Ein Foto, das mich glücklich macht
Dienstag, 17. März 2009 um 6:34Welch wundervolle Idee! Frau … äh … Mutti zeigt ein Foto, das sie glücklich macht, erzählt die Geschichte dazu und fordert Leser und Leserinnen dazu auf, dasselbe zu tun (keine Angst: unter den Antworten sind nicht ausschließlich Babys und Kinder).
Geschichten zu Fotos erzählen mache ich ja zu gerne, also griff ich umgehend zu meinen Fotoalben auf der Suche nach einem Bild, das mich glücklich macht.
Nach zehn Minuten Blättern wünschte ich mich dringend weg: Die Fotos lösten entweder gar nichts in mir aus oder waren mir peinlich oder machten mich traurig und wehmütig. Es ist sicher kein Zufall, dass ich keine Fotos mit mir herumtrage. Als ich endlich eines fand, bei dessen Anblick mir das Herz aufgeht, war es dann auch eines ohne Menschen.
Das war meine Augsburger Wohnung 1989, kurz nachdem ich sie renoviert und bezogen hatte. An die Stelle der beiden Stühle (Sitz- und Rückenteile von Mama genäht) trat erst einige Monate später mein erstes richtiges und neu gekauftes Möbelstück: ein Sofa. Es war die schönste Wohnung meines Lebens: Über 200 Jahre alt, krumm und schief, mit gesundheitsbedrohlich niedrigen Türstürzen, voller Winkel, in denen es Geheimnisse zu entdecken gab, eingerichtet auf der Basis von Provisorien. Ich habe mich nirgends so zu Hause und bei mir gefühlt wie hier.
Während meines Auslandsstudienjahres in Wales vermisste ich zwar durchaus meine Freunde, meine Familie – doch am stärksten vermisste ich diese Wohnung. Acht Jahre war sie meine, und ich erlebte darin die glücklichsten Momente meines Lebens, in jeder Hinsicht die intensivsten Momente. Nächte mit Freunden, Feste, Frühstücke, Abendessen, Besuche, Pokerrunden, angenehmstes Für-mich-Sein beim Lesen, Radiohören, Stricken, Briefeschreiben, Studieren, Übersetzen. Die große Liebe zum heutigen Mitbewohner begann hier, mit einem Jahr lang Flitterwochen.
Ich verabschiedete mich von dieser Wohnung, als ich mit meiner großen Liebe zusammenzog. Für zwei war dieses Juwel hinterm Rathaus zu klein. Manchmal nehme ich mir die Zeit, im Geist durch die Zimmer zu gehen, in alle Ecken zu schauen, Schranktüren zu öffnen, mich an den Tisch zu setzen. An dieser Erinnerung kann ich mich schlicht freuen, ganz ohne Wehmut und Trauer.
die Kaltmamsell7 Kommentare zu „Ein Foto, das mich glücklich macht“
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17. März 2009 um 10:25
Genauso geht es mir, wenn ich an meine allererste 1-Zimmerwohnung zurückdenke. Angeblich 20 qm, keine einzige gerade Wand und die Decke an der höchsten Stelle 2,12m (nachgemessen, als ich ein 2,02m Regal aufbauen wollte, das gekippt werden musste) Keine Küche, nur ein Waschbecken, ein Kühlschrank, der nachts Melodien pfeifen konnte – frag mich nicht wie – 2 Kochplatten und ein Backofen im Bücherregal. Dort haben wir tolle Feste gefeiert, Freundschaften geschlossen, geredet und den Göttergatten besser kennen gelernt. Daran denke ich bis heute gerne zurück!
17. März 2009 um 15:24
So eine ähnliche Geschichte könnte ich auch erzählen, wäre aber langweilig, weil Frau Kaltmamsell sie bereits exemplarisch vorgeführt hat. Wahrscheinlich liegt der besondere Reiz darin, weil es die allererste Wohnung nach dem Elternhaus war. Ein wunderbarer Raum, in dem man auch heute noch glücklich sein könnte.
17. März 2009 um 15:34
Was ist denn das für eine orange-rote Lampe links oben im Bild – sieht irgendwie gehäkelt oder gestrickt aus? Ist die extra für das Foto nach links gehängt worden?
Nach dem sexy Strickschlüpfer traue ich Ihnen alles zu, liebe Kaltmamsell! ;-)
17. März 2009 um 15:48
In meinem Fall, Buchfink, war es sogar die vierte Wohnung nach dem Elternhaus – aber trotzdem die wundervollste.
Ich musste beim genauen Betrachten des Fotos gestern selbst nachdenken, Lola, was das Orange wohl war. Ganz Banal: Ein Seidenschal, den ich als Schleife um das Kabel gebunden hatte, das zur eigentlichen weißen Lampe führte. Ich hielt das für dekorativ.
17. März 2009 um 16:20
Schön, das Fenster zur Jugend.
Gutes Licht, gute Gegend (meine erste Wohnung war in Lechhausen) und das schöne immerwährende Ikea-Tischchen, dass es jetzt in hellrosa und froschgrün gibt.
17. März 2009 um 20:46
Sehr sehr schön, wie das Licht durch das Fenster fällt.
Dass in dieser Wohnung das Glück ist, sieht man.
Ich suche jetzt auch ein Foto, das mich glücklich macht.
5. August 2009 um 9:07
Zwanzig Jahre sind vergangen und ich kann mir Ihr Foto leibhaftig und aktuell im “apartamento” vorstellen > http://www.apartamentomagazine.com/ :-)
Dann müssen wir zu dieser Zeit jahrelang Nachbarn gewesen sein, Frau Kaltmammsell, und haben aneinander vorbeigekocht. Schade, schade. Ich verstehe sehr genau was Sie mit Glück in diesem Zusammenhang meinen. Ein wunderbares Bild. Das kulinarische durchdringt Ihr Leben; bin ich doch letzthin auf Ihr Foto des Kräutergärtleins in Augsburg gestoßen :-) Schön, dass Sie ab und zu vorbeischauen. So wie ich allmorgendlich auf Ihrer Seite :-) Könnte die Dusche ersetzen, so erfrischend!