Archiv für Januar 2009

Crèmekrieg

Sonntag, 18. Januar 2009

Crème brûlée ist etwas Wundervolles; das habe ich erst wieder auf meinem Provence-Urlaub festgestellt. Selbst habe ich vor Jahren einen Versuch unternommen, da ich keinen Gasbrenner besaß, halt unterm Grill. Das Ergebnis war eine panzerglasähnliche Zuckerschicht, die überhaupt nichts mit dem zart knispelnden Hauch aus braun geschmolzenem Zucker zu tun hatte, den ich so liebte. Das war’s also erst mal mit Crème brûlée, denn aus irgendeinem Grund hatte ich beschlossen, Gasbrenner in Privatküchen für albern zu halten.

Dann kam letztes Weihnachten wieder das Christkind, und diesmal zog es aus seinem Beutel ein Gasbrennerchen. Ich habe mich sehr gefreut und sofort eine Versuchsreihe mit Rezepten begonnen.

Erstes Ergebnis: Was die meisten Kochbücher als Crème brûlée angeben, ist lediglich Flan verkehrt herum, also ein Milch- oder Sahne-Eierstich, im Wasserbad im Ofen gestockt, nur mit der Karamelschicht oben statt unten. Ich liebe den stichfesten Flan, aber wenn ich Flan wollte, hätte ich Flan gemacht. Die Crème brûlée, für die ich so schwärme, hat cremige Konsistenz, kann also nicht im Wasserbad gestockt sein.

Auf eine erfolgversprechende Spur kam ich bei der guten alten Delia Smith, die den Engländern das Kochen beibrachte, bevor Jamie Oliver (auch seine Crème brûlée stichfest) den Job übernahm: Hier wird eine Créme auf Sahnebasis mit viel Eigelb und ein wenig Stärke im Topf gerührt. In dieselbe Richtung gehen die Rezepte für Crema catalana, deren enge Verwandtschaft mit der Crème brûlée immer betont wird: Eigelb und Stärke mit Milch im Topf.

Aus all den Rezepten entstand dann die Zubereitungsweise, die mich zu der Crème brûlée brachte, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Hier das Rezept (kann natürlich mit Vanille statt Safran aromatisiert werden, in Crema catalana wird gerne Zitronenschale mitgekocht).

cremebrulee

EsoBlog muss gestehen: Homöopathie wirkt!

Sonntag, 18. Januar 2009

Wie so viele Skeptiker hackt Esowatch regelmäßig auf Homöopathie herum.
Ein Selbstversuch brachte die Wende:

Ich muss sagen, eine solch eindeutige Wirkung hätte ich nicht erwartet. Wir sollten nach diesem Erfolg weitere Versuchsreihen starten.

Irgendwo müsste ich doch noch die Kügelchen haben, die der Arzt mir vor zehn Jahren ungefragt gegen meine trocknen Augen verschrieben hat…

über Sixtus’ Gezwitscher

Jahresanfänge: Die Hölle für Spaßsportler

Samstag, 17. Januar 2009

Die ersten sechs Wochen jedes Jahres sind eine Leidenszeit für Menschen, die gerne Sport treiben: Alle Orte dafür sind von Neujahrsvorsätzen übervölkert. So auch im Moment:

– Die Muckibude, in der sich sonst an Freitagabenden nur Menschen ohne Sozialleben wie ich stärken, war gestern nach der Arbeit so gut besucht, dass ich sogar an der Nackenmaschine Schlange stehen musste. Und das auch noch besonders lange: Anfänger haben beim Einstellen der Maschinen natürlich noch keine Routine.

– Wie es vergangenen Sonntag an der Isar zuging, haben einige Kommentatoren auf der Vorspeisenplatte bereits beschrieben; auch früh am Morgen kamen mir auffallend viele Freundinnenpärchen (Frauen beschließen Neujahrsvorsätze gerne mit Unterstützung) mit hochrotem Kopf entgegen.

