Archiv für August 2009

Draußen essen

Samstag, 8. August 2009

Sommer ist für jemanden, die gerne fein Essen geht, nicht die beste Jahreszeit. Gute Restaurants geben sich große Mühe bei der Gestaltung ihrer Gasträume, doch auf ihren Außenflächen sind die Möglichkeiten stark begrenzt. Bei den meisten Lokalen bevorzuge ich deshalb einen Tisch innen.

Doch dieses Jahr findet der Sommer in München an derart versprengten Einzeltagen statt, dass auch ich mich von schönem Wetter unter Druck setzen lasse: Da muss man doch draußen sitzen! Glücklicherweise fiel mir ein italienisches Restaurant mit sehr guter Küche ein, das einen wirklich schönen Garten hat: das Romans. Hier sitzt man draußen tatsächlich schöner als in den durchaus geschmackvollen Räumen.

Das Romans liegt in einem Neuhauser Altbau, der Wirtsgarten wird von den vorgeschriebenen Kastanien beschattet. Es sind Holzböden ausgelegt, auf denen die Tische fest stehen können, Oleander- und Olivenbaumtöpfe schaffen zusammen mit Windlichtern und Fackeln Atmosphäre.

Es ist im Grunde eine Münchner Institution, das Romans, und man tut gut daran, rechtzeitig zu reservieren1 . Umso erfreulicher ist die gleichbleibend hohe Qualität von Küche und Service: In den vergangenen vier Jahren wurde ich kein einziges Mal enttäuscht. Die Küche lässt jeden Schnickschnack und bietet ausgezeichnete Zutaten perfekt bereitet. Wenn sich das für Sie langweilig liest, haben Sie diesen Anspruch vermutlich nicht so oft wie ich aufs Bedauerlichste scheitern sehen. Neben Standardgerichten gibt es eine Wochen- und eine Tageskarte, die jeweils auf die Saison abgestimmt sind und offensichtlich auf die Entdeckungen des Kochs.

Aus allen Angeboten kann man sich ein viergängiges Degustationsmenü zusammenstellen (35 Euro), und genau das taten wir gestern. Auf Empfehlung des Kellners (selbstverständlich mit italienischem Akzent) begannen wir mit ein wenig Bressaola mit frischen, wunderbar reifen Feigen. Dann gab es ein Häuflein hausgemachte Linguine mit Butter und Trüffel – ich begann zu bedauern, dass wir Degustationsportionen geordert hatten (die keineswegs winzig waren). Als Hauptgericht hatte der Begleiter Rumpsteak unter Parmesankruste mit Risotto, ich ein Thunfischsteak auf Sommergemüse-Julienne – beides optimal zubereitet. Desserts wurden dann eine Crème Brûlée (schlicht und in Ordnung) und ein Zitronen-Tiramisu, besonders durch einen Löffel herbes Zitronensorbet und etwas eingekochte Zitronenschale. Dazu folgten wir der Tagesweinempfehlung und tranken einen kräftigen Tocai friulano.

Und dazwischen erzählten wir einander von unserer Woche, sahen in den dunkelblauer werdenden Himmel, hörten die Straßenbahnlinie 12 vorbeigleiten, bewunderten elegante Frauen jenseits der 40, fragten uns, ob das Paar am Nebentisch, etwas älter als wir, das zügig aß und halbvolle Gläser zurückließ, wohl anschließend in Clubs geht.

090807_Sommerdraussen

Als der Kellner mich knipsen sah, bot er sofort an, ein Foto vom Begleiter und mir zu machen. Und jetzt haben wir endlich auch so ein bei Sommernacht geblitztes, rotäugiges Bild von uns beiden, wie es in keinem Ehefotoalbum fehlen darf.

  1. Entdecke gerade, dass sie sich auf ihrer Website als „schickes Szenelokal“ bezeichnen – das ist allerdings ausgesprochen peinlich. Ob es stimmt, kann ich nicht beurteilen: Woher soll denn ich wissen, woran man „Szene“ erkennt? []

Gold

Freitag, 7. August 2009

Lenbachhaus

Der Lohn der Frühaufsteher: Ein vom Sommermorgenlicht vergoldetes Lenbachhaus.
Ich nahm mir auf dem Weg in die Arbeit die Zeit für einen Umweg über die Maxvorstadt, um ein paar Fotos zu machen und den Königsplatz mal in einer anderen Beleuchtung zu sehen.

