Wochenendjournal
Montag, 10. August 2009 um 11:29Geradezu stolz auf mich bin ich, weil ich den Plan, irgendwie in den Samstag eine Runde Sport zu pressen, bereits am Freitag aufgegeben habe. Der Mitbewohner und ich waren zu meinen Eltern eingeladen, der Zug ging um elf. Statt also den Wecker auf halb sieben zu stellen, um vorher noch zum Schwimmen zu kommen, schlief ich aus (heißt in meinem Fall: bis kurz nach sieben), steckte die Vorhänge meines frisch gestrichenen Schlafzimmers in die Waschmaschine, genoss zwei große Tassen Milchkaffee, bloggte über das Romans, duschte, fönte, cremte, schminkte mich, hängte die feuchten Vorhänge auf. Es blieb sogar genügend Zeit, mich an den Rock zu erinnern, den ich meiner Mutter mitbringen wollte (werde ich nie mehr tragen, weil er mich nach drei Jahren langweilt, ist aber noch pfenniggut), und zu überlegen, dass meinem Vater die Musik von Bebe gefallen könnte – ich beschloss, ihm meine CD zu schenken und mir eine neue zu kaufen. Dass er nicht verstehen würde, warum ich meine CD nicht einfach kopiert hatte, wusste ich zwar schon vorher, versuchte ihm aber dennoch zu erklären, dass auch Musiker Geld verdienen sollen.
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Ich brauche neue Laufschuhe, meine Mutter brauchte ein Geburtstagsgeschenk für mich, also ließ ich mir neue Laufschuhe kaufen. Wir fuhren zu diesem Behuf in eines der vielen Gewerbegebiete um meine Geburtsstadt – die im Grunde von einem geschlossenen Gürtel Gewerbegebiet umgeben ist, unterbrochen lediglich von der gigantischen Autofabrik. Dort gibt es ein Sportgeschäft, in dem meine Eltern nicht nur Prozente bekommen (ein früherer Arbeitskollege meines Vaters kennt die Schwägerin des Geschäftsführers – so geht das immer), sondern das zudem für kompetente Beratung bekannt ist. Was ich bestätigen kann: Ein sehr junger Bursch kümmerte sich vorsichtig und aufmerksam um mich, informierte mich verständlich über die Vor- und Nachteile verschiedener Schuhmodelle, ließ mich Alternativen auf einem Laufband mit Videokamera testen, um mir nachvollziehbar zu einem ganz bestimmten Modell zu raten. Und er brachte es fertig, zwei weitere Kunden parallel zu mir und ebenso aufmerksam zu bedienen. Ich freute mich über die neuen Schuhe, meine Mutter über die Prozente, alle verließen das Geschäft glücklich.
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Zumal anschließend im Garten der Eltern gegrillt wurde. Als Vorspeise holte ich Ochsenherztomaten direkt vom Stock, dazu eine Hand voll Basilikum, den meine Mutter darunter angepflanzt hat. Zu gefüllter Hühnerbrust und Lammkoteletts gab es Vinho Verde, als Nachtisch dunkelrote Wassermelone. Wir unterhielten uns über die verschiedenen Methoden, eine ganze Wassermelone als reif zu erkennen: Mein Vater und ich drücken die Melone mit beiden Händen neben unserem Ohr; wir erkennen am sachten Knacken, dass sie reif ist. Was man beim Klopfen auf die Schale hören soll, haben wir beide nie verstanden. Mein Vater erzählte, dass sein Onkel, zum dem er als Kind sommers aufs Land geschickt wurde (Kastilien, 50er Jahre), ihm das immer wieder beizubringen versucht habe. Er habe auf den Tisch und zum Vergleich auf andere Gegenstände geklopft – doch diesen Ton hörte mein Vater beim Klopfen auf die Wassermelone einfach nicht. Als man ihn dann aufs Feld schickte und er von dort eine reife Melone holen sollte, klopfte und klopfte er, bis er glaubte, eine richtige zu hören. Da er aber wusste, welches Donnerwetter er, das dumme Stadtkind aus Madrid, hören würde, wenn er eine weiße Melone heimbrachte, zerbrach er sie vorsichtshalber. Glücklicherweise, denn die vermeintlich reife Melone war weiß. Erst die dritte zeigte beim Zerbrechen ein rotes Inneres, die nahm er mit zurück. Die unreifen Exemplare bekam der Esel Sevillano zu fressen, auf dem mein Vater sich während seiner Landaufenthalte fortbewegte. Wie er denn seinem Onkel erklärt habe, dass die Melone zerbrochen war, fragte ich ihn. Na, er habe halt behauptet, sie sei ihm heruntergefallen.
