Archiv für März 2010

Journal 20. März 2010

Sonntag, 21. März 2010

Ich war der Empfehlung unter meinen Gedanken zum Polnischen Reiter gefolgt und hatte mir Ana Maria Matutes Roman Erste Erinnerung von 1956 besorgt. Die deutsche Übersetzung (Doris Deinhard) ist seit Jahrzehnten vergriffen, so kam ich an ein schönes ausgemustertes Bücherei-Exemplar, Deutsche Verlagsanstalt 1965 (ein Hoch auf das Internet – noch vor 15 Jahren hätte ich mir gut überlegt, wie wichtig mir das Buch ist und sehr vielleicht eine Suche im Börsenblatt des Buchhandels aufgegeben, wahrscheinlich aber auf die Lektüre des Buches verzichtet).

Mehr darüber beim Common Reader.

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Nach dem Schwimmen (diesmal 2400 von meinen 3000 Metern gekrault) ist mir doch noch ein Geburtstagsgeschenk für meinen Vater eingefallen, der wenige materielle Interessen hat und sich Dinge, die er braucht, selbst kauft: Ein Fresspakt mit Dallmayr-Köstlichkeiten. Er isst nämlich ähnlich gern wie seine einzige Tochter, ist allerdings sehr knickert: Bei Preisen, die über ein Minimum hinausreichen, argwöhnt er sofort Abzocke. Und nun bekommt er Wildlachskaviar, Gänseleber, Kaninchenterrine, gesalzene Butter aus Frankreich, Mostkäse und Bergbauernkäse aus Südtirol, Verhackertes, Wildschweinsalami, französische Salami mit Haselnüssen, Rouille. Nichts davon überkandidelt. Beim Einkaufen war ich mal wieder geplättet von der Atmosphäre beim Dallmayr: Wirklich aufmerksam, zugewandt, kompetent, geduldig und freundlich. Es kann nicht einfach sein, solches Personal zu bekommen und zu halten.

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Auf dem Rindermarkt tanzten jungen Einheimische Afrikanisches vor und sangen dazu (ich glaube, um Geld einzusammeln). Passanten sahen lächelnd hinüber und fanden das offensichtlich ganz normal. Ich hingegen versuchte sofort mir vorzustellen, wie in Kinshasa eine Gruppe junger Einheimischer schuhplattelt, mit Quetschkommodenbegleitung vielleicht. Das Wetter drehte der Vorhersage eine lange Nase und schien mit Sonne, anstatt zu regnen.

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Auf eine weitere Sensation um das Ukulele Orchestra of Great Britain gestoßen: Letztes Jahr spielten sie in der Royal Albert Hall zusammen mit 1000 Ukuleles im Publikum. Oh my God!

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Zum Abendessen wegen großem Gelüst Ofengemüse mit Couscous – allerdings mit schlechtem Gewissen, weil fast alle Zutaten unsaisonal sind. Dazu einen wunderbar vielschichtigen Montirius Vacqueras Cotes du Rhone 2006 (ich hoffe, ich habe die zentrale Angaben zu diesem Wein erwischt, auf dem Etikett stehen noch etwa fünf weitere – aber die Rebsorte, die musste ich der Website entnehmen).

Journal 18. März 2010

Freitag, 19. März 2010

Dass Schönheit leiden muss, macht uns ja bereits das Sprichwort klar. Das gilt auch für Geschirr. Weil nämlich: Die Tassen, die meine arbeitgebende Firma ihren Mitarbeitern stellt, sind mir zu klein. Also habe ich mir zwei Stück des abgebildeten Rosenthal-Modells gekauft, denn, wie eine der großen Denkerinnen des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts so schön sagte: „Wie soll ich schöne Gedanken haben, wenn ich von hässlichen Dingen umgeben bin?“

