Marketing funktioniert
Mittwoch, 5. November 2008Ich versuche, meiner Fassungslosigkeit Herr zu werden über den Umstand, dass die deutschen Medien in den vergangenen neun Monaten vom US-Wahlkampf dominiert wurden, wie es eine Bundestagswahl noch nie geschafft hat – indem ich die Geschehnisse als das betrachte, was sie nun mal waren: eine gigantische Marketing-Maschinerie, vergleichbar mit dem ewigen Kampf Coca Cola gegen Pepsi Cola, Adidas gegen Puma. Im Ring war zunächst die Marke Clinton gegen die Marke Obama – und die deutschen Medien berichteten über die Kür eines Präsidentschaftskandidaten eines 4000 Kilometer entfernten Staates bereits mehr als über jede Bundestagswahl. Wenn meine Wegschalterinnerung nicht trügt, gab es darüber sogar Brennpunkt-Sendungen nach der Tagesschau. Dann hieß es Marketingkampagne McCain gegen Marketingkampagne Obama, inklusive Testimonials von Prominenten. Und es hat funktioniert: Diese Shows rissen mindestens so viele Deutsche emotional mit wie die Fußball-Europameisterschaft, unter gebildeten Deutschen lag der Prozentsatz vermutlich höher als bei der EM. (Glücklicherweise fehlten die Hupkonzerte.) Man erzähle mir nicht, dass das eine vernünftigere Parteinahme war als die Präferenz für eine Turnschuhmarke – kaum einer der Schlachtenbummler konnte Inhalte der Wahlprogramme nennen. Heute Morgen hat sich die digitale Intelligentia von der Abschlussreden-Show bereitwilliger zu Tränen rühren lassen als von Steven Spielbergs E.T. Wird Herr Obama jetzt Kurzarbeit bei BMW verhindern? Wird er dafür sorgen, dass der G8-Lehrplan an bayerischen Gymnasien reformiert wird? Wie steht er zu Studiengebühren? Wird Herr Obama gegen die neue Computerüberwachung einschreiten? Will auch er die Pendlerpauschale wieder einführen? Ach, dafür ist er gar nicht zuständig?
Aber ja sehe ich auch Gutes darin: Demnächst gibt es hoffentlich ein Marketing-Lehrbuch, in dem die Macher der Obama-Kampagne detailliert schildern, warum ihre Marke mehr Käufer gefunden hat als der Wettbewerb.