Ja ja, ich weiß: Es ist in höchstem Maße peinlich, dass ich gestern zum ersten Mal im Leben auf der Auer Dult war. Vor allem wenn man folgende Faktoren bedenkt:
– Auer Dult ist dreimal im Jahr.
– Dulten, die ich aus Ingolstadt und Augsburg kenne, sind in ihrer überholten Bräsigkeit genau meine Sorte Veranstaltung.
– Ich übersehe keine Dult, denn die Straßenbahnlinie 27, die zur Auer Dult fährt, hält auch am Sendlinger Tor, meinem Haupteinsteigepunkt, und hat während der zwei Dultwochen das Fahrtziel „Auer Dult“ eigens angeschrieben.
– Ich wohne seit über elf Jahren in München.
– Während der ich sogar zweimal auf dem verhassten Oktoberfest war.
Mein Besuch in wundervollster Frühlingssonne (eine Sonnenbrille wäre wirklich eine gute Idee gewesen) hat mir dann auch bewiesen, dass ich ziemlich was verpasst hatte. Anstoß für die Fahrt war ein echtes Kaufbedürfnis gewesen. Das hier ist meine liebste Arbeitsschüssel:
Billigstes Emaille aus chinesischer Produktion, vor vielen, vielen Jahren auf der Augsburger Jakoberdult gekauft. Sie werden zugeben, dass sie ihre besten Jahre hinter sich hat. Und genau für diese Schüssel suchte ich Ersatz.
Die Auer Dult ist atemberaubend. Es gibt zum Beispiel eine ganze lange Gasse nur mit den Marktschreierständen für die neuesten aller neuen Gurkenhobel, Putzwundermittel, Mikroreiben, Weltfrieden-garantierenden Pfannen etc., wie ich sie aus Fußgängerzonen kenne.
An verschiedenen Ecken Korbverkäufer mit riesigen Ständen. An einem davon besorgte ich mir ein zweites Gärkörbchen fürs Brotbacken – um halb so viel Geld, wie ich beim Kustermann dafür hatte zahlen müssen.
Geschirrstände, viele Geschirrstände. Hier entdeckte ich zu meiner Überraschung Teile eines lang vergangenen Walküre-Services. Ich hatte mir vor über zehn Jahren zwei anständig große Milchkaffee-Tassen davon gekauft, aus denen der Mitbewohner und ich wochenends unseren Morgenkaffee trinken. Doch immer, wenn wir Übernachtungsgäste befrühstücken, bedauere ich, dass ich nicht mehr davon habe. Jetzt haben wir vier.
Das allerdultigste an einer Dult sind für mich die Stände mit Altfrauenpullovern und Kittelschürzen (wenn von mir geschrieben, stellen Sie sich das Wort bitte unbedingt immer in der Aussprache meiner verstorbenen polnischen Oma vor: „Kittlschirz“).
Theoretisch frage ich mich, wer hier bloß einkaufen mag. Praktisch sah ich im Kittelschürzenstand eine junge und keineswegs biedere Frau beim Anprobieren (Ausstattung für ein Theaterstück?).
Auch zur Dult gehören Spezialitätenstände, die Geräuchtertes, Senf, Süßigkeiten, Essige oder Marmeladen anbieten. Zeitgemäßerweise auch in der Schwurbel-Esoversion (ich erwäge duchaus die Möglichkeit eines Scherzes – doch der Stand, zu dem das Schild gehört, verkaufte unter anderem Demeter-Produkte).
Speziell die Auer Dult ist bekannt für ihre unzähligen Tandler- und Antiquitätenstände, die gleich zwei der sehr langen Gassen ausmachen. Die interessierten mich nun wieder weniger, ich blieb höchstens mal an dem einen oder anderen Bücherstand hängen (sehr gute Auswahl auch an englischsprachigen Büchern aus zweiter Hand).
Hier ein Rahmfladen, dort eine Rote Bratwurst – zu Essen gibt es genug. Für daheim nahm ich ein Tütchen Türkischen Honig und eine Scheibe Schichtnougat mit. Emaille-Schüsseln (in dicker, österreichischer Qualität) hatte ich zwar an einigen der vielen Haushaltsgerätestände gesehen, doch die angebotenen Modelle waren mir zu tief oder zu blumig oder zu eckig.
Zwei Wochen dauert sie noch, die Dult. Vielleicht schaffe ich es ja nochmal hin.