– Selbst an einem sonst ruhigen Mittwochabend ist im Fitnessstudio kein freies Ausdauergerät aufzutreiben, und auf die Standardfrage der Vorturnerin, ob jemand zum ersten Mal dabei ist, heben sich am Anfang der Stepstunde fünf Hände.

– Das Schwimmbecken wird Kriegsgebiet. Nicht nur bewegten sich darin vergangenen Samstag und heute auffallend mehr Leute als sonst; Väter schließen in ihre Neujahrsvorsätze wohl gerne ihre Kinder ein, denen sie nun im Schwimmerbecken Schwimmunterricht erteilen. Wenn das drei Väter mit je ein bis zwei Kindern gleichzeitig machen, haben tatsächlich Schwimmwillige keine Chance mehr.

Ein wenig Erleichterung verschafft mir die Aussicht, dass praktisch niemand lange durchhält, der Sport nicht aus Spaß daran, sondern als Pflicht ausgelöst von Neujahrsvorsätzen anfängt. Etwa ab Mitte Februar kehrt in den Sportstätten Normalität ein, die guten Vorsätze machen wieder Dinge, die ihnen Freude bereiten – unter anderem abgeschreckt von der Erfahrung, dass ja alles so voll ist.

Dellen machen sexy?

Freitag, 16. Januar 2009

Schade, jetzt ist es weg. Die Startseite von Web.de informierte mich gestern spätabends, dass Haarausfall bei Männern wie Cellulite bei Frauen sei – der empfundene Hauptmakel beim Älterwerden. Dabei gebe es doch so attraktive Glätzköpfe. Der Link führte dann vermutlich zu einer Bildergalerie, in der Patrick Stewart auftauchte; er interessierte mich nicht genug zum Anklicken.

Seither versuche ich mir vorzustellen, wie Männer einander zuraunen, dass sie ja im Grunde die Orangenhaut auf den Oberschenkeln der Nachbarin, die sie in der vergangenen Bikinisaison sahen, total aufregend finden. Phantasiere Bildergalerien „Die heißesten Geweberisse Hollywoods“. Sehe Frauenzeitschriftskampagnen vor mir: „Ich stehe zu den Kratern in meinem Po!“ Oder Interviews mit Schauspielerinnen, in denen sie gestehen, die Oscar prämierte Rolle nur wegen der Mondoberfläche ihrer Hüften bekommen zu haben. Sage also keiner, hinkende Vergleiche träten nicht auch mal Kreativität los.

Sie können sich vielleicht vorstellen, was der Zwischentitel „Achillesferse der Luftfahrt“ mit den Bildern in meinem Kopf macht?

You’ve got a friend

Donnerstag, 15. Januar 2009

Ein Text von Scott Adams (zur Sicherheit sei sein Blog nochmal empfohlen) bringt mich auf die Frage: Was macht für mich jemanden zum Freund?

Herr Adams versucht es mit den Kriterien:
1. Jemand, mit dem ich ein Geheimnis geteilt habe.
2. Jemand, der einen Gefallen von mir angenommen hat.

Daran finde ich den zweiten Punkt erstaunlich, denn schon früh habe ich Freunde als diejenigen Menschen definiert, von denen ich weiß, dass sie sich in Not an mich wenden würden – und nicht, wie ich es sonst immer gehört hatte, Menschen, die mir in Not helfen würden. Es verlangt mehr Vertrauen, jemanden um Hilfe zu bitten, als Hilfe zu gewähren.

Auch wenn Scott Adams die verbindende Wirkung eines geteilten Geheimnisses nachvollziehbar beschreibt – persönlich kann ich damit nichts anfangen. Vielleicht habe ich lediglich mit dem Begriff „Geheimnis“ ein Problem. Geheimnisse teile ich nicht – deswegen sind sie ja geheim.

Scott Adams’ Beispiel:

Say you are both at a dinner party and your host served duck. At the dinner table you told the host the food was wonderful, but later and privately to your would-be friend you jokingly confess that you hate duck. That’s a secret, but a tiny one.

