Sardinien 2

Dienstag, 8. Juni 2010 um 18:36

Den Nordosten Sardiniens hat ja bekanntlich Aga Khan erfunden, damals in den 60ern, inklusive dem „sardischen“ Baustil (so wird er in Prospekten genannt), den auch unser Hotel hatte. Fast alle Orte in dieser Ecke der Insel sind also Retortensiedlungen für den Fremdenverkehr. Dahinter steckt viel Sorgfalt, die Bausünden zum Beispiel der spanischen Costa del Sol zu vermeiden: Die Gebäude sind klein, verschachtelt und niedlich, verwaschen verputzt, sehr gepflegt – inklusive den Grünanlagen. Gleichzeitig haben die Dörfer dadurch etwas von Disneyland. Einem andalusischgriechischitalienischen Disneyland mit deutlich mexikanischem Einschlag. Zu den Folgen gehören empfindlich hohe Preise: Die kleinste Eisportion, die in München etwa zwei Kugeln entspräche, kostete zwischen 2,50 und 3,50 Euro; die billigste Sonnenmilch im Supermarkt kam auf 15,60 Euro (ich habe heute zum Spaß im nächstgelegenen Münchner Drogeriemarkt nachgesehen: 7,50 Euro).

Einiges weist darauf hin, dass der Osten Sardiniens viel reizvoller und interessanter ist – zum Beispiel der Urlaubsbericht von Frau Kittykoma, die wir leider knapp verpasst haben. Auch der Süden Sardiniens muss sehr reizvoll sein. Wir hingegen sahen uns in unserer nordöstlichen Gegend und in der gesamten Provinz Gallura ein wenig um. Die Ortschaften sind oft so gesichtslos dröge, dass ich zu dem Verdacht neige, das Erfinden eines „sardischen“ Stils könnte für die Region eine Bereicherung gewesen sein. Vielleicht waren wir aber nur ungeschickt bei unserem Umsehen: In Arzachena hielten wir uns zwischen 15 und 16 Uhr auf, also noch während der Mittagspause. Möglicherweise wäre der völlig ausgestorbene Ort, in dem die Schaufenster eines Drittels der Geschäfte mit Zeitungspapier verklebt waren, eine halbe Stunde später zu quirligem Leben erwacht.

Nach Sassari, der zweitgrößten Stadt Sardiniens, fuhren wir ausgerechnet am 2. Juni, dem italienischen Nationalfeiertag: Selbst Cafés und Restaurants waren geschlossen, auf den Straßen irrten nur einige wenige versprengte Touristen wie wir herum. Halt: Ein Café war sogar geöffnet, am Hauptplatz, und servierte uns Cappuccino. Einheimisches Leben entdeckten wir dann doch: Im Stadtpark fand ein Wohltätigkeitsbasar statt, auf dem Vereine von Pfadfindern bis Rotem Kreuz und Stadtteilbürgerschaften Selbstgebasteltes anboten.

Richtig Atmosphäre hingegen hatte die Provinzhauptstadt der Gallura, Tempio Pausania: Als wir hier den späten Nachmittag verbrachten, waren die Gassen zwischen den charakteristischen Granithäusern voller geschäftiger Bewohner – ich fühlte mich fast wie ein Eindringling.

Doch für Besichtigungen und Ausflüge waren wir ja eigentlich gar nicht nach Sardinien gekommen – wir wollten Faulenzen. Zumal die Insel ganz schön groß ist und zudem bergig: Ausflüge hatten immer den Preis ziemlich langer Autofahrten.

Wir genossen also die Sonne, die außer an zwei extrem windigen Tagen schien, an den letzten beiden Tagen unseres Aufenthalts sogar für richtig heftige Hitze sorgte.
(Fortsetzung folgt.)

Arzachena mit einem der witterungsgeformten Granitfelsen, von denen es an vielen Stellen bizarre Varianten gibt:

Die Treppe hinunter zum entvölkerten Hauptplatz von Arzachena:

Der stillgelegte Bahnhof von Tempio Pausania, der allerbuchs als die eine Sehenswürdigkeit der Stadt neben der Hauptkirche gilt (wegen Wandgemälden im Innen, das versperrt war):

Granithaus in Tempio Pausania:

Menschenleeres Sassari in hübsch:

In zumindest malerisch:

In eigentlich typisch und authentisch (rechts vom Bildausschnitt trafen wir auf den zweiten offenen Laden der Stadt – ein Telefonie- und Internetkabuff):

Das erfundene Sardinien in Porto Cervo:

Selbst an Kirchen wurde gedacht in den Besucherdörfern der Costa Smeralda. Es ist eher das Fehlen eines Details, das die Orte als Trugbilder entlarvt: Keine Friedhöfe.

die Kaltmamsell

2 Kommentare zu „Sardinien 2“

  1. Bolliskitchen meint:

    wahrscheinlich werfen die die Toten ins Meer…

  2. kittykoma meint:

    da sterben doch nur ausländer, die in verlöteten zinksärgen in die heimat geflogen werden. ;)

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