Pfingsten 2009
Sonntag, 31. Mai 2009Chronistinnenpflicht der Bloggerin: Auch dieses Jahr gab es Pfingsten.
An der Isar sah es so aus, und es war ziemlich kühl, kühler als an Ostern.
Chronistinnenpflicht der Bloggerin: Auch dieses Jahr gab es Pfingsten.
An der Isar sah es so aus, und es war ziemlich kühl, kühler als an Ostern.
Mein Arbeitsplatz.
Sie müssen wissen: Marmelade ist das neue Film.
Gepansche bleibt Gepansche
Mehr als zwei offene Gläser Marmelade soll unser Kühlschrank nicht aushalten, also musste erst mal das schwiegermütterliche Quittengelee leergegessen werden (unvergleichlich!), bevor ich mir einen neuen Geschmack erlaubte: Erdbeer-Lavendel-Marmelade, hergestellt in einer niedlichen, kleinen „Manufaktur“.
An dem Glas des Erbeer-Lavendel-… oh, dann doch „-Aufstrichs“ (weist auf besonders hohen Fruchtanteil hin) hing ein Heftchen, das ich als Zwangsleserin sofort aufblätterte:
Die hochwertigen Rohstoffe und ihre handwerkliche Verarbeitung garantieren höchste Qualität und ein besonderes Geschmackserlebnis.
Na, das freut mich aber, liebe Manufaktur, so soll es sein. Doch dann las ich die Zutatenliste:
Erdbeeren, Zucker, Lavendelblütensud (Lavendelblüten, Wasser), Zitrone, Geliermittel Apfel-Pektin, Säuerungsmittel Citronensäure, pflanzliches Öl
Das ist ja eine Menge Zeugs für so einen Aufstrich. Ginge es nicht ein wenig knapper? Ich bin zwar sicher, dass Sie da in Ihrer Manufaktur ganz besonders „hochwertige“ Citronensäure neben dem „hochwertigen“ Pektin und dem „hochwertigen“ Geliermittel verwenden, aber ohne wäre mir deutlich lieber. Die Marmelade schmeckte dann auch durchdringend zitronig sauer (das ist vermutlich das „besondere Geschmackserlebnis“), ein wenig nach Erdbeer und ein wenig nach Lavendel.
Es ist einfach eine Illusion, bei kleinen Herstellern von Schlichtheit auszugehen; ich erinnere mich mit Grauen an die auf einem Bauernmarkt gekauften Quitten- und Hollundergelees, die bis zur Standfestigkeit mit Gelatine versehen waren und ebenfalls ordentlich Citronensäure enthielten (auf’s Etikett schaute ich Naivling erst daheim).
Dabei habe ich doch schon vor einiger Zeit gelernt, dass zum Beispiel kleine Bäckereien erst recht auf fertige Backmischungen angewiesen sind, wenn sie ein großes Sortiment anbieten wollen und gleichzeitig Profit machen. Originales, von Grund auf selbst gemachtes Brot und Gebäck gibt es am ehesten bei mittelgroßen, lokalen Bäckereiketten für den entsprechend höheren Preis. (Oder bei kleinen Bäckern, die nur vier Sorten Brot und fünf verschiedenen Semmeln anbieten – aber auch die müssten mittlerweile eingegangen sein.)
Bei neuer Technik und neuen Medien habe ich meist das Gefühl, ich sei die letzte, die sie entdeckt. Als ich zum Beispiel mit dem Bloggen anfing, ging gerade die Tür zu Antville zu – worin ich den Beweis sah, dass ich lediglich auf einen lang abgefahrenen Zug versuchte aufzuspringen. Und als ich mich bei Twitter anmeldete, schienen sich alle meine Internetbekanntschaften schon lange dort zu tummeln.
Doch meine Intuition stimmte nie: Wer Anfang der 90er Eudora verwendete und sich in Newsgroups umsah (wenn auch nicht von daheim, sondern im Rechenzentrum der Uni), wer 1998 zum ersten mal eine Website konzipierte und sich 2000 erstmals an Online-Diskussionsgruppen beteiligte, wer seit 2002 kein gedrucktes Telefonbuch mehr braucht, die hinkt nicht hinterher. Und mein erster Online-Kauf war ein Buch bei diesem deutschen Versender, den Amazon bald kaufte (ABC?). Ich mag zwar nicht zu den Vorreiterinnen gehören, schwimme aber sehr wahrscheinlich im Mainstream in einer der ersten Wellen.
