Stricken revisited
Dienstag, 27. Januar 2009 um 10:45Nach fast 15 Jahren stricke ich mir wieder einen Pullover. Die Strickleidenschaft, die ich als echtes Kind meiner Generation (Jahrgang 1967) in den 80ern ausgelebt hatte, war wie bei den meisten dieser Generation lange eingeschlafen. Das lag zum einen daran, dass gekaufte Strickpullis in den vergangenen 20 Jahren erheblich besser aussahen als die selbst gestrickten und zudem erheblich preisgünstiger als schöne Wolle waren. Zum anderen hatte ich keine Lust auf Handarbeit.
Doch es scheint eine neue Strickwelle zu geben, die ich in München an der wachsenden Zahl von interessanten Wollgeschäften festmache. Und die auch über mich schwappte.
Vieles an meiner neuen Strickphase ist noch genau wie früher:
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– Die Wahl einer lauten Farbe für einen Pulli sollte mit Vorsicht getroffen werden. So gefiel mir das kräftige Rot wirklich von allen Mohair-Tönen am besten. Doch ich hatte außer Acht gelassen, dass ich es beim Stricken mehrere Wochen vor Augen haben würde – bis der Pulli fertig ist, kann ich die Farbe vermutlich nicht mehr sehen.
– Stricken führt zu Verkrampfung. Nach zwei Stunden an sich gemütlichen Strickens auf dem Sofa brauchen Nacken und Schültergürtel eigentlich eine professionelle Massage. Keine Schmerzen hatte ich meiner Erinnerung nach nur in den Anfangsjahren meiner Strickerei; ob die vielen Liter aromatisierten Schwarztees (Pfirsich-Maracuja, Kaminfeuer, Wildkirsche – Sie erinnern sich?), die mich im Alter von 13 bis 17 beim Stricken begleiteten, irgendwas damit zu tun hatten?
– Wolle sieht man den Preis an (Sockenwolle mag eine Ausnahme sein, mit der kenne ich mich nicht aus). Es gibt immer noch vergleichsweise erschwingliche Ware, sie schaut aber auch immer noch genau so billig aus.
Manche Dinge aber haben sich mit dem Alter geändert. So ist es mir ganz selbstverständlich, im Wollgeschäft mit der Inhaberin zu fachsimpeln und mich beraten zu lassen – als Jugendliche war schon das Betreten eines Fachgeschäfts eine Überwindung, da darin das Hauptziel eines Einkaufsbummels, nämlich unbeachtet herumzuschauen, unmöglich erreichbar war. Meine aktuelle Entdeckung: Strickeria (der Name ist allerdings sehr 80er). Wunderschöne Wollen und Garne, leidenschaftliche Beratung, außerdem hängen inspirierende Strickbeispiele herum, die genau das Gegenteil von Tante Ernas Weihnachtsgeschenken sind.
Die schönste Änderung: Ich kann mir schöne Wolle leisten. Als Jugendliche strickte ich so manches Stück auf Bestellung gegen reine Materialkosten – nur um mit den besonders luxuriösen Wollen mal arbeiten zu können. (Hach, das Jäckchen aus schwarzem, hundertprozentigen Angora! Die Wolle kam in schwarzen Schachteln, in 20-Gramm Knäueln.) Und so darf der aktuelle Pulli auf etwa 100 Euro kommen.
Wie gut es zu dieser neuen Strickphase passt, dass ich gerade Elizabeth Gakells Cranford lese!
die Kaltmamsell12 Kommentare zu „Stricken revisited“
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27. Januar 2009 um 12:06
Willkommen im Club, Frau Kaltmamsell!
Möchten Sie sich nicht vielleicht bei Ravelry anmelden? Ich habe noch von niemandem gehört, der nicht von Ravelry begeistert wäre; die Möglichkeiten, die Inspiration!
Wie auch immer, ich wünsche gutes Gelingen und viel Freude beim Erstellen des Edelpullis.
(Und ja, auch bei Sockenwolle gibt es Unterschiede in der Garnqualität, die man beim Stricken deutlich spürt.)
27. Januar 2009 um 12:18
Ich als Jahrgang 1963 habe mich immer vor dem Stricken gedrückt, weil es für mich eine Qual war, von betulichen Handarbeitslehrerinnen an der Entfaltung meiner Fantasie (Ideen hätt ich schon gehabt !) gehindert zu werden. Langweilige einfärbig-beige oder mausgraue Pullover sind halt nicht eben das, was ich mir unter Selbstgestricktem vorstelle …
Jahre später gab es in meinem Freundeskreis eine Frau, die eine Strickmaschine besaß und mit diesem Gerät auch umgehen konnte – unglaublich, welche Kreationen sie auf dieser Strickmaschine umsetzte, darunter auch Auftragsarbeiten, grob umrissen in Farben und Schnitt, der Rest war ihre persönliche Handschrift. Einen der schönsten Pullover, die ich jemals besaß, bekam ich als Geschenk von ihr – ich hab ihn getragen, bis er sich buchstäblich aufzulösen begann.