Nee, funktioniert nicht, ich hätte das Gericht, das ich nicht mag, gar nicht erst gelobt. Aber das mag ich zu eng sehen. Mich jemandem anzuvertrauen, gehört für mich sehr wohl zu Freundschaft, und damit die Sicherheit, das diese Vertraulichkeit gewahrt bleibt. Wen ich privat bitten müsste: „Das bleibt bitte unter uns“, dem würde ich mich nicht anvertrauen.

Freundschaft bedeutete für mich praktisch noch nie: Mit Menschen in konstantem, häufigen Austausch stehen, sie über alle Umstände meines Lebens informieren, mein Leben mit ihnen teilen. Selbst in den wenigen Jahren, in denen sich fast mein gesamter Freundeskreis in einem Radius von wenigen Kilometern um mich befanden, machte ich innere Vorgänge fast ausschließlich mit mir selbst aus.

Heutzutage fällt es mir schwerer und gleichzeitig leichter als in jungen Jahren, Freundschaft zu definieren: Eine bestimmte Art von Zuneigung, verbunden mit einem bestimmten Gefühl der Nähe.
So kann ich sagen, dass der Mitbewohner ein Freund ist – der Mensch, zu dem ich die engste Beziehung habe. Ich spreche aber auch von Leuten als „mein Freund XXYY“, die ich seit Jahren nicht gesehen habe und oder mit denen ich lediglich alle paar Monate E-Mails austausche.
Leichter ist daran, dass ich nie lange überlegen muss, ob ich jemanden als meine Freundin oder meinen Freund ansehe. Schwerer macht diese Definition, dass sie keine objektiven und nachprüfbaren Kriterien liefert. Und, wie mir gerade auffällt, dass sie Einseitigkeit einkalkuliert. Es ist wohl sehr wahrscheinlich, dass ich jemanden als Freund empfinde, der mich nicht als Freundin bezeichnen würde.

Auf der Bühne geht Pamuk ja doch

Mittwoch, 14. Januar 2009

Ich kann mich nicht erinnern, einem Romanautor je so viele Chancen gegeben zu haben wie Orhan Pamuk. Vor etwa zwei Jahren ließ ich mir The White Castle empfehlen (wenn sowieso Übersetzung, warum dann nicht die hoch gerühmte englische von Victoria Holbrook?): Ich kam nicht über die ersten 40 Seiten, die sich anfühlten wie 100, hinaus, weil mich überhaupt nichts an der Geschichte interessierte. Bei jedem anderen Autor wäre es das gewesen, ich hätte den Namen auf ewig mit „mag ich nicht“ verbunden und nie wieder etwas von ihm gelesen, Nobelpreis hin oder her. Da Herr Pamuk allerdings geradezu in einer Wolke von Lobpreis veröffentlicht, erzeugt von Leuten, auf deren Leseempfehlungen ich mich sonst verlassen kann, dachte ich: Na gut, historischer Stoff, das macht er ja nicht immer. Die zweite Chance war Ende letzten Jahres Das Museum der Unschuld, dessen erstes Viertel mich zu meiner Erleichterung tatsächlich fesselte, um mich dann mit 300 Seiten ödester Detailschilderungen fast zu Tränen zu langweilen.

Dass ich mich überhaupt nochmal mit Orhan Pamuk befasste, war Zufall: Mein Theaterabo schickte mich in die Dramatisierung seines Romans Schnee. Die Inszenierung (Regie Lars-Ole Walburg, Dramaturgie Malte Jelden) gefiel mir gut; möglicherweise bedeutet eine szenische Darstellung die einzige Rettung eines Pamuk-Stoffes.