Auch meine Kollegen und Kolleginnen bevorzugen größere Tassen als die vom Arbeitgeber gestellten. Die meisten bringen also welche mit, gerne mit humorvoll gemeinter Aufschrift, jahreszeitlichen Emblemen oder mit Werbebeklebung. Meine beiden Exemplare sind die mit Abstand schönsten. Was wiederum zur Folge hat, dass sie von denjenigen der ca. 50 Nutzer der einzigen Teeküche auf dem Stockwerk bevorzugt werden, die keine eigenen Tassen haben. Stelle ich sie abends benutzt in die Geschirrspülmaschine, hat sie sich am nächsten Morgen meist schon jemand geholt. Die Folge: Will ich meine eigenen Tassen auch selbst benutzen, muss ich sie abends von Hand spülen und an meinem Arbeitsplatz lagern.

Sie begreifen jetzt hoffentlich die monumentale und problematische Komplexität meines berufstätigen Daseins.

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Solange bestimmte Bevölkerungsgruppen in Machtpositionen rare Einzelfälle sind, wird nicht nur jegliches Fehlverhalten schnell in Zusammenhang mit ihrer Gruppezugehörigkeit gebracht, sondern auch Kritik an ihnen allzu leicht mit Vorbehalten der Bevölkerungsgruppe gegenüber erklärt. Siehe: unfähige Abteilungsleiterin. Siehe: fragwürdiger schwuler Außenminister.

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Over the last few years, fat people have become scapegoats for all manner of cultural ills. “There’s an atmosphere now where it’s O.K. to blame everything on weight,” said Dr. Linda Bacon, a nutrition researcher and the author of “Health at Every Size: The Surprising Truth About Your Weight” (Benbella, 2008). “If we’re worried about climate change, someone comes out with an article about how heavier people weigh more, so they require more fuel, and they blame the climate change crisis on fatter people. We have this strong belief system that it’s their fault, that it’s all about gluttony or lack of exercise.”

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Some of the most blatant fat discrimination comes from medical professionals. Rebecca Puhl, a clinical psychologist and director of research at the Rudd Center for Food Policy and Obesity at Yale, has been studying the stigma of obesity for more than a decade. More than half of the 620 primary care doctors questioned for one study described obese patients as “awkward, unattractive, ugly, and unlikely to comply with treatment.” (This last is significant, because doctors who think patients won’t follow their instructions treat and prescribe for them differently.)

Dr. Puhl said she was especially disturbed at how openly the doctors expressed their biases. “If I was trying to study gender or racial bias, I couldn’t use the assessment tools I’m using, because people wouldn’t be truthful,” she said. “They’d want to be more politically correct.”

Despite the abundance of research showing that most people are unable to make significant long-term changes in their weight, it’s clear that doctors tend to view obesity as a matter of personal responsibility.

Die New York Time stellt fest, dass Diskriminierung adipöse Menschen krank macht.

Es verschlägt mir immer wieder die Sprache, mit welch bodenloser Verachtung dicke Menschen für alles Übel, das ihnen widerfährt, selbst verantwortlich gemacht werden. Und welche Übel ihnen zunächst mal unterstellt werden.

via La Gröner

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Kleine Katastrophe in einem meiner Projektergebnisse wirbelt die Abteilung durcheinander. Schaden ungewiss.

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Große Freude über Zusammenarbeit mit einem Kollegen im Tochterunternehmen, der nicht nur ausgesprochen kompetent, begeistert und unkompliziert ist, sondern auch überhaupt keine Pfründe verteidigt.

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Abendlicher Weg zur Muckibude gibt mir dann doch noch Gelegenheit, eindeutige Frühlingslüfte um die Nase wehen zu lassen.

Journal 17. März 2010

Donnerstag, 18. März 2010

Sonst mache ich mir den Tag über Notizen für diese Tagebucheinträge – was lerne ich daraus, dass es für diesen Tag keine gibt?

