Archiv für Januar 2009

Seven Pounds

Montag, 12. Januar 2009

pounds

garantiert spoilerfrei, echt ehrlich

Ich habe eine Schwäche für Will Smith, nicht erst seit Men in Black. Und dann sah ich den Trailer zu einem neuen Film mit ihm, der völlig offen lässt, worum er wohl geht – die Mischung von Hollywood und erzähltechnischem Abenteuer weckte meine Neugier.

Erzählte man die Geschichte von Seven Pounds, wie sie sich nach der Auflösung entpuppt, klänge der Film grässlich. Aber es ist nunmal genau das Wie der Handlung, die den ganzen Film ausmacht. Etwa eine Stunde lang werfen die Szenen ausschließlich Fragen auf, dann erst beginnen sie – ganz langsam –, diese Fragen zu beantworten. Doch es dauert bis zum Schluss, dass auch nur die Schnipsel des Trailers Sinn ergeben. Ein wundervolles Beispiel für die Rolle eines Drehbuches.

Zunächst zeigt der Film Will Smith, wie er am Telefon mühsam beherrscht einen Notarzt ordert, da er sich gleich töten werde. Diese Szene wird kurz vor Schluss nochmal gezeigt, dann verstehen wir sie. Dazwischen sehen wir… Roger Ebert beschreibt es in seiner empfehlenswerten Rezension (ebenfalls ohne Spoiler):

a character who is behaving precisely, with no apparent motivation.

Warum ist Will Smith als Mann von der Steuerbehörde, Ben Thomas, am Telefon so gemein zu einem freundlichen, blinden Call-Center-Mitarbeiter? Und folgt ihm dann in einen Diner, unterhält sich nett mit ihm? Was geht ihn in einem Altersheim an, dass der Heimleiter einer Greisin ihr Bad verweigert? Warum wohnt er in diesem mittelprächtigen Motel? Die Erfüllung welches Versprechens fordert er von seinem Sandkastenfreund ein? Wieso küsst er die junge Frau nicht, obwohl ganz eindeutig er und sie sich das wünschen? Und sind seine Fahrten im schicken Sportwagen Rückblenden oder eine Vorschau?

Die Szenen sind nicht chronologisch und werden doch zu einer Handlung, Hinweise sind der Verschmutzungsgrad von Ben Thomas’ Auto sowie Thomas’ körperliche und emotionale Verfassung. Will Smith spielt atemberaubend gut, wechselt von leichtfüßig zu gramgebeugt, von zuvorkommend unverbindlich zu intensiv fordernd. In Peursuit of Happiness fand ich Smiths Schauspielfacetten wegen der platten Botschaft fast kitschig, hier passen sie perfekt.

Ausgezeichnet auch Rosario Dawson (die ich ausgerechnet aus Sin City in Erinnerung hatte) als Emily und ein überraschend besetzter Woody Harrelson.

Beim Stöbern durch amerikanische Besprechungen des Films habe festgestellt, dass sich viele daran stoßen, wie fahrlässig mit Fakten umgegangen wird – angefangen mit dem Eingangssatz, der behauptet, der alttestamentarische Gott habe die Welt in sieben Tagen geschaffen (es waren sechs). Seltsam, vor lauter Faszination war mir das egal.

Frostjoggen

Sonntag, 11. Januar 2009

Überraschend viele Münchner dauerlaufen auch bei Eiseskälte. Das ganz große Vergnügen war es heute nicht, trotz schöner Ausblicke.

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So habe ich den Verdacht, heute mehr Körperflüssigkeit über meine tränenden Augen als über meine Schweißdrüsen ausgeschieden zu haben.

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Auf sonnigen, geschützten Streckenabschnitten wurden zwar auch meine Finger zeitweise warm, doch die zehn Minuten verschwitzten Wartens auf die Straßenbahn gefroren mich so tief, dass ich erst nach zwei Riesentassen heißen Tees und einer langen heißen Dusche getaut war.

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Am Ende meiner Tour stieß ich auf diese Tageskarte.