Davor hatte ich Ganzkörper- und Haarwäsche ohne Dusche durchgespielt: Unser Bad ist noch nicht ganz fertiggestrichen (aber bereits zur unteren Hälfte krachgelb – daran werde ich mich noch gewöhnen müssen), einige Fugen an der Badewanne müssen noch gefüllt werden. Also zurück zu den Zeiten, in denen Dusche oder Badewanne keineswegs Standardausstattung war, und ans Waschbecken. Es ist historisch gesehen zwar eine sehr neue Routine für Menschen, sich jeden Tag mindestens ein Mal von Gesicht bis Fuß nass zu machen; doch sie führte dazu, dass ich mich nach reiner Waschlappenwäsche nicht wirklich sauber fühlte. Morgen stehen mir wieder die gewohnten sanitären Einrichtungen zu Verfügung, ich brauche also nicht nach einem öffentlichen Bad zu suchen.

Familienalbum – 28: Ich kann auch niedlich

Donnerstag, 6. August 2009

Ichazo

… oder zumindest konnte. Damals 1972, im baskischen Vitoria, fünf Jahre alt, mit der Tochter von Freunden meiner Eltern an der Seite (ich bin die linke). Ich weiß zwar nicht mehr, wie dieses kleine Mädchen wirklich hieß; gerufen wurde es mit dem Kosenamen “Ichazo”.

Men are from earth. Women are from earth. Deal with it.*

Dienstag, 4. August 2009

In Der Freitag und bei der Mädchenmannschaft muss eine Feminstin leider immer noch klarstellen: „Wir mögen Männer!“

Das “Feindbild Mann” als ewiger und nicht überwindbarer Bestandteil wird dem Feminismus bis heute in jeder einzelnen Debatte immer wieder unterstellt – nicht darauf achtend, dass es gerade FeministInnen waren und sind, die sich vehement gegen Geschlechtsrollen-Stereotype stellen und damit gegen jegliche Deklassierung von Menschen qua Geschlecht. Tatsächlich finden sich männerfeindliche Tendenzen vor allem in Köpfen und Denkmustern, die von traditionellen Männerbildern geprägt sind: Der aggressive, testosterongesteuerte Mann, der wenig einfühlsam oder zärtlich ist etc.1

Das erinnert mich daran, dass in meinem Entwurfsordner das Fragment „10 Irrtümer über Feminismus“ schimmelt. Der erste Punkt darauf: „Feministinnen mögen keine Männer“. Hat jemand schon mal einen Macho erlebt, der einem diskriminierten Mann zu Seite gesprungen wäre? Na bitte.

*Großartiger Spruch auf einer Postkarte, die ich letztes Jahr in Brighton entdeckte.

  1. Muss man in Zitaten typografische Fehler in der Zeichensetzung übernehmen? Zur Entlastung mit einem „sic“? []

Tipps für Urlaubslektüre

Montag, 3. August 2009

„Man liest im Urlaub anders als zu Hause.“ Da hat sie aber endlich mal recht, die Elke Heidenreich in ihrem Aufmacher der SZ-„Wochenende“-Beilage (nicht online). Dadurch ist zwar mein Misstrauen gegenüber ihren Aussagen zum Lesen noch nicht gewichen: Einmal habe ich mir ihre Fernseh-Lesesendung angesehen und ein paar der empfohlenen Bücher gekauft – kein einziges gefiel mir, bei keinem konnte ich auch nur nachvollziehen, was sie darüber gesagt hatte. Wir beide, nahm ich seither an, lesen grundverschieden. Eigentlich hatte ich mich bis dahin mit ihr als Leserin sehr verbunden gefühlt: Ist sie doch wie ich eine geborene Geschichtenverschlingerin aus einem bücherfreien, lesefeindlichen Haus.

Aber der Artikel für die SZ ist eine schöne Diskussionsgrundlage. „Daheim Kurzstrecke“ – ja, geht mir auch so. Nur selten nehme ich mir ein Wochenende oder auch nur einen Sonntag, um ein Buch an einem Stück oder auch nur den Großteil zu Ende zu lesen.

„Im Urlaub Langstrecke“: Kenne ich ebenfalls so. Deshalb hebe ich mir zum Beispiel William Faulkners The Town für den Septemberurlaub auf. Faulkners hochartifizielles Handlungs- und Sprachgewebe zerfällt beim Häppchenlesen in Einzelfäden und Knoten; es ergibt erst im großen Bogen Atmosphäre, Welt, Leben.

