Archiv für Juni 2010

Sardinien 3

Mittwoch, 9. Juni 2010

Um Pfingsten ist auf Sardinien eindeutig noch Vorsaison. Das hatte Vorteile: Das Hotel war nur zu etwa einem Zehntel belegt, den Pool und den Strand hatten wir oft für uns alleine.

Der Nachteil: In den Fremdenverkehrsdörfern war ein Drittel der Geschäfte noch geschlossen, so manche Attraktion verwies auf Eröffnung Ende Juni. Das deutet darauf hin, dass Sardinien bevorzugt von Italienern bereist wird. Und die wechselnden Gäste in unserem Hotel kamen aus Amerika, Deutschland, England, Dänemark, Schweiz, Indien (!), aber hauptsächlich aus Italien.

Wir wurden gut bekocht und probierten die örtlichen Spezialitäten: Die kleinen, muschelförmigen Nudeln Malloreddu (sehr gut, gleich welche im Supermarkt gekauft), Spaghetti mit drübergeriebenem, getrocknetem Fischrogen Botarga (brauche ich nicht unbedingt), den Kräuterlikör Mirto (wunderbar fruchtig), einige lokale Süßigkeiten (fast alle mandellastig), jeden Abend einen anderen des örtlichen Weißweins Vermentino (ich mochte den Argiolas besonders gern; er schmeckte mir sogar besser als der edle Capichera). Und viel gegrillten Wolfsbarsch – der uns immer gegart ganz gezeigt wurde und dann aufwendig am Tisch filetiert. Mir wäre es lieber gewesen, ich hätte das Zerteilen selbst übernommen, dann wäre wenigstens der erste Teil des Fisches beim Essen noch warm gewesen.

Ganz erstaunlich war, was uns beim ersten Frühstück als Caffè latte serviert wurde: Ein Kännchen grauenhafter Filterkaffee und in einem eigenen Kännchen Milch. Möglicherweise glaubte man, wir Deutschen verstünden das unter Milchkaffee. Das korrigierten wir beim nächsten Mal durch die Bestellung von Cappuccino.

Bezaubert war ich von den vielen Gräsern und Blüten der Gegend (davon morgen mehr). An Vögeln fielen mir vor allem die omnipräsenten Seemöwen und Nebelkrähen (oder doch Dohlen?) auf, allerdings auch erstaunlich viele Eichelhäher. Überall sahen wir grüne Eidechsen (Ruinen-Eidechsen?). Sehr beeindruckt war ich aber von dem Verhalten der weniger schillernden Geckos: Sie hielten sich nachts an den Außenmauern im Lichtschein der Wandlampen auf – weil sich dort die Fliegen und Mücken tummelten und bequem zu schnappen waren. (Es folgten lange Gespräche über Evolution und wie schnell nach der Einführung elektrischen Lichts die Geckos das wohl gelernt hatten, denn der Fackelschein davor war sicher zu heiß für dieses Manöver.)

Mirtolikör am Abend (vor dem Reisebegleiter ein Glas der örtlichen Grappavariante Filu´e Ferru):

Serviert in einem Glas, auf dessen Boden die Geschmack-gebende Pflanze eingefroren war:

Freundlicher Eichelhäher:

Schlaue Geckos:

Der weite Weg des Feminismus

Mittwoch, 9. Juni 2010

Vor nicht mal 40 Jahren konnte sowas noch allen Ernstes in deutschen Fernsehen laufen:

(via Boschs Getwitter)

Die Vorurteile gibt es heutzutage zwar immer noch (vielleicht mit Ausnahme der Sicherheitsgurtverweigerung), aber für eine öffentliche Äußerung muss man sie als Satire verpacken, um nicht abgewatscht zu werden. Little blessings…

