Eine erste Runde Wien
Montag, 12. April 2010Über das Buch So schmecken Wildpflanzen werde ich sicher noch separat schwärmen. Die Autorin, Katharina Seiser, kannte ich ja weit vor der Veröffentlichung des Buches als eine Lieblingsfoodbloggerin mit ihrem http://www.esskultur.at/. Mit ihr traf ich mich letztes Wochenende in Wien endlich persönlich – und dann auch noch zu einem Abendessen im Restaurant des Kochs hinter So schmecken Wildpflanzen, Meinrad Neunkirchner, nämlich im Freyenstein.
Es war ein ganz wundervolles Abendessen. Im Freyenstein wird gegessen, was auf den Tisch kommt, genauer: was der Koch auf den Tisch bringt. Auf der Speisekarte steht genau ein Menü, doch auch das gibt eher die generelle Richtung vor. Meinrad Neunkirchner lässt die Variation davon servieren, die er aus den besten Zutaten des Tages bereitet hat. Katha hat dieses „Ende der Speisekarte“ letztes Jahr erklärt:
bis vor wenigen wochen gab’s noch eine speisekarte im freyenstein. meinrad neunkirchner, einer der besten köche des landes (und das schon seit jahrzehnten) wollte aber immer weg davon. das hat mehrere gründe: zum einen bekommt er extrem rare produkte in oft nur winzigen mengen, mit einem täglich wechselnden menü bleibt er flexibel. er gehört zu den kreativen, die sich auch gar nicht gerne einschränken lassen von irgendwelchen zwängen. ausserdem versteht er sein menü in fünf gängen (jeweils mehrere miniportionen verschiedener gerichte pro gang, tom hat recht) als kampfansage an teure und deshalb nicht unbedingt bessere menüs in spitzenrestaurants, weil er so viel besser kalkulieren kann (er weiss ja, wieviele tische reserviert sind – meistens alle – und folglich für wieviele personen er an jenem abend das menü planen muss) und weit ökonomischer arbeitet als jedes “normale” lokal mit speisekarte.
Ich habe ungeheuer viel gelernt an diesem Abend (neben dem persönlichen Kennenlernen der oben genannten Dame), zum Beispiel:
– Kümmel und Karpfen verstehen sich bestens, gleich gar, wenn es sich um ein Stückerl Karpfen in einer Kümmelpanade gebacken handelt.
– Karpfen ist in Wien auf dem Vormarsch: Katha führte als Beleg an, dass er bereits in verschiedenen Qualitätsstufen angeboten wird. Karpfen habe ich erst vor ein paar Jahren und als Teil der traditionellen fränkischen Küche für mich entdeckt; jetzt bin ich sehr entschlossen, ihn selbst zuzubereiten. Mal sehen, woher ich in München einen guten bekomme.
– Brennnesselrahmspinat wird sehr wahrscheinlich das erste Wildpflanzengericht, für das ich mich selbst in die Felder und Büsche schlage – er schmeckte gar zu köstlich. Im Meinl am Graben entdeckte ich am Tag darauf Brennnessel in Schalen abgepackt an der Gemüsetheke.
– Frühling ist Morchelzeit: Wir bekamen sie als Risotto, und ich sah sie am Naschmarkt und im Meinl.
– Unter den Weinen (wir ließen jeden Gang separat begleiten) war der abgefahrendste der „gemischte Satz“. Katha erklärte uns diese Spezialität aus Wiener Anbau: Früher wurden als Risikominimierung auf demselben Weinberg verschiedene Sorten angebaut, die gleichzeitig geerntet und zu einem eher einfachen Wein verarbeitet wurden. Diese Methode hat man wiederbelebt und verfeinert. Hier die Wikipedia-Definition, hier eine Sammlung weiterer Erklärungen.
Eine eigene Abhandlung wert wäre die Verwendung des Wortes „eh“ im Österreichischen – die Vielzahl der Bedeutungen würde in einem Wörterbuch mehrere Seiten füllen.
Abschließend noch zwei verzweifelte Versuche, die Köstlichkeiten des Freyenstein-Menüs auf Fotos festzuhalten.
Allein schon dieses Vogelmieren-Parfait!