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Ob es sich wohl um eine altgriechische Bezeichnung für die Omnibuslinie 8 handelt? Die es allerdings in München gar nicht gibt?

Die wirklich interessanten Fragen

Samstag, 10. Januar 2009

Vor der Erfindung der Vitamine Anfang des 20. Jahrhunderts galt Obst nicht als gesund, sondern als besondere Leckerei – zumal es mangels Konservierungs- und Transportmöglichkeiten nur für kurze Zeit im Jahr frisches Obst gab. Aßen damals die heute klassischen Obstverweigerer, also Kinder und männliche Männer, Obst gerne?

Unromantisch

Freitag, 9. Januar 2009

Dieser Textentwurf liegt seit fast vier Jahren angefangen auf meinem Blogserver. Gilt inhaltlich immer noch. Ich räume ihn ungeschliffen und fragmentarisch raus.

Ja, das bin ich: unromantisch. Mit Leidenschaft und bis ins Mark. Bei fast allem, was Film, Fernsehen, Popmusik, Literatur und die Allgemeinheit für romantisch halten, werde ich vor lauter Ärger aggressiv. 40 Prozent davon basiert auf einer Lüge (wie: Blumen mitbringen, Leid und Schmerz oder Eifersucht als Liebesbeweis), 50 Prozent empfinde ich als überaus albern bis unpraktisch (darunter: Kosenamen auf -i, Namen der Geliebten als Tätowierung, gemeinsames Schlafzimmer), die restlichen 10 Prozent haben für mich nichts mit Romantik zu tun (z.B. Baden bei Kerzenlicht, Zärtlichkeit), sondern sind Sinnesfreuden.

Frau modeste schrieb einst:

In Beziehungen, so sagt der Romantiker, sollen wir ganz wir selbst sein dürfen. Bedingungslos angenommen vom anderen, geborgen vor den kalten Winden des äußeren Lebens. Dies beinhaltet auch Ehrlichkeit, absolute Offenheit, insbesondere in Bezug auf die eigene Vergangenheit.

`tschuldigung, dann braucht er sich wohl nicht zu wundern, der Romantiker, dass das mit der Partnerschaft nichts wird. „Absolute Offenheit“ enthält reichlich Aggression: Nimm dies! Mir doch wurscht, wie sehr dich das belastet oder verletzt! „Bedingungslos angenommen“ ist genauso zerstörerisch dumm; viel besser, sich seiner Bedingungen klar zu werden, sie auszusprechen, Grenzen klarmachen.

Statt dessen: Aufmerksamkeiten.
Statt dessen: Rücksicht.
Statt dessen: Spontanität.

Auch die kunstgeschichtlich und literaturwissenschaftlich so bezeichneten Werke missfallen mir. Gehen Sie mir weg mit dem Sublimen. In der Alten Nationalgalerie in Berlin stand ich wieder mal vor ein paar Caspar David Friedrichs und schüttelte mich. Wirksames Antidot: Northanger Abbey von Jane Austen.

Meiner persönlichen Erfahrung nach (einer Persönlichkeit, die Naturspießertum und Coolnessmangel aufs Trefflichste vereint) hilft es, wenn man in Beziehungen dieselben Regeln des zwischenmenschlichen Umgangs befolgt, die man für die Begegnung mit Fremden akzeptiert. „Bitte“ und „Danke“ sagen, Höflichkeit, Rücksicht, Diskretion. Mir ist immer noch nicht klar, dass Leute, die nicht zu Falschheit oder Missgunst neigen, ausgerechnet den Menschen schlecht machen („meine Alte“, „ist doch wieder typisch Mann“), den sie angeblich am liebsten haben.

Dabei bin ich mir durchaus bewusst, dass es eine Beziehungs-Schule gibt, die den Vorteil einer Paargemeinschaft darin sieht, genau diese Umgangsformen vergessen zu können. Ich frage mich nur, wie es die gegenseitige Zuneigung fördern soll, wenn ich die Klotüre offen lasse.

Praschl schrieb, als er das noch ins Internet tat:

beschlossen, sie zu überleben. man kann es keinem antun, nicht zu überleben.