Sardinien 2

Dienstag, 8. Juni 2010

Den Nordosten Sardiniens hat ja bekanntlich Aga Khan erfunden, damals in den 60ern, inklusive dem „sardischen“ Baustil (so wird er in Prospekten genannt), den auch unser Hotel hatte. Fast alle Orte in dieser Ecke der Insel sind also Retortensiedlungen für den Fremdenverkehr. Dahinter steckt viel Sorgfalt, die Bausünden zum Beispiel der spanischen Costa del Sol zu vermeiden: Die Gebäude sind klein, verschachtelt und niedlich, verwaschen verputzt, sehr gepflegt – inklusive den Grünanlagen. Gleichzeitig haben die Dörfer dadurch etwas von Disneyland. Einem andalusischgriechischitalienischen Disneyland mit deutlich mexikanischem Einschlag. Zu den Folgen gehören empfindlich hohe Preise: Die kleinste Eisportion, die in München etwa zwei Kugeln entspräche, kostete zwischen 2,50 und 3,50 Euro; die billigste Sonnenmilch im Supermarkt kam auf 15,60 Euro (ich habe heute zum Spaß im nächstgelegenen Münchner Drogeriemarkt nachgesehen: 7,50 Euro).

Einiges weist darauf hin, dass der Osten Sardiniens viel reizvoller und interessanter ist – zum Beispiel der Urlaubsbericht von Frau Kittykoma, die wir leider knapp verpasst haben. Auch der Süden Sardiniens muss sehr reizvoll sein. Wir hingegen sahen uns in unserer nordöstlichen Gegend und in der gesamten Provinz Gallura ein wenig um. Die Ortschaften sind oft so gesichtslos dröge, dass ich zu dem Verdacht neige, das Erfinden eines „sardischen“ Stils könnte für die Region eine Bereicherung gewesen sein. Vielleicht waren wir aber nur ungeschickt bei unserem Umsehen: In Arzachena hielten wir uns zwischen 15 und 16 Uhr auf, also noch während der Mittagspause. Möglicherweise wäre der völlig ausgestorbene Ort, in dem die Schaufenster eines Drittels der Geschäfte mit Zeitungspapier verklebt waren, eine halbe Stunde später zu quirligem Leben erwacht.

Nach Sassari, der zweitgrößten Stadt Sardiniens, fuhren wir ausgerechnet am 2. Juni, dem italienischen Nationalfeiertag: Selbst Cafés und Restaurants waren geschlossen, auf den Straßen irrten nur einige wenige versprengte Touristen wie wir herum. Halt: Ein Café war sogar geöffnet, am Hauptplatz, und servierte uns Cappuccino. Einheimisches Leben entdeckten wir dann doch: Im Stadtpark fand ein Wohltätigkeitsbasar statt, auf dem Vereine von Pfadfindern bis Rotem Kreuz und Stadtteilbürgerschaften Selbstgebasteltes anboten.

Richtig Atmosphäre hingegen hatte die Provinzhauptstadt der Gallura, Tempio Pausania: Als wir hier den späten Nachmittag verbrachten, waren die Gassen zwischen den charakteristischen Granithäusern voller geschäftiger Bewohner – ich fühlte mich fast wie ein Eindringling.

Doch für Besichtigungen und Ausflüge waren wir ja eigentlich gar nicht nach Sardinien gekommen – wir wollten Faulenzen. Zumal die Insel ganz schön groß ist und zudem bergig: Ausflüge hatten immer den Preis ziemlich langer Autofahrten.

Wir genossen also die Sonne, die außer an zwei extrem windigen Tagen schien, an den letzten beiden Tagen unseres Aufenthalts sogar für richtig heftige Hitze sorgte.
(Fortsetzung folgt.)

Arzachena mit einem der witterungsgeformten Granitfelsen, von denen es an vielen Stellen bizarre Varianten gibt:

Die Treppe hinunter zum entvölkerten Hauptplatz von Arzachena:

Der stillgelegte Bahnhof von Tempio Pausania, der allerbuchs als die eine Sehenswürdigkeit der Stadt neben der Hauptkirche gilt (wegen Wandgemälden im Innen, das versperrt war):

Granithaus in Tempio Pausania:

Menschenleeres Sassari in hübsch:

In zumindest malerisch:

In eigentlich typisch und authentisch (rechts vom Bildausschnitt trafen wir auf den zweiten offenen Laden der Stadt – ein Telefonie- und Internetkabuff):

Das erfundene Sardinien in Porto Cervo:

Selbst an Kirchen wurde gedacht in den Besucherdörfern der Costa Smeralda. Es ist eher das Fehlen eines Details, das die Orte als Trugbilder entlarvt: Keine Friedhöfe.