In diesem Sinne: Stricken Sie wohl, Frau Kaltmamsell !
27. Januar 2009 um 12:54
Auch ich habe wieder ein wenig mit dem Stricken angefangen – was einer Freundin geschuldet ist, die von mir wissen wollte, wie denn Socken nun wirklich gehen. Und kurz darauf hatte ich einen Kreis von Damen um mich herum (Herren hat das nicht interessiert), die das auch lernen wollten.
Ich finde es fast ein wenig biedermeriartig, wie sehr handgefertigtes wieder in Mode gekommen ist. Andererseits… es macht schlicht Spaß, Sachen selber herzustellen.
27. Januar 2009 um 13:23
Ich kann nur zustimmen, bis hin zum Tee, aber ich bin eben auch Jahrgang ’67.
Und übrigens: Das Verhältnis Preis – Aussehen stimmt auch bei Sockenwolle. Spätestens beim Anfassen…
Gibt es denn von dem Pulli mal ein Bild? Oder wenigstens von der Wolle?
(Und Lorelei: ich mag Ravelry nicht. Ich sag’s aber nur ganz leise)
27. Januar 2009 um 13:33
Mir geht es ganz genau so! Nach 25 Jahren Strickabstinenz stricke ich zur Zeit eine Jacke. Ebenso hatte ich so zwischen 16 und 18 die “Strickeritis” – wie viele zu der Zeit. In der Schule wurde seinerzeit ein regelrechtes “Rudelstricken” veranstaltet
Wiederentdeckt habe ich die Stricklust dadurch, dass ich einen bestimmten Schal haben wollte, in bestimmten Farben und mir den halt selbst gestrickt habe. Zufällig dann beim Stöbern auf der Seiten von diesem Wollversand gelandet. Hier gibts Wolle ohne Ende – in allen Formen, Farben und Preisklassen, ebenso Strickmuster und zur jeweiligen Wolle passende Vorschläge und Tipps. Da fing es dann erst recht an, in den Fingern zu kribbeln :-)
27. Januar 2009 um 18:29
Frau Miest, oh nein, mein Weltbild! :-)
27. Januar 2009 um 22:27
Das ist jetzt wirklich wahr: als ich mal im Krankenhaus war, hat mich der Zivi angebaggert, weil ich strickte und er auch. Er hat mich dann auch mal zuhause besucht, wir haben zwar nicht so viel gestrickt, aber er hat mir mit seiner wundervollen Baritonstimme schöne Lieder vorgesungen. Jetzt kommt er ab und zu noch vorbei, weil er in Japanologie studiert und dann gehen wir japanisch essen und shoppen.
Stricken bestrickt…
Selbstredend ist der Zivi ca. mindestens 5 Jahre jünger als ich, hach.
28. Januar 2009 um 10:01
Wenn man strickt kommen Zivis?
Auch in meinem Alter?
Na, wo ist die Wolle? ;-))
28. Januar 2009 um 12:40
Oh, Cranford!
Ich empfehle wärmstens die zauberhafte BBC-Miniserie aus dem Jahr 2007, jetzt auf DVD.
PS: Stricken kann ich nicht, mir als Linkshänderin vermochte es niemand beizubringen.
28. Januar 2009 um 23:24
Oh, das bewundere ich ja ein bißchen. Ich war eine Handarbeitsniete, von Anfang an, immer gewesen, und meine Strickwaren im Handarbeitsunterricht fungierten als eindringliche abschreckende Beispiele.
29. Januar 2009 um 10:14
Ach, Frau Modeste, dafür können Sie Sachertorte.
Meinen Handarbeitsunterricht habe ich nur als Folter und Verzweiflung in Erinnerung – meine persönliche Strickwelle in den 80ern war ein Neuanfang völlig unabhängig davon.
1. Februar 2009 um 20:49
Echt, ein Strick-Revival?? Hm, na klar habe auch ich als 67igerin gestrickt, vornehmlich im Unterricht (selbstverständlich nicht im Handarbeitsunterricht…den gab es auch gar nicht) mit geschätzten 13 anderen Mädels in der Klasse. Einige Lehrer meinten tatsächlich, wir könnten uns dabei nicht auf den Unterricht konzentrieren,tse !
Ja, Wildkirsch-Tee, auch in meinem Jugendzimmer !:-)