Schwimmenlernen im Internet
Sonntag, 4. Januar 2009 um 14:32Ich weiß jetzt, was meine alte Schwimmbrille so ideal gemacht hat: Sie ist eine Wettkampfbrille. Allerdings war es nicht einfach, an diese Information zu kommen. Zum Kauf eines Ersatzes suchte ich nämlich ein gewisses kürzlich renoviertes Sportgeschäft gleich am Marienplatz auf. Und dort werde ich vom Personal regelmäßig ignoriert. Mag ja sein, dass ich kolossal unsportlich und eh zu alt aussehe, und dass die dort angestellten Naturburschen deshalb davon ausgehen, ich hätte mich auf der Suche nach einem Paar Mephisto-Schuhen verirrt. Doch selbst dann ist es keine Art, erst gelangweilt durch mich hindurch zu schauen und dann meine Fragen einsilbig und verweigernd zu beantworten.
Am Regal mit den Schwimmbrillen hingen Musterexemplare zum Ausprobieren. Da ich nur nach den allerkleinsten Modellen griff, fand ich schnell mein Ideal, das ebenso knapp und sicher in den Augenhöhlen saß wie sein sich verabschiedender Vorgänger. Nur konnte ich nicht ausmachen, in welcher Verpackung sich dieses Modell zum Kauf befand; ich musste den an der Wand lehnenden Verkäuferburschen leider aus seinen Träumen reißen. Der führte mich zwar zur gesuchten Verpackung, schien aber unwillig, sie mir auszuhändigen: „Des is aber eine Wettkampfbrille.“ Ah so, na ja, andere halten mir aber das Wasser nicht von den Augen fern. „Die darf man immer nur kurz aufsetzen.“ Oh. Sonst? „Die drücken sich so in die Augenhöhle, dass man nach längerer Zeit so Eulenaugen mit Abdrücken bekommt.“ Ich nehme meine Brille ab und deute auf mein Gesicht: „So wie die, die man jetzt noch von meinem Morgensport sehen müsste? Nehme ich.“
Wäre ich geistesgegenwärtiger gewesen, hätte ich den Herrn anschließend nach Badehauben mit Plastikblumen drauf gefragt. Um seine Vorurteilswelt wieder in Ordnung zu bringen.
Ihren gestrigen Praxistext bestand die neue Schwimmbrille tadellos.
Durch ein Posting auf den Scienceblogs stieß ich darauf, dass sich die Lehrmeinung zu Schwimmtechnik in den letzten Jahrzehnten massiv verändert hat. Hintergrund sind neue Erkenntnisse aus der Biomechanik. Gerade das Wettkampfschwimmen sieht deshalb heute ganz anders aus als vor 30 Jahren. So werden die Finger heute zum Beispiel leicht gespreizt. Die Körperbewegung des Brustschwimmens ist für Wettkämpfer inzwischen das Undulieren – allerdings wohl wirklich nur für Wettkämpfer, denn es ist sehr anstrengend. Ich musste sofort an Patrick Duffy als Mann aus Atlantis denken: Dessen Schlangengleiten durchs Wasser versuchte ich seinerzeit mit Mitschülerinnen im Schwimmunterricht zu imitieren (dieselben Mädchen, mit denen ich dort Szenen aus Esther-Williams-Filmen nachstellte). Wir gaben schnell auf, weil unsere Kraft für nicht mehr als drei Schläge reichte. Meiner Erinnerung nach wurde auch Herr Duffy nie mit mehr als drei Schlägen gezeigt, bevor ihn ein Schnitt erlöste.
Vieles weist darauf hin, dass im Wettkampfschwimmen das Ideal des eleganten, schmalen Gleitens durch kraftbasierte Techniken abgelöst wurde. Ich gebe zu, dass ich mir jetzt wünsche, ich hätte im August olympisches Schwimmen geguckt.