Kahle Bühne (ob ich wohl in diesem Leben noch mal einen Bühnenvorhang zu sehen bekomme?), im Hintergrund ein riesiger, unordentlicher Haufen Fernsehapparate, die im Lauf des Stücks immer wieder als Kulisse eingesetzt wurden. Den Bezug zur Buchvorlage stellte der Hauptdarsteller her (Bernd Moss), der den Anfang des Romans vorlas, dann weiter frei sprach: Schriftsteller Ka, in Frankfurt lebender Türke, auf einer Busreise in die türkische Provinzstadt Kars, in der er über die Selbstmorde junger Mädchen recherchieren will und seine Jugendliebe Ipek (Annette Paulmann) wiedersehen. Es schneit. In Kars begegnet Ka putschendem Militär, zweifelnden Islamisten, Gewalt, der Familie und der Vergangenheit seiner Jugendliebe. Die Inszenierung erzählt viel indirekt, mit Requisiten, Tonfall, Fernsehbildern Mimik – ob das die Verhörmethoden der Polizei sind, die Stimmung im Haus Ipeks, die Rolle des Glaubens. Selbst der Vortrag eines Gedichts kommt ohne Wörter aus – ein wundervoller Moment. Genau die überladene Erklärungs- und Beschreibungswut Pamuks, die mich an seinen Büchern ermüdet hatte, fiel damit weg. Fast, denn die letzten Minuten, die sich wieder wie eine Stunde anfühlten, bestanden aus einem Monolog einer neuen Figur, die sich „Orhan“ nannte und die Geschichte zu Ende erzählte – vermutlich den Pamuk-Roman wörtlich zitierend. Langatmig genug war dieser Monolog.

Ich saß in der allerersten Reihe, die in den Kammerspielen nur einen halben Meter Abstand zur Bühne lässt. So konnte ich nicht nur auf die Blätter der Souffleuse vier Sitze weiter schielen, ob der langweilige Schlussmonolog wohl bald zu Ende gehen würde, sondern auch mal vorsichtig den Hauptdarsteller anlächeln: Bei der Ankunft in Kars rutscht Ka bäuchlings mit dem Koranschüler Necip (Sebastian Weber, kennen wir aus Shoppen) über Eis und Schnee. Moss wirft sich also mehrfach mit Anlauf Richtung Bühnenrand; als sein Gesicht zum dritten Mal einen halben Meter vor meinem ankam, hätte ich fast Grüß Gott gesagt, begnügte mich aber mit einem freundlichen Blickwechsel.

Romane und Filme auf der Theaterbühne

Dienstag, 13. Januar 2009

Verfilmungen historischer Stoffe, Filme „nach einer wahren Begebenheit“, Doku-Spielfilme statt erfundener Geschichten diagnostizierte heute Martina Koben im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung als aktuellen Kinotrend. Der Bezug zur Finanzkrise, den sie zieht, erscheint mir zwar konstruiert: Sollte nicht gerade das Auffliegen von angeblichen Fakten als manipulierende Märchen ein Misstrauen gegenüber Tatsachenbehauptungen schüren statt eine Sehnsucht nach „So war es wirklich“ hervorrufen? Förderten Wirtschaftskrisen bislang nicht eher den Bedarf an eskapistischen Stoffen mit heiler Welt? Doch die Veränderung in der Geschichtenbasis von Kinofilmen ist mir in den vergangenen Jahren ebenfalls aufgefallen. „Die traditionellen Erzähler misstrauen ihrer Erfindungskraft“, so der Untertitel des SZ-Artikels, scheint mir eher eine Erklärung.

Im Theater passiert vielleicht Ähnliches. Die ersten drei Stücke, die ich auf der Basis meines Abos sehe, sind die Dramatisierung eines Filmes (Hass), ein Stück nach einem Roman von 2004 (Schnee) und eines nach einem älteren (Hiob). Das mag schon Zufall sein (weiter geht es mit dem ganz frischen Stück Kaspar Häuser Meer von Felicia Zeller), aber in meinem ersten Leben als Theaterbesucherin, ca. 1973 bis 1988, sah ich ausschließlich für die Bühne geschriebene Geschichten. Auch hier ein Mangel an Vertrauen in Selbsterfundenes?

Nachtrag: Jetzt steht Frau Kobens Artikel auch auf der Website der SZ, allerdings mit anderer Überschrift.
Noch ein Nachtrag: Jetzt funktionieren auch die Links zu den Stücken – die Website der Kammerspiele macht einem Vieles nicht einfach.