Spanienurlaub mit meinem Bruder und dessen Partnerin sowie mit dem Mitbewohner. Nach unserem Morgencafé waren wir wieder nach Sepúlveda gefahren, Einkäufe erledigen. Dazu gehörte auch der Erwerb des El País am Kiosk. Mein Bruder klappte ihn auf, zeigte mir die Titelseite und informierte uns: „Oh. Lady Di ist bei einem Autounfall verunglückt.“
Es ist erbärmlich, aber ich weiß wirklich nicht mehr, wie ich den Mauerfall erlebt habe. Möglicherweise hörte ich davon im Radio – wenn ich es beim Lesen am Tisch in meiner wunderschönen Altstadtbude in Augsburg überhaupt angeschaltet hatte. Einen Fernseher gab es darin nicht. Vielleicht habe ich mit F. telefoniert und über das Ereignis gesprochen, fassungslos. War das der Abend, an dem ich mich mit ihm, G., S. und dem Bassisten von S.s Band (wie hieß er nochmal?) irgendwo auf ein Bier traf? Ich habe das Bild einer nächtlichen Annastraße mit nassem Boden vor Augen.
Aber wann ich vom Tod Prinzessin Dianas erfuhr – ausgerechnet das weiß ich noch.
Aus Gründen saß ich gestern einige Stunden in einem fahrenden Auto, auf der Beifahrerseite. Der Fahrer bat mich, im Autoradio Bayern 2 zu suchen; er hoffte auf etwas Hörspielartiges. Statt dessen hörten wir eine einstündige Unterhaltung mit Michael Krüger, dem Leiter des Hansaer-Verlags. Und die war sehr fesselnd und bereichernd: Herr Krüger hat bereits 66 Jahre Leben hinter sich und damit eine Menge angefangen. So berichtete er, woran er sich nach den ersten zehn Seiten eines Manuskript eine Meinung bildet, äußerte seine Überzeugung, dass der Autor selbst die am wenigsten verlässliche Interpretationsquelle für ein Werk ist („Der Autor weiß am wenigsten, was er da tut.“ – HA! Sag ich doch.), plädierte für das Unterrichten von Erzählen in der Schule. Dazu kamen noch viele weitere kluge Aussagen und schöne Geschichten. Schon gestern Abend zitierte ich daraus in Gesprächen. (Sehen Sie, das ist mir jeden Cent Rundfunkgebühren wert.)
Ich sollte viel mehr Radio hören. Doch Autofahren erscheint mir dafür der ideale Hintergrund – und ich habe kein Auto. Auf Bahn- oder U-Bahnfahrten lese ich lieber oder denke nach. Soll ich mir ein Auto kaufen? „Weil ich mehr Radio und Podcasts hören wollte“, mag ein seltenes, aber vielleicht nachvollziehbares Motiv sein.
(Übrigens hat mich vor einer Woche Radio Fritz des rbb in der Sendung „Trackback“ und dort in der Rubrik „Blogger privat“ interviewt. Mit erheblich banalerem Inhalt und völlig frei von zitierbaren Äußerungen. Aber wenn Sie sich das anhören möchten: Hier ginge das.)
Erleichterung, behauptet laut der New York Times Ukulelespieler Dave Suich, Erleichterung sei die häufigste Erstreaktion der Zuhörer bei Auftritten des Ukulele Orchestras of Great Britain: “Relief is one of the major emotions of our audience.” Denn, so die NYT: “If the Ukulele Orchestra of Great Britain exists partly to subvert expectations, then the first expectation it subverts is that it is going to be very, very bad.” Viel tiefer geht Understatement vermutlich nicht, schon rein physikalisch. Die Leute, die dieses Jahr die Royal Albert Hall beim Aufritt des UOGB füllten (sehen Sie sich mal das Foto an!), kamen, um sich Erleichterung zu verschaffen, genau.
Don Dahlmanns Blog hat mich vor einem Jahr auf die Band gebracht, und zwar so sehr, dass ich mich tatsächlich dahinter klemmte, sie mal spielen zu hören.
Und so fuhr ich gestern mit der Bayerischen Oberlandbahn nach Bad Aibling. Man mag sich fragen, warum das UOGB im Kurhaus von Bad Hausen Aibling spielt, aber nicht in München. Als Erklärung bietet sich an, dass das Orchester weiß, in München müsste es auf die zahlreichen Begrüßungsreden vor dem Auftritt verzichten: Auf den Bürgermeister, der die Ehrengäste namentlich einzeln und „mit Gattin“ begrüßt, auf die Ansprache des Mitgründers der Konzertreihe und seine launigen Geschichten, auch auf die Grußworte des amtierenden Organisators, der über Leute schimpft, die sich von Musik nur unterhalten lassen wollen und nicht bereit sind, sich auch mal mit dem Ernst in Musik auseinanderzusetzen (in diesem Moment fragte ich mich, ob dem Herrn klar war, wer da jetzt gleich auf die Bühne kommen würde).