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Jetzt fühle ich mich endgültig um meinen Sommer gebracht: Schwalben und Mauersegler haben sich bereits Ende Juli verabschiedet, und gestern beim Laufen an der Isar waren die Wege mit gelben Blättern gesprenkelt. Der wilde Wein über den Brücken des Isarkanals gönnt sich bereits die ersten Rottöne. Am 9. August!
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Gerade mal zweieinhalb Jahre nach seiner Eröffnung gleich bei uns ums Eck haben wir es ins jüdische Museum geschafft. Es ist sehr überschaubar, vermutlich allein schon, weil es noch so neu ist. Es gibt einfach schrecklich wenige historische Zeugnisse der Juden in München, aus den wenigen Exponaten haben die Kuratoren durchaus das meiste gemacht. Mir fehlten allerdings mehr Informationen über den jüdischen Jahreskreis. Gerade weil die benachbarte jüdische Gemeinde immer wieder betont, sie wolle für das heutige, das lebendige Judentum in München stehen und nicht nur über das Grauen der Shoa definiert werden, böte sich das Museum dafür an. Sehr ausführlich und fröhlich habe ich das im jüdischen Museum in Amsterdam gesehen – wenn ich mich recht entsinne, war dort sogar eine Laubhütte aufgebaut.
Reichhaltig und interessant ist auf jeden Fall die Buchhandlung im Erdgeschoss des Museums.
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Abends dann doch vor dem Pflichtdruck kapituliert und die Wäsche der Woche weggebügelt. Anschließend in den Ochsenherzen aus Elterns Garten geschwelgt.
die Kaltmamsell6 Kommentare zu „Wochenendjournal“
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10. August 2009 um 12:15
Von meinem Läufer Mann wird beim Neu-Schuh-Kauf immer verlangt, dass er seine alten mitbringen soll, da man wohl daran den Laufstil erkennt und dementsprechend beraten kann – das Laufen auf dem Laufband vorm Videokamera soll doch nicht das Wahre sein. Was hält Frau Kaltmamsell davon?
10. August 2009 um 12:48
Die hatte ich natürlich zur Diagnose dabei, Hande, meine alten Schuhe, wurden auch ausgiebig betrachtet. Perfekterweise hätte ich sie dort gleich wegwerfen können; meine Anregung eines Laufschuhfriedhofs wurde notiert.
Mit Laufband und Kamera wurde lediglich geprüft, ob ich in dem neuen Modell den richtigen Halt habe, weder wegknicke noch verdrehe. Letztes Jahr machte man eine Aufnahme vom Laufen in den alten Schuhen und stelle sie neben meinen Lauf in den neuen – das war ein so deutlicher Unterschied, dass ich auch als Laie erkannte, warum ich dringend andere Schuhe brauchte.
10. August 2009 um 20:34
Haben Sie auch eine Synagogenführung gemacht – ich fand das schon sehr interessant. Wobei Sie in einem Punkt sicherlich recht haben, das mit dem “Reinholen” in das München des 21. Jahrhunderts klappt noch nicht so ganz…
10. August 2009 um 20:35
PS: Wenn Sie zufrieden waren, wären Sie bitte so nett mir die Kontaktdaten Ihres Malers zu geben??
12. August 2009 um 13:13
Jüdisches Museum: Ich fand auch, es dokumentiert sehr gut (ob beabsichtigt oder nicht) die Lücke, die durch die Judenvernichtung in Deutschland gerissen wurde.
Gab es im Untergeschoss nicht die Erläuterung der jüdischen Festtage und zeremoniellen Gegenstände? Als ich vor 2 Jahren dort war gab es auch eine Führung, die genau diesen Teil sehr ausführlich erläutert hat.
12. August 2009 um 14:25
Es gibt einen etwa 10 qm großen Raum, mediokra, mit einigen wenigen Gegenständen – das fand ich dürftig. Ganz offensichtlich liegt hier nicht der Schwerpunkt des Museums.