Journal Mittwoch, 7. Juli 2010
Donnerstag, 8. Juli 2010 um 6:54Ein Geschäftstermin brachte mich in die Peripherie Münchens, in der Fuchs und Hase nicht tot überm Zaun hängen möchten.
Auf dem Rückweg bewies ich meine Fähigkeit zu wohlerzogenem und unbockigem Verhalten: Ich blockte das Fußballgespräch des Taxifahrers nicht ab, sondern lieferte ihm durch freundliches „Aha!“, „Ja sowas“, „Schau ma mal“, „Des werd scho“ sowie punktgenaues Lachen Sprechanlass. (Später blaffte ich allerdings eine Kollegin auf ihre Frage „Und wo schaust du heute Fußball?“ mit „Nicht!“ an.)
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Beim Mittagessen in der Kantine mit einer entfernten Kollegin abstruse Geschäftsmodelle fürs Unternehmen durchgeblödelt. Mit richtig Fachkundigen macht sowas ausgesprochen Spaß.
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Ich brauchte einen neuen großen Koffer. Für erste Erkundigungen ging ich nach Feierabend zum Hertie am Hauptbahnhof (sdoch mir wurscht, unter welchen wechselnden Namen dieses schöne Kaufhaus firmiert), weil ich dort wiederholt gute Erfahrung mit Fachberatung gemacht hatte (Haushaltselektronik, Kurzwaren, Geschirr). Ich sah mich erst mal gründlich unter der großen Auswahl um, bis ich das Hilfeangebot einer jungen Angestellten annahm. Sie war phä-no-me-nal. Im Laufe der Beratung erfuhr ich nicht nur alles über den Stand der Kofferforschung, und das praktisch ohne jedes Marketing-Sprech, sondern auch über internationale Reisevorschriften samt einem Ausblick auf künftige Entwicklungen, über die Vorlieben Münchner Käufer in den vergangenen zehn Jahren, über Kauftendenzen ausländischer Touristen in den Sommermonaten und die Erfahrungen von verschiedenen Nutzern des Modells, das sie mir nach meinen Angaben (möglichst lange Haltbarkeit bei anständigem Aussehen und guter Funktionalität) empfahl. Ich fühlte mich in dieser halben Stunde so umfassend informiert, dass ich ihrer Empfehlung auf der Stelle folgte. Jetzt besitze ich diesen Koffer und werde nie wieder unbefangen ein laufendes Gepäckband betrachten können. Ich bin ganz sicher, meine Fachberaterin errät nach jedem Flug, welches Gepäck zu welchem Passagier gehört.
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Flaubert’s Parrot nach 80 Seiten aufgegeben: Alle Details von Flaubert’s Biografie und deren Rezeption, erzählt von einem fiktiven Fan, interessieren mich auch im zweiten Anlauf nicht die Bohne. Wenn ich mich recht entsinne, hat mir Julian Barnes seinerzeit mit diesem Buch (nach Metroland, A History of the World in 10 1/2 Chapters und Before she met me) derart das Kraut ausgeschüttet, dass ich seither keine weiteren von ihm gelesen habe. Statt dessen Ian McEwans Erstling.
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Mein ruhiges nächtliches Draußen (nobody expects the Spanish inquisition) informierte mich, dass ich die Fußballweltmeisterschaft in den nächsten Tagen werde einfacher ignorieren können als bisher. Mal sehen, ob ich nicht sogar die etwa 20 Twitterer bereits jetzt zurück in meine Timeline holen kann, die ich wegen ihres überwiegenden Fußballgetwitters vorübergehend rausgeworfen hatte.
die Kaltmamsell4 Kommentare zu „Journal Mittwoch, 7. Juli 2010“
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8. Juli 2010 um 10:08
Also, Ihr Tagebuchbloggen macht mir ja wirklich großen Spaß, aber wir hier in der Münchener Peripherie schätzen es nicht sehr, immer Peripherie genannt zu werden.
Ich weiß schon, dass sich jeder Ort, den man von München aus nicht mit der U-Bahn erreichen kann, fast wie Ausland anfühlt, aber trotzdem.
(Und das musste ich mal loswerden und das hat wirklich nur zum Teil mit Ihnen zu tun, sorry.)
8. Juli 2010 um 10:24
Liebe Landschaftsurbanisiererin,
wie hätten Sie es denn gern ? Speckgürtel-Hocker? Autobahnverstopfer ? Dauer-Pendler ? Kulturlandschaftszerstörer ? beinah-aber-doch-irgendwie-nicht-Münchner ?
Gut, dass die werte Frau Kaltmamsell deutlich höflicher und zuvorkommender ist und es nur “Peripherie” nennt. Das klingt ja fast noch, als würdet Ihr dazugehören…
8. Juli 2010 um 11:31
Wer im Industriegebiet (das wäre das passende Synonym, Mondhamster) auch noch WOHNT, müsste Spott eigentlich gewohnt sein.
8. Juli 2010 um 23:28
Sehr geehrte Kaltmamsell,
da ich auch bald einen neuen Koffer in dieser Größe kaufen muss, wäre ich doch an den Erkenntnissen bezüglich des Standes der Kofferforschung und bezüglich internationalen Reisevorschriften samt dem Ausblick auf künftige Entwicklungen interessiert.
Ich amüsiere mich übrigens am Gepäckband gerne über die Massen, die schwarze und dunkelblaue Koffer kaufen und diese dann mit Bändchen, Aufklebern etc. individualisieren müssen. Da trauere ich jetzt schon meinem pflaumenblauen Samsonite nach, den ich leider durch häufiges Beladen bis zum Anschlag jetzt leicht demoliert habe.
Grüße vom Bodensee
Constantia