Das Konzert war großartig: Sechs hervorragende Musiker, die alle singen können (abwechselnd einzeln, aber auch im Chor einschließlich a capella) und die mit ihren Ukuleles wundervolle Dinge tun. Sie bedienen sich an so ziemlich allem, was die Musikgeschichte her gibt, vor allem aber an Popmusik. Und zerlegen es. Auch bei den Ansagen wechselten sich die Musiker ab: George Hinchliffe berichtete von seiner Kindheit in der „People’s Republic of South Yorkshire“, Peter Brooke TurnerJonty Bankes wiederholte sein Vorspielstück, mit dem er vor 18einhalb Jahren ins Orchester aufgenommen wurde, Hester Goodman äußerte sich zur Stellung der Frau in der Geschichte der Ukulelemusik („One in six Ukulele players is female…“), und der oben zitierte Dave Suich baute ein Headbanging-Solo ein. Er ist aber auch der einzige, bei dem es so richtig was hermacht mit seinen langen, blonden Haaren. Sehr schön: Zwei Stücke, in denen sie bis zu fünf sehr bekannte Popsongs übereinander legten – ein Effekt wie beim Durcheinandersingen in der Oper (wie heißt das korrekt?).
Gründe, die laut den Orchestermusikern für die Ukulele sprechen (aus dem NYT-Artikel):
“People love them like puppies,” Mr. Suich said.
“They lift depression,” Mr. Grove-White said.
“It’s quite an empowering instrument,” Ms. Goodman said.
“You can do an entire world tour while carrying only hand luggage,” Mr. Hinchliffe said.
Die Musik funktioniert auch auf Tonträger. Das halte ich für erwähnenswert, weil ich schon oft von Aufnahmen begeisternder Konzertkapellen enttäuscht war. Das UOGB verkauft seine Platten über die eigene Website, wo man auch in viele Stücke reinhören kann. Zusätzlich, wie es gestern hieß: „They put everything we goddamn ever played on YouTube anyway.“
Meine Lieblingsstücke von gestern Abend:
In erheblich besserer Tonqualität auf der Platte „Live in London #1“. Vielleicht irgendwann doch mal im Gasteig?
Das ganze Jahr lese ich keine Gazetten, selbst Kochzeitschriften kaufe ich nur, wenn ich mindestens einen Autor persönlich kenne. Die Ausnahme jeden Herbst: Die Brigitte-Ausgabe mit Plätzchenrezepten. Auch wenn ich erst mal das Extraheft rausreiße, und den Rest nach ein paar Wochen guter Lesevorsätze ohne weiteren Blick auf den Altpapierstapel lege.
Gestern rief meine Mutter aufgeregt an: Sie hatte die Ausgabe bereits vor Erscheinungstag im Wartezimmer ihrer Ärztin gesehen und gelesen (alles in Ordnung übrigens, kein Krebs mehr weit und breit, selbst die Therapieschäden sind verheilt). Ich möge schauen, dass ich so bald wie möglich an ein Heft komme, damit wir uns die Rezepte aufteilen können.
Der erste Blick: Schöne Ideen, wirklich. Schoko-Linsen-Streusel will ich ausprobieren (mit richtigen Linsen) und die Maronen-Schoko-Kringel. Auf das Früchte-Mohn-Baklave sprang ich auch sofort an – bis ich im Rezept las, dass dazu fertiges Mohn-Back verwendet wird. Das geht mit seinem Mohn-Anteil von unter 50 Prozent gar nicht. (Egal, was auf der Packung steht: Ich habe einmal erlebt, wie jemand aus Verzweiflung zu Mohn-Back statt gemahlenem Mohn greifen musste und die Körnchen sorgfältig im Sieb wusch. Es blieb nicht mal die Hälfte übrig.) Vielleicht mache ich mir die Mühe und verwende statt dessen selbstgemachte Mohnfülle aus meinem Kleckerkuchen-Rezept.
Ich hab’s nicht mit Andenken, bin zudem eine begeisterte Wegwerferin – wenn der Mitbewohner mich nicht regelmäßig bremsen würde, hätte ich auch die letzten Kinderzeichnungen in den Müll gefaltet, die von mir überhaupt erhalten sind. Die Obstschale und die Blechbrosche, die ich mir als Andenken an meine polnische Oma erbeten habe, lösen keine Erinnerungen aus.
Selbst wenn meine Eltern mal sterben (bitte erst in 20 bis 30 Jahren), werde ich sehr wahrscheinlich nicht mehr Kindheitsandenken bekommen: Verbleibende Kinderdinge haben meine Eltern schon vor Jahren an mich gegeben, und meine Mutter hält nicht an Altem fest – Küchenausstattung und Geschirr aus meiner Kindheit wurde in meinem Elternhaus längst durch Neueres ersetzt.
Aber eine Sache gibt es:
Das sind die Vorhänge meines ersten Kinderzimmers, zumindest die nicht als Jeansflicken verwendeten Reste (es waren die 80er, mein Gott). Ich bilde mir ein, mich daran zu erinnern, wie die Sonne mit dem Muster gespielt hat, wenn die Vorhänge zugezogen waren – vermutlich wenn ich Mittagsschlaf halten sollte. Oder wenn ich mich aus schlechtem Gewissen, weil ich etwas angestellt hatte, ins Bett und in den Schlaf flüchtete (machen andere Kinder das auch?).
Aufgehoben habe ich die Vorhangsreste nur, weil ich irgendwann mal ein Kleidungsstück daraus machen lassen möchte, vielleicht ein Sommerkleidchen