Das ist unromantisch. Aber Liebe.

Temperaturbloggen

Donnerstag, 8. Januar 2009

Nu bin ich dann aber doch langsam beleidigt. Angeblich ganz Deutschland wird von einer Kälte, die erwartungsgemäß „sibirisch“ geheißen wird, belastet – halt nein „fest im Griff“ gehalten. Die ARD hat ihre gestrige Haupttagesschau um acht sogar um einen Brennpunkt dazu ergänzt1 .

Dann ist München also nicht in Deutschland (als hätten wir das nicht eh geahnt): Hier begnügen wir uns mit Temperaturen wenig unter Null, und Schnee haben wir auch keinen, der ein unbedingt so zu nennendes -chaos verursacht. Ich erinnere mich sehr gut, wie schrecklich bittere Kälte ist, die draußen ein Bedecken von Mund und Nase notwendig macht, wegen der vor jedem Verlassen von beheizten Räumen eine Einkleidungszeremonie steht, mit der man sich als japanische Braut qualifizieren könnte. Ich winke den frostgeplagten Berlinern und Dresdnern zu: Haltet durch! Oder kommt nach München – auch wenn sich dann die Tagesschau nicht mehr für euch interessiert.

  1. Die Sendung sollte wirklich umbenannt werden, zum Thema Kälte wirkt der Name wie ein Kalauer, wenn es sich – wie bereits vorgekommen – um die Opfer eines Brandes handelt, gehässig. []

Message in a calendar

Dienstag, 6. Januar 2009

Der überformatige Fotokalender namens „Bayern 2009. Moderne Architektur“ (leise erklingt erstes Kichern) enthält als zentrale Motive:
– Skisprungschanze
– Waschstraße
– Klärwerk
– Omnibusbahnhof
– Bergwelt
Ich lebe trotzdem gerne hier.

Mein schönstes Ferienerlebnis

Montag, 5. Januar 2009

Geärgert hat mich über die Weihnachtsferien der eigenartige Zwang, den ich verspürte, die freien Tage daheim zu nutzen, etwas draus zu machen, wenn ich schon mal die Zeit etc. Und jetzt, hinterher, wollen mir nur die unerledigten Dinge einfallen: dass ich keine Rechnungsablage gemacht und den Kronleuchter im Bad nicht geputzt habe. Spinne ich?

Beweise ich mir also gleich mal das Gegenteil und notiere, wodurch mich die Weihnachtsferien tatsächlich bereichert haben:

– Ich habe mich ein wenig im Schlachthofviertel umgesehen.
– Habe das Café Rothmund entdeckt, in dem mir Publikum, Speisen und Getränke sowie Service ausnehmend gut gefallen. Es ist mir ein Rätsel, wie mir das Lokal in den zehn Jahren, die ich mittlerweile gleich ums Eck wohne, entgehen konnte.
– Tierpark Hellabrunn im Winter: Da so wenige Tiere draußen zu sehen sind, freut man sich über sie viel mehr.
– Das Internet habe ich gründlich leer gelesen, darunter ca. 170 Blogs täglich.
– In meinem Schlafzimmer hängt endlich das Bild, das ich vor drei Monaten habe rahmen lassen.
– Auf meinen Fahrten durch München habe ich Wollläden und -abteilungen abgeklappert und einen klaren Favoriten gefunden. Nach meinem ersten Kauf empfehle ich ihn im Detail.
– In der Muckibude habe ich mir ein neues Trainingsprogramm zusammenstellen lassen und mich daran gefreut, dass ich dort als Sportlerin ernst genommen wurde (nimm das, blöder Sportgeschäft-Naturbursche!).
– Ich war zweimal Kino.
– In gemeinsamen Mittagessen und Frühstücken habe ich Bekanntschaften und Freundschaften gepflegt.
– Ich habe meine Leidenschaft fürs Schwimmen wiederentdeckt, darüber recherchiert und Pläne geschmiedet.
– Zum ersten Mal im Leben hausgemachte Blaubeerlimonade getrunken.
– Und jeder Tag war lang genug, die Zeitung auszulesen.