Das Müller’sche Volksbad, so hatte ich immer angenommen, ist was zum Plantschen und Gucken, das schönste Münchner Hallenbad, in das man gerne auch Besuch von weit außerhalb mitnimmt, um ihm etwas zu bieten – aber nichts zum Schwimmen. Ich kannte es von einigen Saunabesuchen und von Fotos. Nun berichtete aber ein Arbeitskollege, der in der Nähe wohnt, im Herrenbecken des Müller’schen Volksbads könne man durchaus gut schwimmen, zum Beispiel Sonntagvormittag. Ha, dachte ich, vielleicht bin ich einem Geheimtipp für entspanntes Schwimmen auf der Spur.
Nicht.
Wahrscheinlich hätte ich erst mal mit dem Kollegen abgleichen sollen, was wir unter „Schwimmen“ verstehen. Für mich bedeutet es zwei Bahnen gemächliches Brustschwimmen, dann zwei Bahnen ruhiges Kraulen, dann wieder zwei Bahnen Brustschwimmen und nochmal zwei Bahnen Kraulen – so oft wiederholt, bis die geplante Entfernung (in meinem Fall etwa 3000 Meter) auf diese Weise zurückgelegt ist.
Für die meisten anderen Menschen in einem Hallenbad bedeutet „Schwimmen“, was auch der geschätzte Herr banana darunter versteht:
Fünfundsiebzig Minuten, in denen ich von der einen Seite des Beckens zur anderen schwimme, mich an den Rand stelle, mir die Leute anschaue und dann wieder zurückschwimme. Das ganze etwa dreissig Mal. Oder bis es mir langweilig wird.
Wenn, wie im Müller’schen Volksbad, diese beiden Auffassungen in einer von zwei abgegrenzten Bahnen für „Sportschwimmer“ aufeinandertreffen, entsteht bei allen Beteiligten Unmut. Bei mir, weil ich die Schwimmer nicht berechnen kann (lohnt es sich, den zu überholen oder habe ich ihn zwei Bahnen später wieder vor der Nase, weil er sich dazwischen am Beckenrand ausgeruht hat?) oder weil sie mir für eine Wende im Weg stehen. Bei den anderen, weil ich sie durch mein Überholen verunsichere oder zwischen ihnen wende, während sie sich gerade angeregt mit der Freundin unterhalten. Heute handelte ich mir sogar den klassischen Lebertritt ein (der übrigens nie von einem Sportkrauler kommt, da Sportkraulen eine gleitende, sehr platzsparende Bewegung ist, sondern auf den typisch kräftigen Beinschlag beim Brustschwimmen zurückzuführen ist), als eine Schwimmerin von der Nachbarbahn überraschend auf meine wechselte. Und zwar auf exakt die Stelle, an der ich mich gerade befand.
Gegen eine Nutzung als Schwimmbad spricht außerdem, dass der Nichtschwimmerteil des Beckens gerade mal einen guten Meter tief ist – bei den ersten Wenden (altmodisch seitlich, das Erlernen der Rollwende habe ich mir für das sechste Lebensjahrzehnt vorgenommen) schlug ich mir die Zehen am Beckenboden an. Dass die 31 Meter Beckenlänge fürs Streckenschwimmen fortgeschrittene Arithmetik verlangt, lassen wir mal beiseite; wir Münchner sind durch das 33-Meter-Becken des Nordbads Kummer gewohnt.
Aber schön ist es, das Müller’sche Volksbad, wunderschön. Bei so viel Stuck und Schmuck an der Hallendecke ist der überproportional hohe Rückenschwimmeranteil eigentlich nur konsequent. Vielleicht mögen Sie sich durch diese Fotostrecke klicken? Das Bad wurde glücklicherweise sehr vorsichtig modernisiert, verfügt über den gewohnten sanitären Komfort eines heutigen Hallenbades, ohne nostalgische Details auszumerzen. Diese Mischung verursacht ein wenig Umstände, die die Besucherin halt in Kauf nehmen muss. Die Schließfächer sind hölzern und Jugendstil, sie befinden sich im Obergeschoss. Den Schlüssel dazu holt man sich unten gleich beim Eingang durch das Einschieben der Eintrittskarte in ein modernes Minischließfach. Die Umkleiden liegen separat ein ganzes Stück entfernt von den Schließfächern, sind ebenfalls aus Holz und schön nostalisch mit Fensterchen und schützendem Vorhängchen. Die Duschen befinden sich wiederum ebenerdig am anderen Ende des Bades. Die Wege sind also durchaus weit, erfahrene Besucherinnen trugen Handtücher und Toilettsachen in einer Tasche bei sich. Hier ein bebilderter Besuchsbericht von sueddeutsche.de.