Das Leben ist zu kurz für Effizienz*
Freitag, 2. April 2010 um 16:14Ähnlich wie Frau wortschnittchen finde ich im Job Strukturen, Listen, Effizienz höchst attraktiv. Es war der Mitbewohner, der mich schon vor Jahren den Genuss der Ineffizienz gelehrt hat. Die Folge war ein richtiggehender Emanzipationsprozess: Seither richte ich zum Beispiel die Ausstattung unserer Küche nicht mehr, wie von meiner Mutter gelernt, an möglichst kurzen Wegen und schnellen Handgriffen aus – sie ist schließlich nicht mein Arbeits-, sondern mein Spielplatz. Und an dem macht es mir wirklich nichts aus, Schubladen vorsichtig ruckelnd aufziehen zu müssen, weil sie in einem fast 100 Jahre alten Monster von Gründerzeitbuffet stecken, statt sie mit einer kleinen Fingerbewegung zu öffnen, weil sie auf Rollen laufen. Hätte ich nicht Hemmungen, die immer noch voll funktionierende Einbauküche der Vormieter per Dekret zu Müll zu erklären, richtete ich die Küche mit richtigen Möbeln ein, also mit Möbeln, die nicht einzig und allein zum Einsatz in einer Küche entworfen wurden. Da stünden Vitrinen, Regale, ein großer Stehtisch, ein schöner Herd, Kommoden – und weiterhin das Gründerzeit-Monster.
Die Lehre des Mitbewohners lässt mich auch (hin und wieder) nur zur Hälfte abspülen. Wenn ich keine Lust mehr habe, höre ich einfach auf und mache den Rest später. Oder sie lässt mich nach dem Aufbauen des neuen Schrankes das vollgemüllte und -gerümpelte Esszimmer so, wie es ist, verlassen. Erst mal trinke ich meine zweite Tasse Milchkaffee, gehe Isarlaufen, dusche mich, frühstücke. Und dann ist vielleicht der richtige Moment gekommen, zu entrümpeln, aufzuräumen, einzuräumen. Vor ein paar Jahren noch hätte ich nicht gedacht, dass ich das schaffe.
* nach einem Tweet von bov
die Kaltmamsell6 Kommentare zu „Das Leben ist zu kurz für Effizienz*“
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2. April 2010 um 19:07
Bewundernswert.
Ich arbeite noch an der Trennung von Effizienz im Job und Nicht-Effizienz zu Hause. Klappt nur mit etwas Abstand zur Arbeit (1-2 Tage, also Urlaub) und ebenfalls dank des über Hyperaktivität nölenden Mannes. Aber das ist halt eher erzwungen.
Der neue Wintergarten hat das Potential hilfreich zu sein, man kann darin zwar auch lernen, ToDo Listen schreiben etc., aber einfach nur rumdösen und lesen und Sonnenuntergänge ansehen ging heute schon recht gut.
Ich kann mich traurigerweise nicht mal mehr erinnern, wann ich zuletzt mal so lange nur so rumgesessen und entspannt vor mich hin geprötschelt habe.
Lässt jedenfalls hoffen.
3. April 2010 um 9:38
Ineffizienz kann glücklich machen, Sie sind auf dem richten Weg.
3. April 2010 um 10:52
Beneidenswert, liebe Frau Kaltmamsell, hoffentlich schaff’ ich das auch noch.
Sie sind weit gekommen.
Ihnen und dem Mitbewohner schöne Ostern
3. April 2010 um 12:22
Klingt lebenswert. Das werd ich auch Mal üben.
3. April 2010 um 14:27
ich sollte mal ein praktikum oder kurzseminar beim mitbewohner belegen. ich meine immer noch, immer alles am stück und sofort erledigen zu müssen.
so wird man nie fertig. schlimm.
5. April 2010 um 9:00
Und ich sage Ihnen, das Leben ist zu kurz, um nicht die Küche des Vorbesitzers auf den Müll und die eigene Küche mit den schönen Dingen zu bestücken, nach denen Ihr kochendes Herz so genüsslich verlangt! Wissen’s Ich kann Sie mir so gut zwischen Kommoden, Vitrinen und Regalen kochend vorstellen …