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Kollegin und Mutter zweier sehr kleiner Kinder erzählt, wie sehr es sie nervt, dass sich unter Müttern immer mehr einbürgt, ihren Kindern Anweisungen in der Formulierung „Ich möchte, dass du dich anziehst…“ zu geben. Statt des gewohnten „Bitte ziehe dich an“. Ich hatte das für einen besonders merkwürdigen Anglizismus gehalten, als mir die Formulierung im Schwimmbad auffielt, wurde jedoch belehrt, dass dies das Bemühen um „Ich-Botschaften“ ist. Bei praktischen Handlungsanweisungen. Mysterium Elternschaft.

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Arbeit (in order of appearance): Erleichterung, Mulmigkeit, roter Kopf, Bemühen um erwachsenen Umgang mit Kritik, Lösungssuche, Zähnezusammenbeißen, Niedergeschlagenheit, Selbstverachtung, Peinlichkeit, Fluchtgedanken. Diese beschissene Drittelbrillanz, durch die ich mich ständig unter Performancedruck setzen lasse, und die langfristig doch nur enttäuschen kann.

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Spontan Pizza Marguerita hergestellt; ich brauchte wohl dringend Beruhigungskohlenhyrate. Plus einen schönen Silberbichl Harm Grüner Veltliner Classic 2007.

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Habe fast beschlossen, diesen Schrank als Ersatz für eine der weißen Ikea-Kommoden (noch aus meinem Jungmädchenzimmer, also fast 30 Jahre alt) im Esszimmer zu bestellen. Bin sehr gespannt, wann ich endlich den Arsch für die tatsächliche Bestellung hochkriege. Andererseit wohnen meine richtigen Weingläser seit Jahren in Kartons unter dem Küchentisch, denen sie wöchentlich mindestens einmal entnommen werden – ob sie jetzt noch einen Umzug in einen richtigen Schrank verkraften?

Journal 16. März 2010

Mittwoch, 17. März 2010

Ein früherer Kollege aus der PR bittet mich um Tipps, wie die Nahrungsmittelindustriekunden der PR-Beratung, für die er arbeitet, mit der Welt der Foodblogger kooperieren könnten. (Ich ahne, dass diese Bitte nicht nur bei mir für einen schallenden Lacher sorgt.) Habe ihm dennoch ernsthaft und ausfühlrich geantwortet (Zusammenfassung: „Es ist wahrscheinlicher, dass die Confiserie Lauenstein Fans in Anorexie-Foren rekrutiert.“)

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Mit dem geburtstagenden Papa (spanischer Einwanderer erster Gastarbeitergeneration) telefoniert: Er war kürzlich wegen einer Stimmbandgeschichte zu einem spezialisierten Arzt an einer Uniklinik überwiesen worden, der sich als spanischer Einwanderer der 80er herausstellte. Mein Vater amüsierte sich, dass auch akademische Gastarbeiter beim Spanischsprechen auf deutsche Wörter zurückgreifen.

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Ganztägige Sitzung außerhalb, neuen Überblick über mein Arbeitsgebiet bekommen und über Menschen, die sowas Ähnliches in anderen Firmen machen.

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Deshalb später als sonst zum Turnen gekommen. Es wollte sich nicht der rechte Spaß am Hopsen einstellen, also lediglich ein wenig leichtes Training.

Journal 15. März 2010

Dienstag, 16. März 2010

Wenn’s mich nervt, kann ich auch Blogleser damit nerven: Den Vormittag über immer dichterer Schneefall, nachmittags schmolzen zumindest große Teile davon weg.

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In der Arbeit erst mal Entmutigung: In der allerletzten Phase eines Projekts grundsätzliche Änderungswünsche von Oben. Da diese sich bei Erfüllung destruktiv auf zahlreiche andere Projekte auswirken würden, habe ich meine Chefebene eingeschaltet und um Gegenwehr gebeten. Dennoch ist ein sehr knapp getakteter Zeitplan jetzt nicht mehr zu halten.

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Dann wiederum Aufmunterung: Eine Idee wird funktionieren, möglicherweise sogar besser als erhofft.

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Für ein drittes Großprojekt völlig überraschend grüne Lichter bekommen. Bin misstrauisch und halte es für möglich, dass die Lichtgeber sich nicht darüber im Klaren sind, was sie da grüngelichtet haben.

