Journal 20. Februar 2010

Sonntag, 21. Februar 2010 um 10:03

Kreuzberger Schnippsel

Der Ausblick aus meiner Unterkunft im fünften Stock der Imalofts steht hier nicht als Foto, weil das Ergebnis meiner Blackberryknipserei scheußlich ist.

Das Gebäude ist eine Fabrik aus dem 19. Jahrhundert und umschließt einen großzügigen Innenhof. Es gibt Büros, Ateliers, Werkstätten, ein angenehmes Café und einige Appartments, in denen man gegen Geld übernachten kann. Herr Mittagesser war nach Weihnachten hier gewesen und hatte sehr angetan davon gesprochen. Da Hotelfrühstücke an mich ohnehin verschwendet sind (ich habe halt die ersten Stunden nach dem Aufstehen überhaupt keinen Appetit), da das eine, was ich morgens gerne hätte, nämlich einen Milchkaffee auf Espressobasis, meist nicht im Hotelfrühstück enthalten ist und extra kostet, und weil ich Kreuzberg noch gar nicht kannte, quartierte ich mich hier ein.

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Die Fenster meines großzügigen Appartments (über den Daumen gepeilt hätten an den Wänden alle meine Bücher Platz) liegen gegenüber einem Ballettraum. Am Samstagvormittag sah ich darin kleine Mädchen herumhüpfen, in alle Rosatöne dieser Erde gekleidet.

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Die Klavierklänge kamen allerdings nicht aus dem Tanzraum, sondern aus seinem Nebenzimmer: Hier wird Gesang unterrichtet. Hm, die Einsingschleifen der samstäglichen Schülerin klangen nicht so schön wie die der Dame am Freitagnachmittag.

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Wie verführerisch sich das Wohnen mit ganz wenig Geschirr und Besteck anfühlt. Das wäre es doch eigentlich: Ein Löffel, eine Gabel, ein Messer, eine schöne Tasse, ein Wasserglas, ein Weinglas, ein Suppenteller, ein flacher, eine Schüssel – Schluss. Dass mich diese Vorstellung mehr inspiriert als aristokratische Opulenz, beweist wohl besser als vieles andere, in welch unglaublichem Überfluss ich lebe.

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Die junge Edeka-Kassiererin kommentierte meinen Kauf von Zahnbürste und -pasta mit einem fröhlichen: “Immer schön Zähne putzen!”

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Berlin hatte sich angestrengt und bot Sonne und Plusgrade. Von drinnen sah die Luft fast österlich aus. Draußen brauchte ich aber immer noch Handschuhe.

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Ich spazierte die Oranienstraße entlang, mäanderte durch die Straßen links und rechts davon, genoss es, viel Berliner Akzent zu hören, viel Türkisch – und nicht eine Silbe Schwäbisch. Stieß auf ein weiteres österreichisches Wirtshaus, das von Vorneherein jede Verwechlung ausschließt, indem es No Kangaroo heißt.

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Nachmittags holte mich Frau Creezy ab, eine echt ehrlich gebürtige Berlinerin, und zeigte mir einige Stunden lang das südliche Kreuzberg: Urbanhafen im Sonnenuntergang, Kottbusser Brücke, Graefekiez, Südstern, Bergmannstraße, Chamissostraßeplatz, Meringdamm – unter anderem. Alles ausgestattet mit Geschichten, Geschichte, Erlebnissen und Tipps für den nächsten Berlinbesuch. Und sie brachte mich zu weiterem ganz hervorragenden Essen, zu den vietnamesischen 3 Moms. Ihre Empfehlung des Rindfleischs in Bethelblättern war ein Volltreffer.

die Kaltmamsell

7 Kommentare zu „Journal 20. Februar 2010“

  1. daniel meint:

    wo sind denn die viet-moms zu finden?

  2. fressack meint:

    Genau. Wir wollen ausführlichere Daten.

  3. Juebe meint:

    Zum Stadtbad Mitte ist noch zu bemerken, daß es James Simon zu verdanken ist, einem der großen jüdischen Mäzene. Er hat übrigens auch archäologische Grabungen finanziert und so ist ihm auch zu verdanken, daß die Nofretete in Berlin ist. Wenn Sie mal im Sommer kommen, dann können Sie auch am James-Simon-Park vorbeijoggen.

  4. creezy meint:

    Die 3Moms sind hier zu finden – ich bloggte über sie mal im Hauptstadtblog.

    Und es war mir eine Freude, Sie wiederzusehen, liebste Frau Kaltmamsell. Die Fotos packe ich Ihnen gleich ins Postfach. ,-)

  5. engl meint:

    beim nächsten mal ist neukölln dran. liegt auch näher an schönefeld. ;-)

  6. AnkeD meint:

    Liebe Kaltmamsell,
    da haben Sie uns aber wirklich geholfen. Seit langem wollten wir nach Berlin, die Frage nach einer vernünftigen Unterkunft konnte aber bisher nicht zufriedenstellend geklärt werden. Heute habe ich dann sofort nach dem Lesen ihres Blogs telefoniert und siehe da, wir haben nun im Imaloft gebucht. Freu… :)
    Vielen Dank!

  7. 40something meint:

    Irgendwie hatte ich doch die Planung der Berlin-Reise im Hinterkopf… Aber ich nehme an, es war ohnehin alles weitestgehend verplant. Also demnächst mal wieder…

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