Ja, durch stundenlanges Lesen falle ich tiefer in Stimmungen, lasse sie auch in Gedanken übers eigene Leben schwappen. Ich empfinde das im Gegensatz zu Frau Heidenreich als Inspiration, nicht als Manipulation – deshalb sehe ich keine existenzielle Gefahr darin, auf einer Reise mit Partner Romane über Beziehungsprobleme zu lesen. Genauso wenig stört es mich, wenn der Ort der Handlung und tatsächlicher Aufenthaltsort oder Jahreszeiten weit voneinander abweichen. In Spanien einen Roman zu lesen, der in Danzig spielt (1988 auf einer Reise durch Kastilien Die Blechtrommel), geht ganz wunderbar – ich lasse mich beim Lesen ohnehin gerne forttragen. Damals ergab es sich sogar, dass ich im darauffolgenden Jahr eine Reise nach Danzig unternahm und nach den Schauplätzen des Romans suchen konnte.

Wichtiger ist mir die Sprache der Lektüre: In Spanien will ich nichts auf Englisch lesen, sonst werde ich völlig wuschig. In England wiederum eher nichts Deutsches, weil ich zu sehr genieße, beim Lesen entdeckte Wörter in freier Wildbahn zu suchen.

„Eher Erzählungen als dicke Romane“, empfiehlt Heidenreich für die Urlaubslektüre. Hier widerspreche ich energisch: Kleinere Geschichten sind genau richtig für die zerstückelte Daheimlektüre, da sich dadurch automatisch die Pausen zwischen den Geschichten ergeben, die ich mag. Kurzgeschichtenbände nehme ich nie mit in den Urlaub.

Gleichzeitig habe ich im Urlaub auch mal die müßige Energie, umfangreiche Sachbücher zu lesen. Deswegen finde ich erheblich weniger bemerkenswert als Frau Heidenreich, dass ihr zufolge Minister zu Guttenberg im Urlaub Platons Politeia im Original liest. Wenn auch sein Schulgriechisch sehr gut erhalten sein sollte, um alle Witze und Finten mitzukriegen.

Bayern, durch und durch

Sonntag, 2. August 2009

090802_Pullach

Pullach, heute Vormittag.

Menschen finden

Sonntag, 2. August 2009

Sie schreibt zwar über Twitter, Silent Tiffy, formuliert dabei aber ziemlich genau, warum der soziale Kontakt über das Internet so wertvoll für mich ist:

Es handelt sich bei mir um einen zurückgezogenen Menschen. Ich schätze geschriebene Worte viel mehr als verschwitzte Umarmungen (die berühmte Buch Vs. Freund-Dichotomie). Ein Misanthrop bin ich nicht. Ich weiß, dass die Welt von bockstarken Menschen bevölkert wird. Das Problem ist: sie wohnen nicht in meiner Straße. Das zweite Problem ist: ich habe nicht die Nerven, sie zu suchen, so zu Fuß. Es ist ein Merkmal interessanter Charaktere, sich nicht auch noch interessant zu kleiden oder zu frisieren. Sich zum Kern eines unscheinbaren Fremden vorzuarbeiten, erfordert Zeit und Energie, die ich nicht habe.

Dank Twitter habe ich den ganzen Tag mit dem leckeren, süßen Kern geistesscharfer Beobachter und Kommentatoren mit Hang zum Nonsense zu tun. Ich lebe meinen Traum von der Party, auf der ich mir meine Gäste selbst zusammenstellen kann, d.h. es kommen nur Leute, die ich anschreien möchte: „DU BIST SO WUNDERGEIL!!!“, und man wirft einander den Ball zu, bis man sich sattgefressen hat an der Schönheit des Anderen.

Im restlichen Leben muss ich mich oft genug mit Menschen auseinandersetzen, die ich mir nie ausgesucht hätte: Arbeit, Familie. Ohne die zeitgenössische Informationstechnik wäre ich auch sonst auf zufällige Kontakte in meiner Umgebung angewiesen. Man könnte es sogar Bequemlichkeit nennen, dass ich, statt meine Abneigung gegen unangenehme Mitmenschen zu überwinden, lieber mit Menschen zu tun habe, deren Persönlichkeit mich anzieht, die ich bewundere. Und auf die ich nur über den Austausch im Web stoßen konnte.