Tipps für Urlaubslektüre

Montag, 3. August 2009 um 9:20

„Man liest im Urlaub anders als zu Hause.“ Da hat sie aber endlich mal recht, die Elke Heidenreich in ihrem Aufmacher der SZ-„Wochenende“-Beilage (nicht online). Dadurch ist zwar mein Misstrauen gegenüber ihren Aussagen zum Lesen noch nicht gewichen: Einmal habe ich mir ihre Fernseh-Lesesendung angesehen und ein paar der empfohlenen Bücher gekauft – kein einziges gefiel mir, bei keinem konnte ich auch nur nachvollziehen, was sie darüber gesagt hatte. Wir beide, nahm ich seither an, lesen grundverschieden. Eigentlich hatte ich mich bis dahin mit ihr als Leserin sehr verbunden gefühlt: Ist sie doch wie ich eine geborene Geschichtenverschlingerin aus einem bücherfreien, lesefeindlichen Haus.

Aber der Artikel für die SZ ist eine schöne Diskussionsgrundlage. „Daheim Kurzstrecke“ – ja, geht mir auch so. Nur selten nehme ich mir ein Wochenende oder auch nur einen Sonntag, um ein Buch an einem Stück oder auch nur den Großteil zu Ende zu lesen.

„Im Urlaub Langstrecke“: Kenne ich ebenfalls so. Deshalb hebe ich mir zum Beispiel William Faulkners The Town für den Septemberurlaub auf. Faulkners hochartifizielles Handlungs- und Sprachgewebe zerfällt beim Häppchenlesen in Einzelfäden und Knoten; es ergibt erst im großen Bogen Atmosphäre, Welt, Leben.

Ja, durch stundenlanges Lesen falle ich tiefer in Stimmungen, lasse sie auch in Gedanken übers eigene Leben schwappen. Ich empfinde das im Gegensatz zu Frau Heidenreich als Inspiration, nicht als Manipulation – deshalb sehe ich keine existenzielle Gefahr darin, auf einer Reise mit Partner Romane über Beziehungsprobleme zu lesen. Genauso wenig stört es mich, wenn der Ort der Handlung und tatsächlicher Aufenthaltsort oder Jahreszeiten weit voneinander abweichen. In Spanien einen Roman zu lesen, der in Danzig spielt (1988 auf einer Reise durch Kastilien Die Blechtrommel), geht ganz wunderbar – ich lasse mich beim Lesen ohnehin gerne forttragen. Damals ergab es sich sogar, dass ich im darauffolgenden Jahr eine Reise nach Danzig unternahm und nach den Schauplätzen des Romans suchen konnte.

Wichtiger ist mir die Sprache der Lektüre: In Spanien will ich nichts auf Englisch lesen, sonst werde ich völlig wuschig. In England wiederum eher nichts Deutsches, weil ich zu sehr genieße, beim Lesen entdeckte Wörter in freier Wildbahn zu suchen.

„Eher Erzählungen als dicke Romane“, empfiehlt Heidenreich für die Urlaubslektüre. Hier widerspreche ich energisch: Kleinere Geschichten sind genau richtig für die zerstückelte Daheimlektüre, da sich dadurch automatisch die Pausen zwischen den Geschichten ergeben, die ich mag. Kurzgeschichtenbände nehme ich nie mit in den Urlaub.

Gleichzeitig habe ich im Urlaub auch mal die müßige Energie, umfangreiche Sachbücher zu lesen. Deswegen finde ich erheblich weniger bemerkenswert als Frau Heidenreich, dass ihr zufolge Minister zu Guttenberg im Urlaub Platons Politeia im Original liest. Wenn auch sein Schulgriechisch sehr gut erhalten sein sollte, um alle Witze und Finten mitzukriegen.

die Kaltmamsell

5 Kommentare zu „Tipps für Urlaubslektüre“

  1. rip meint:

    Das trifft meinen Eindruck beim Lesen des Artikels ziemlich gut.
    Frau Heidenreich finde ich ganz unterhaltsam, wenn man sie im Fernsehen reden sieht – obwohl mir auch da ihre Schnoddrigkeit bei längerem Zusehen als Masche vorkommt. Den Artikel in der Wochenendbeilage der SZ fand ich überflüssig bis ärgerlich, vor allem ihr rigoroses Urteil, die Leser, die in Nicht-Urlaubszeiten nicht oder kaum zum Lesen kämen, könne man “vergessen” – vielen Dank auch. Glücklicherweise hängt mein Wohlbefinden nicht von der Wertschätzung durch Frau Heidenreich ab.

  2. Dokse meint:

    Meine Marotte ist, ein Buch zu lesen, das am Reiseort spielt. Muss nicht immer Weltliteratur sein. Mein Highlight: “Der König von Luxor” – während wir Luxor besuchten war ich gerade an einigen der Schlüsselszenen, wir hatten einen Busausflug mit Einkaufsmöglichkeiten – genug Zeit zu lesen. Als wir an den Originalschauplätzen waren, schauderte es mich richtig.
    Bei Sevilla fällt mir der Blinde von Sevilla ein, ein ziemlich heftiger Krimi. Das spezielle Flair der Stadt ist gut getroffen.

    Ansonsten habe ich in meinem Ärztinnenclübchen eine Weihnachststunde eingeführt, wo jeder ihre dicken und dünnen Bücher vorstellen kann. Den Link dazu habe ich als Website beigefügt.
    Ich freue mich jedes Jahr auf diesen Abend und habe schon viel schönes davon mitgenommen.

  3. Hella meint:

    für mich hängt es ein wenig von der Art des Urlaubs ab. Beim letzten und vorletzten Segelurlaub war relativ häpchenartig zu lesende Lektüre dabei, die auch schnelle Unterbrechungen bei “nachschauen, ob die Crew ins Verkehrstrennungsgebiet fährt” und “Unterstützung bei Segelmanövern” und “Fotos machen” und “in 5 Minuten schlafe ich eh ein” erlaubt. Sonst (also im Normalleben / gemütlichere Urlaube) ziehe ich eher Bücher mit stringenterer Handlung vor, die dürfen auch gerne dick sein, ich lese eh zu schnell.

    Am schlimsten aber überhaupt: Out Of Book Error. Zum Glück konnte ich mit einem Crewmitglied Lesestoff tauschen.

  4. croco meint:

    Och , ich mag beides. Auf Island Islandkirmis lesen, und man kommt zufällig am Tatort vorbei, das hat was.
    In Schottland den Mankell mit den Chinesen zu lesen, führt halt dazu, dass ich manchmal verwirrt aufschaue und nicht weiß, ob ich auf der Isle of Harris oder ind Schweden oder in Peking bin. Klasse Gefühl!!!
    Ach ja, ich lese Krimis im Urlaub.

  5. Helga meint:

    Die Dicke des Buches und die Komplexität hängt bei mir auch sehr von der Art des Urlaubs ab. Was aber immer der Fall ist: ich lese gerne Bücher aus der Region oder des Landes, in das ich fahre. Ich brauch das Gefühl, dass es zusammenpasst.

    Kurzgeschichten, da gebe ich Ihnen recht, sind ideal, wenn man gerade nicht viel Lesemuse hat.

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