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Trotz und Bockigkeit sind genau das Meine – und solch ein Tag ruft danach. Glücklicherweise lese ich die richtigen Blogs, also ließ ich mich von Frau Engl auf die wunderbare Idee bringen, in der Muckibude einfach an jeder Maschine eine Lage draufzulegen. GROARRRR!

Journal 14. März 2010

Montag, 15. März 2010

Es schniebelte in einen windigen, kalten Tag – nicht sehr einladend für eine Laufrunde. Doch das Olympiabad war ja immer noch besetzt, also ab zum Isarlaufen. Möglicherweise habe ich dort einen Grünspecht auffliegen sehen.

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Mit dem Zug zur geburtstagenden Schwiegermutter (pünktlich und ungehindert). Bei Schwiegers in alten Familienfotoalben geblättert, ausführlich Bilder des Mitbewohners als Teenager betrachtet. Möglicherweise hätte ich ihn ja doch attraktiv gefunden, wenn wir in dieselbe Schule gegangen wären.

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Statt Tatort Charlie Chaplins Modern Times aus der Konserve. Der Film hat sich ganz ausgezeichnet gehalten, auch wenn seine Erzählweise und Technik schon damals, 1936, veraltet waren.

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Selten von einem Wein so überraschend enttäuscht worde. Er duftete betörend und nach Sommerwiese, der Schluck im Mund erzählt von Ananas, Blüten, ein wenig Marzipan – alles wundervoll. Doch dann, kurz vorm Schlucken, knallte er eine spitze Süße hinterher, die alles kaputt machte.

Journal 13. März 2010

Sonntag, 14. März 2010

Wie jetzt? „Von 13. bis 14. März wegen einer Sportveranstaltung belegt“? Schon das Johlen vieler Menschen, das ich bei Annäherung an das Olympiabad von Ferne vernahm, machte mich misstrauisch. Und tatsächlich: Jubelnde Massen drin, ich musste draußen bleiben. Dabei bin ich mir sehr sicher, dass am Montag, als ich zuletzt dort schwamm, kein Aushang mit einer Veranstaltungsankündigung sichtbar war. Doch ich hatte kurz nach Mittag eine Verabredung, also fehlte mir die Zeit für ein Umschwenken auf das Nordbad, ich musste die Schwimmrunde ausfallen lassen. Sehr ärgerlich.

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Unter deutschen Schülern hält sich ja die Ansicht, Lehrer hätten Lieblinge und andere (sie selbst nämlich) „auf dem Kieker“, dächten sich zudem am liebsten Gemeinheiten aus, mit denen sie ihnen, den Schülern, das Leben so unangenehm wie möglich machen können. (Inzwischen weiß ich, dass es auch Lehrer gibt, die dieselben Verschwörungstheorien ihren Vorgesetzten gegenüber stricken.) Das stimmt nicht mit der Haltung der vielen Lehrer überein, die ich kenne. Richtig ist hingegen, dass Lehrer sich am liebsten rächen wie Frau Wiesenraute.

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Maharaja-Ausstellung mit indienbegeisterter und -erfahrener Freundin besichtigt. Tatsächlich wunderbar aufbereitet, die Gemälde, historisches Filmmaterial, Elefantensattel, Erklärungen – sehr sehenswert. Kleiner Tipp: Lieber die englischen Erläuterungen lesen, die deutschen Texte sind nur ziemlich holprige Übersetzungen davon.

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Die atemlose Kennenlernphase einer Freundschaft, in der man nicht genug Informationen und Geschichten bekommen kann vom begeistert entdeckten Menschen, sich überschlägt in Erzählungen und Fragen, ständig möglichen Geschenken begegnet, von jedem Treffen völlig überdreht und aufgekratzt heim kommt.

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Zum Abendbrot machte mich der Mitbewohner bekannt mit der Romanoff-Torte seiner Kindheit. Sehr 70er, aber durchaus wohlschmeckend.