Dauer nur äußerst selten gutgeht. Mir persönlich ist ein Fall sehr an die Nieren gegangen, in dem eine patente Frau (aus bürgerlichem Milieu) auf einen großen Bauernhof geheiratet und dort einen florierenden Hofladen mit Fleisch und Wurstwaren hochwertigster Qualität aus eigener Produktion sowie anderen bäuerlichen Produkten aus der Umgebung eröffnet hat. Im Endeffekt hat sie nach wenigen Jahren resigniert, und zwar nicht aus Mangel an Abnehmern, sondern weil sie der ständigen Einmischung der Schwiegermutter müde war. Heute arbeitet sie wieder als Angestellte. Die Überlegung ist angebracht, weshalb soviele heiratswillige junge Bauern keine Ehefrauen mehr bekommen – an der Menge der Arbeit allein liegt es sicher nicht !
15. September 2008 um 21:15
Solche Filme, mag ich sehr. Schade, dass ich diese verpasst hab. Dafür hab ich alle Gernstls der letzten Wochen gesehen.
Das mit den Lehrern ist ein Graus. Schade drum.
An den Schulen auf dem Land ist es noch viel schwieriger, Leute zu bekommen.
Und gute Leute geht gar nicht. Die haben so viele Angebote, dass sie es sich aussuchen können.
Wenn ich da an meine Anfänge denke, an die üblen Arbeitsverträge, die ich nur unterschrieben habe, weil es nichts anderes gab. Arbeitsamt, Sozialamt, ich kannte den Mitarbeiter für A-K ganz gut.
Ich gönne jedem eine Stelle, nur wäre es ganz nett, wenn er auch eine Ausbildung dafür hätte.
16. September 2008 um 1:25
Hat Uschi den Hof denn nun übernommen? Kann mir das bitte jemand sagen? Hat sie? Hat sie? Oder nicht?
16. September 2008 um 6:14
Sie hat, syberia, sie hat: Ist mit Sohn und neuem Freund (Co-Pilot) vom Austragshäusl ins große Haus gezogen, Mutter ging ins Austragshaus, Vater (ganz ein lieber) blieb bei Tochter wohnen. Hat begonnen, wie auf der Alm Käse zu machen, an vielen Dingen herumgedacht, die sich noch mit dem Hof machen ließen.
16. September 2008 um 11:17
Ich kann ja nachvollziehen, daß der Herr Mitbewohner nicht begeistert ist von den angestellten Lehrern mit Zeitvertrag und Englisch-Magister; ich möchte aber auch anmerken, daß a) viele verbeamtete Kollegen ebenfalls null Wert auf individuelle Förderung von irgendwem legen, es gibt schließlich immer solche und solche und b) die Kollegen mit Zeitvertrag unter aller Kanone bezahlt werden. Und das ist jetzt noch sehr freundlich formuliert. Punkt c): Die besagten Stunden würden sonst überhaupt nicht statt finden. Vielleicht sollte der Herr Mitbewohner seinen Ärger lieber gegen das Kumi richten, das wie immer in einer sehr speziellen Parallelrealität zu schweben scheint… (an manchen Schulen ist man auch froh über die neuen Kollegen und behandelt sie sogar als ebensolche).
Und Ihre Marmorkuchendarreichungsform genießt meine uneingeschränkte Unterstützung!
16. September 2008 um 11:39
Wie kommen Sie darauf, kecks, dass der Mitbewohner identisch ist mit “ich”? Darf ich wiederholen: “Die Lehrer, die ich kenne, zeigen dazu erstaunlichen Gleichmut” – hierbei dürfen Sie annehmen, dass der Mitbewohner zu den Lehrern gehört, die ich kenne.
16. September 2008 um 13:10
… ups. Ich habe den Herrn Mitbewohner da wohl unbedacht mit hineingezogen. Entschuldigung!