Ostseeurlaub auf Sardinien

Dienstag, 8. Juni 2010

(Na ja – ich habe da durchaus einige Parallelen entdeckt. Zum Beispiel den hirnrissigen Umgang mit den Klimaanlagen in Autos: Ebenso wie der Italiener bildet sich der Sarde ein, durch offene Fenster für Frische im Wageninneren zu sorgen, bei angeschalteter Klimaanlage. Zum Vergleich: In Madrid konnte man seinerzeit die immer größere Verbreitung von Autoklimaanlagen leicht daran erkennen, dass plötzlich immer weniger Autos mit offenen Fenstern fuhren. Der Spanier scheint dann doch praktischer veranlagt zu sein.)

Die Ostsee sollte es werden für den diesjährigen Pfingsturlaub, so richtig Theodor Fontane. Ich hatte mich auch schon bei erfahrenen Ostseeurlaubern nach Tipps und Hinweisen erkundigt sowie Anreisemöglichkeiten recherchiert. Doch als es Anfang April ans konkrete Buchen ging, knickte ich ein: Ich hatte so große Sehnsucht nach mediterranen Düften, nach dem Geruch von Pinien und Eukalyptusbäumen in der Mittagshitze, nach Rosmarin und Thymian. Außerdem gestand ich mir, dass ich nach vielen Jahren (15?) mal wieder klassischen Sommerurlaub wollte, also einen, in dem ich Sommerkleidung würde tragen können und tatenlos an einem Strand herumliegen, auf ein Meer hinausschauen, lesen.

Jetzt pressierten allerdings die Entscheidungen: Wohin? Ich befragte das Twitter-Orakel, das mir am überzeugendsten Sardinien nahelegte: An Pfingsten noch nicht überlaufen, schöne Strände, ausgezeichnetes Essen, sehenswerte Gegend. Viel Auswahl hatten wir so kurzfristig und für die gefragten Pfingstferien (der Reisebegleiter ist Lehrer) nicht mehr, nahmen sogar die Hilfe eines Reisebüros in Anspruch (wo uns die Angestellte allen Ernstes erst mal beschimpfte, weil wir so kurzfristig kamen – das hätten wir uns doch wirklich früher überlegen können, den Termin der Pfingstferien kenne man doch schließlich lange genug vorher; ohne die beruhigenden Gesten des Reisebegleiters wäre ich sofort wieder gegangen).

So wurde es der Nordosten Sardiniens, außerdem ein Hotel in den Bergen mit Halbpension sowie eigener Badebucht in 15 Fußminuten Entfernung.

Sardisches Lebenszeichen

Freitag, 4. Juni 2010

Wer kommt denn auch auf die Idee, dass ein Vier-Sterne-Hotel der hoeherpreisigen Art keinen Internetzugang haben koennte? Und zwar nicht im Sinne von kein W-LAN oder keinen kostenlosen Zugang, sondern im Sinne von ueberhaupt nicht. Einmal am Tag roame ich fuer vermutlich Hoellengebuehren ueber Iphone ins Internet, um zumindest meine private Mail zu lesen (den beruflichen Blackberry habe ich vermeintlich brav, aber dann doch leichtfertig daheim gelassen), das war’s. Nun hat man mir den Weg in eine Einkaufsanlage gewiesen, nur zehn Autominuten vom Hotel entfernt, in der ich etwas mehr ins Internet gucken kann. Zumal mir ja ganz offensichtlich hinterruecks mein Staatsoberhaupt abhanden gekommen ist.

Ab Montag gibt es Fotos und Bericht. Dieser Teil meines Urlaubsplans ist ja zum Glueck aufgegangen: Ich habe Sonne, fast schon Sommer, fuehre meinen ersten Bikini seit geschaetzten zehn Jahren aus (naemlich genau auf der Sonnenliege am Pool, von dort ins Wasser und wieder zurueck – alle anderen Wege gehe ich erheblich verhuellter), esse Fisch und trinke verschiedene Vermentinos.

Halten Sie mir die Treue.