Das hat mich schon zu New-Economy-Zeiten vorsichtig werden lassen: All die Prognosen, mit denen Internetfirmen um sich warfen, gingen davon aus, dass die gesamte Bevölkerung mit dem Internet umging wie ich. Ich musste nur mit Familie und Nachbarn sprechen, um zu wissen: Das war definitiv nicht so.
Eben musste ich erneut umdenken. Mittlerweile ist die Nutzung des Internets tatsächlich ganz normal, vor allem als Quelle von Informationen, und ich war dazu übergegangen, Wirkung und Reichweite anhand meines Verhaltens einzuschätzen. Wieder falsch! Leute wie ich reagieren allergisch auf Täuschung und Manipulationsversuche (Jamba, Horst Schlämmer – beide gelten da draußen als beispielhafte Erfolgsgeschichten). Wir sind optimal darauf trainiert, Website-Werbung auszublenden: Ich kann nach dem Besuch einer Website gerade mal sagen, ob darauf Werbung war oder nicht. Welche? Interssiert mich nicht, weiß ich nicht. Mich muss man schon mit einem Superstitial nerven – und dann merke ich mir den Absender nur deshalb ganz genau, um ihm zur Strafe für die Störung garantiert niemals auch nur einen Cent hinzutragen, auch nicht aus Versehen. (Theoretisch habe ich allerdings nichts gegen Online-Werbung; die vielköpfige Werbeindustrie soll ruhig davon leben, solange jemand dafür zu zahlen bereit ist.)
Der heutige Otto Normalsurfer ist ganz anders. Diese Woche sah ich Zahlen eines verschwisterten Unternehmens: Die Kollegen generieren 35 Prozent ihres Website-Traffics über Anzeigen, die sie auf ausgewählten anderen Websites schalten. Und das kann nur eines bedeuten: Otto und Ottilie Normalsurfer klicken tatsächlich auf Werbung! Das war für mich völlig überraschend und hochinteressant. Und es bedeutet für mich weiterhin: Bei der Planung des Einsatzes von Online-Medien muss ich mein eigenes Verhalten außen vor lassen und auch weiterhin neutrale Untersuchungen und Auswertungen (na ja, so neutral wie möglich) konsultieren.
Ganz sicher sei er sich zwar nicht, hatte mein Bruder geschrieben, wie die Gesetzeslage in diesem Zusammenhang aussehe, aber möglicherweise handle es sich um eine Pflichtveranstaltung für Tanten und Onkel, wenn alle Neffen und Nichten zusammen in einem Konzert auftreten.
Um einen möglichen Gesetzesverstoß zu umgehen, besuchte ich also gestern das Kinderchorkonzert von Neffe 1 (fast acht Jahre alt), Neffe 2 (fast sechs Jahre) und Nichte (viereinhalb Jahre). Zumal mein Bruder glaubhaft versprochen hatte, dass keine einzige Blockflöte erklingen würde.
Erst kurz vorher wurde mir klar, dass ich nicht nur Scharen von Kindern begegnen würde, sondern sehr wahrscheinlich dem einen oder anderen ehemaligen gymnasialen Mitschüler: In meinem Abiturjahrgang setzte die Fortpflanzung relativ spät ein, die Ergebnisse müssten jetzt also genau Kinderchoralter haben. (Dieser spezielle Chor unterteilt sich in drei Altersklassen: Kindergarten / Grundschule / bis etwa 16 Jahre.) Begegnungen, die ich sonst meide.
An diesem Nachmittag habe ich viel gelernt. Ein Chor aus Vier- bis Siebenjährigen produziert zwar nur ansatzweise Musik (ohne die Klavierbegleitung wäre keine Melodie erkennbar gewesen), unterhält das Publikum aber durch die Vorführung der schier unendlichen Möglichkeiten, wie man sich mit Kleidung die Zeit vertreiben kann: Ein T-Shirt lässt sich nach unten ziehen, aber auch nach oben bis fast über den Kopf, dabei spielen Saum und Nabel lustig „Kuckuck!“. Auch Röcke eignen sich zu Stoff-Yoga: Testreihen, wie weit sich ein Gummibund dehnen kann, Schieben desselben bis unter die Achseln oder unter die Knie. Als echte Meisterin erwies sich ein kleines Mädchen, das sich anschickte, ihren Rock aufzuessen, beginnend am Saum. Weniger Möglichkeiten schienen Hosen zu bieten, weswegen das eine oder andere Kind sich beim Singen zum Kleidungsspiel seinen Socken zuwandte. Ich war völlig ins Staunen versunken: Als mein Bruder mich antippte und mir soufflierte, dass jetzt normalerweise der Einsatz für Tanten sei, „Mei, süß!“ zu quietschen, schrak ich richtig zusammen.