Mir als Breitenschwimmerin hingegen darf es weiterhin darum gehen, mit möglichst wenig Kraftaufwand zügig und elegant die Wogen zu durchschneiden. Meine Vorstellung von optimaler Wasserlage sehe ich hier bestätigt. Mein Brustschwimmstil passt wohl noch: Hier eine schöne Beschreibung, hier eine Animation dazu. Da es für meine lädierte Lendenwirbelsäule besser ist, versuche ich aber, so viel wie möglich zu kraulen. Zwar bin ich meinem Ziel des gemütlichen Kraulens über lange Strecken näher gekommen (hier eine Animation, hier Details zum Armschlag mit Videoclips); derzeit wechsle ich zwei Bahnen Brust mit zwei Bahnen Kraul ab. Doch nachdem ich mich auf der Suche nach Technikverbesserungen im Internet-Dschungel der Schwimmerforen und Triathlontipps schnell verheddert habe, sollte ich mir dafür wohl mal eine Trainerstunde leisten.
die Kaltmamsell5 Kommentare zu „Schwimmenlernen im Internet“
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4. Januar 2009 um 15:37
Den Herrn Duffy hab ich auch immer bewundert, bin aber beim Nachmachen immer weggeblubbet, schade.
4. Januar 2009 um 15:39
Köstlich die Schilderung Ihrer Begegnung mit den Verkäuferburschen! Ich vertrete ja die These, dass den heutigen Verkäufern/Verkäuferinnen sofern sie überhaupt noch eine richtige Einzelhandelskaufmann-Ausbildung durchlaufen haben, per Lehrplan eingeimpft wird, dass alles was jenseits der 25 ist, als irrelavant gilt, da nicht die gewünschte Käufergruppe – egal ob es sich um Schwimmbrillen oder was auch immer handelt.
An dieser Stelle herzlichen Dank auch für Ihre freundlichen Wünsche zum neuen Jahr, über die ich mich überaus gefreut habe! Ihnen wünsche ich selbstverständlich auch ein formidables neues Jahr! Bleiben Sie gesund und erfeuen uns weiter mit ihren wunderbaren Alltagsbeobachtungen und Famliengeschichten!
4. Januar 2009 um 16:19
Interessant – ich habe über Total Immersion über Tim Ferriss’s Blog hier letztes Jahr gelesen und dachte, vielleicht bestelle ich das Buch.
4. Januar 2009 um 17:46
Arschcoole Brille.
7. Januar 2009 um 10:26
Liebe Kaltmamsell,
ich nehme an, die dunkle Brille auf dem Foto ist die auserkorene, von der der Verkäuferbursche behauptet hat, es wäre eine Wettkampfbrille? Mit Verlaub, der Herr irrt. Meines Wissens sind nur die “Schwedenbrillen” reine Wettkampfbrillen. Die sind allerdings wirklich nur was für Puristen. Man bekommt sie meist nicht einmal in einem Täschchen, sondern eingeschweißt in einem Plastiktütchen: zwei Augentöpfchen ohne Gummipolster oder anderen Schnickschnack, ein robuster Bindfaden als Nasensteg, mit dem die beiden Teile zusammengeknotet werden; nichts für Zauderer übrigens: einmal verknotet ist der Steg dann nicht mehr verstellbar, und natürlich noch ein Gummiband, das an den Außenseiten der Augentöpfchen rangepfriemelt werden muss. Fertig ist die Brille. Wenn man sie gut zusammengebaut hat, soll heißen genau auf das eigene Gesicht angepasst hat, sitzt sie perfekt. Und hinterlässt leider auch nach kurzer Zeit die vom Verkäuferburschen der falschen Brille zugeschriebenen schmerzhaften Ringe.
Weil mein Gesicht übrigens auch nicht so recht zu den meisten Schwimmbrillen passen will, ein Auge läuft garantiert voll Wasser innerhalb der ersten Sekunden, bin ich inzwischen auf Kinderbrillen umgestiegen. Also ich meine jetzt nicht solche, die große Frösche oder Nemos um die Augen haben, sondern einfach die etwas kleineren Kindermodelle der seriösen Erwachsenenschwimmbrillen. Die sitzen gut auf den Augenhöhlen und bleiben dicht.
Es grüßt
die fröhliche Schwimmerin