Bruder Haas
Sonntag, 16. Mai 2010 um 15:23Es ist ja nicht so, dass sich unsereiner absichtlich stört, ärgert oder gar aufregt an oder über unfreiwillige Wahrnehmungen: Das machen die Dinge mit uns. Zum Beispiel die Namen von Frühstücken oder Backwaren. Unsereiner, wir stehen leider nicht drüber, uns fehlt neben Gelassenheit die Gabe des großflächigen Darüberhinwegsehens. Vielleicht kann ich das euereiner durch ein Zitat von Wolf Haas ein bisschen verdeutlichen. In Wie die Tiere sagt der Erzähler gegen Mitte des Romans:
Auf einmal hat er sich hundert Jahre alt gefühlt, oder so, wie man sich fühlt, wenn man am nächsten Tag krank wird, oder man geht spazieren, und aus einem offenen Fenster kommt die Stimme eines österreichischen Sportreporters heraus, praktisch totale Depression.
Dieses schlagartige Gemütsverhageln durch eine durch und durch nebensächliche Wahrnehmung – dagegen versuchen wir uns ein Leben lang zu wappnen. In meinem Fall bislang erfolglos. Hin und wieder muss dieses Blog als Ventil für diese Verhagelungen herhalten. (Fragen Sie nicht, was das ganz München verschlingende Christentreffen alles mit mir angestellt hat.)
die Kaltmamsell10 Kommentare zu „Bruder Haas“
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16. Mai 2010 um 17:30
Habe gerade die Jubelchisten im TV gesehen und kann mir ungefähr vorstellen, was Sie mitmachen.
Einen Christen muss ich aber doch bemühen: Augustinus.
Er empfiehlt gegen die Traurigkeit baden oder schlafen, oder beides.
Kennen Sie die Schnecke aus dem Tagebuch einer Schnecke, von Günter Grass?
Sie saugt die Melancholie weg.
In dem Buch geht es um den Wahlkampf von Willy Brandt, aber eigentlich um die Traurigkeit.
Einen Versuch wäre es wert.
Die Schnecke meine ich, oder baden, oder schlafen.
16. Mai 2010 um 17:59
Habe gerade festgestellt, dass der Krimi auf 3sat von vorgestern einer von Wolf Haas ist: Silentium!!
Ich mag ja sonst nicht so viele abgetrennte Körperteile sehen, aber hier war es richtig witzig und skurril.
Ich bin eh auf dem Wienertrip, also werde ich mich mit Herrn Haases Bücher beschäftigen.
Danke für den Hinweis.
16. Mai 2010 um 19:51
Ebenfalls Danke für den Buchhinweis. Hätte ich wohl sonst versäumt.
16. Mai 2010 um 22:56
Ich liebe Wolf Haas. Obwohl “Silentium” mein Lieblingsbuch aus der Serie ist.
17. Mai 2010 um 10:46
Hatte die letzten Tage sehr viel Mitgefühl. Ich habe das ja in Berlin schon hinter mir – aber da hat die Größe und Weite der Stadt noch sehr taktvoll auf unserer Berliner Gemüt ausgewirkt. Aber ich habe hier etwas sehr Schönes für Dich vom Tag der offenen Kirchenschlüpfer. ;-)
17. Mai 2010 um 11:08
Ach, den Haas liebe ich doch auch. Werde nie vergessen, wie er den Slogan der Deutschen Bank “Leistung aus Leidenschaft” bei der Lesung im Literaturhaus vergackeiert hat. Das wärmt mich in den kältesten Krisenstunden.
17. Mai 2010 um 13:17
Vielen Dank, creezy – das tröstet mich ein winziges Bisschen über den Vater hinweg, der vor seiner ca. 9 Jahre alten Tochter kauerte und mit ihr im Chor intonierte: “Die Jungfrau Maria ist meine beste FREUNDIN!”
Mit dem Haas, ilse, verspüre ich ohnehin ein inneres Band: Er hat in Swansea als Dozent gearbeitet, kurz bevor ich dort für ein Jahr zum Studieren aufschlug.
17. Mai 2010 um 14:56
Haha, dazu faellt mir nur das legendaere “Mary is my home girl” T-shirt ein. ZB in gruen:
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18. Mai 2010 um 12:51
Hallo Frau Kaltmamsell: Sie hätten sicher nicht gedacht, dass es auch unter den doofen Kirchentagsbesuchern Leser Ihres Blogs gibt! Ist aber so. In der letzten Woche ging ich auch im Bewußtsein durchs nasskalte München, dass dies also die Stadt der Kaltmamsell ist. Die notorische Antikirchlichkeit sei Ihnen geschenkt (schwere katholische Kindheit, verstehe). Letzte Woche wäre aber auch ne schöne Gelegenheit gewesen, mal zu sehen, dass es unter den Christen nicht nur Deppen gibt, sondern durchaus auch gebildete, aufgeklärte Leute mit überdurchschnittlichem kulturellen Interesse und echtem gesellschaftlichen Engagement. Von denen habe ich jedenfalls viele gesehen (und von den schlichten Freundinnen der Jungfrau nur ganz wenige…). Ein Blick ins Programmheft hätte auch schon geholfen.
18. Mai 2010 um 14:26
Jedem sein Hobby, WaLü, Ihnen gerne die Religion. Es war die Unentrinnbarkeit der Veranstaltung, die mich anging und störte – das tut auf gleiche Weise eine Fußball-WM oder das Oktoberfest.