Dann hatte ich keine Ahnung, wie Grundschulkinder heutzutage aussehen. Eine so hohe Rate an Busenansätzen hätte ich frühestens in der 6. Klasse vermutet, und dass eine Viertklässlerin gerne mal die Körpergröße 1,60 reißen kann, hat mich ebenfalls überrascht (sie spielte eine Hauptrolle im aufgeführten Kindermusical). Neffe 1 spielte eine tragende Rolle und tat sich nicht nur durch Text- und Spielsicherheit hervor, sondern auch dadurch, dass er die Texte aller anderen, weit weniger Textsicheren, lautlos mitsprach. Macht ihn mir nicht sympathischer.
Sehr Lake Wobegon war der Rahmen des Konzertes: Die herumwuselnden Organisatorinnen-Mütter, denen man ansah, wie sehr sie darin aufgingen, die Begrüßung der Ehrengäste (inklusive geistigem Beistand), die Verleihung von Ehrenurkunden des deutschen Sängerbundes an vier Mädchen für zehnjährige Mitgliedschaft, der muntere Ringtausch von Blumensträußen für Dirigentinnen, Repetitorinnen, Organisatorinnen, Ehrenvorsitzende etc. Werden solche Veranstaltungen wirklich für die Kinder ausgerichtet? Macht das ihnen Spaß, haben sie was davon?
Was die Begegnungen betrifft: Zwei Mitabiturientinnen (eine davon Dirigentin des jüngsten Chores) haben mich glücklicherweise nicht erkannt, einer begrüßte mich mit Umarmung (was ist nur aus dem schönen Händeschütteln geworden?), eine weitere hätte mich übersehen, wenn mein Vater sie nicht herbeigerufen hätte. Sie fiel mir um den Hals, musste sich aber gleich weiter um ihre Kinder kümmern und eilte hinfort mit dem Ruf, dass wir uns unbedingt mal wieder …. Diese letztere war durchaus einst eine gute Freundin, und wir haben einander als Jugendliche sehr beeinflusst. Den Lidstrich trage ich noch heute, wie sie ihn mir beigebracht hat, ich wiederum habe ihr ihre erste schwarze Unterwäsche geschenkt (während ich aus einer dessousbegeisterten Familie komme, hatte ihre Mutter ihr schwarze Unterwäsche verboten, weil man die nicht rauskochen könne). Aber das war eine andere Frau, die gibt es nicht mehr. So, wie es die Kaltmamsell von damals nicht mehr gibt.
Waldmeister scheint der endemischste Geschmack der deutschsprachigen Kultur zu sein. Zumindest bin ich noch keiner anderen Küche begegnet, die ihn kannte (irgendwo in Skandinavien vielleicht?).
Heute gab es Maibowle. Hier das Rezept, das ich schon vor ein paar Jahren eingestellt habe.
Sie sind ganz zauberhaft, liebe Leserinnen und Leser – vielen Dank für die guten Wünsche. Der Gastschreiber hat sich über das Lob angemessen gefreut.
Da der gestrige Rosentag ein katholischer Feiertag war und das Wetter sehr schön, fuhren wir mit der Tram zu einem Picknick an die Isar. Auf der schönsten Sommerblumenwiese, die mir auf meinen Isarläufen begegnet ist, machten wir es uns mit Decken bequem. Ich hatte Leckereien vom Dallmayr besorgt (immer wieder überraschend, wie raffiniert und köstlich man Feinkostsalate zubereiten kann; probieren Sie unbedingt mal den Räucherlachs-Apfel-Sellerie-Salat), der Mitbewohner hatte Gurken- sowie Eier-Majonese-Sandwiches gemacht. Dazu ein kühler, sehr fruchtiger Soave La Casetta. Nachdem fast alles weggegessen war, legten wir uns auf den Rücken und sahen den Mauerseglern und Mehlschwalben zu. Vor diesem Himmel.