Archiv für August 2010

Journal Brighton, Samstag, 14. August 2010

Sonntag, 15. August 2010

Früh aufgestanden, um die Wohnung noch ganz besuchsfein zu machen. S-Bahn zum Flughafen problemlos, Frühstück mit Blick aufs Rollfeld, Flug fast pünktlich. Wir landeten in Heathrow, weil es vor drei Monaten keinen Flug mehr zum erheblich günstiger gelegenen Gatwick gab, der eine urlaubsadäquate Abreisezeit ermöglicht hätte.

Auf der zweistündigen Busfahrt nach Brighton regnete es größtenteils Schusterbuben, doch 15 Minuten vor Ankunft war Schluss damit: Wir spazierten vom Busbahnhof in schönster Sonne zu unserem Apartment in einem denkmalgeschützten Haus an der Seafront von Hove (gehört zu Brighton). Dieses war eine angenehme Überraschung: Das Wohnzimmer erheblich geräumiger als erwartet, große Fenster hinaus auf die Strandpromenade (genauer auf die Straße davor), Bad allerdings winzig, aber Schlafzimmer und Küche licht und sauber.

Nach dem Auspacken setzten wir uns ins nächstgelegene Pub zu einem schönen Pint. Unseren Hunger stillten wir dem chinesischen Lokal China China (ahem…), das wir letztes Jahr entdeckt hatten: Karg eingerichtet, immer überfüllt (vor allem mit asiatischem Volk), sehr unterschiedliche und authentisch wirkende Gerichte zu ausgesprochen günstigen Preisen.

Hierzu kam dann noch Ente mit gebratenen Udon-Nudeln. Das Gericht in der Suppenschüssel ist „Pork with preserved Duck Egg Porridge“, wobei das Porridge aus Reis war – ungewöhnlich und sehr schmackhaft. Links sieht man Pak Choi in Knoblauchsoße, rechts gegrillte Spare Ribs.

Und nun wollen sicher alle wissen, wie es um die Ruine des West Pier bestellt ist.

Sie steht noch und macht auf malerisch.

Journal Freitag, 13. August 2010

Samstag, 14. August 2010

Endlich, endlich eine wirklich herzerfrischende Stepaerobicstunde. Freitag 9.30 Uhr geht nunmal nur, wenn ich Urlaub habe. Dieser Vorturner denkt sich nicht nur gute Choreografien aus, sondern baut sie auch sinnvoll auf. Und es reicht wirklich ein kurzes „Achtung, Variante!“, damit ich ihm mit reinem Hinschauen folge – ich kann es nicht ausstehen, wenn eine Vorturnerin lautlos variiert und von mir erwartet, dass ich das schon mitbekommen werde. Diese Stunde ist immer eine sehr fröhliche Angelegenheit. Der Vorturner rät: „Und wenn ihr durcheinander kommt – einfach improvisieren!“ Wenn wir Hopserinnen eine Variation erst mal hoffnungslos vermasseln, jede an einer anderen Stelle ihres Steps landet – dann lacht sich der junge Mann durchaus auch mal von Herzen kaputt. (Um das Stück Choreografie anschließend in halbem Tempo durchzugehen, bis jede mitkommen kann.)

Neben mir turnte eine Ballerina: Ihre stereotype Figur, Kleidung und Haltung sowie ihre Art der Bewegung waren unverkennbar. Schade nur, dass sie zwar jeden Kick so hoch machte, dass sie sich schier mit dem Knie die Zähne ausschlug, dennoch aber keine rechte Freud‘ zu haben schien: Sie erfasste die Choreografie meist nicht so schnell wie die Umstehenden und ärgerte sich darüber sehr.1

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Anschließend frühstückte ich genüsslich im Café Wiener Platz (sehr gutes Bircher Muesli) und las eine Geschichte von A.L. Kennedy.

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Sehr viel Geld gespart: Die Halskette (sehr lang mit geflochtenem roten Leder, Silber, Anhängern und Gebämsel) im Schaufenster des Haidhauser Kruschtladens, in dem kein einziges Preisschild zu sehen war, der dafür durchdringend nach nassem Hund roch – könnte an den beiden großen Wauzis in der Tür gelegen haben – hätte 800 Euro gekostet. Außerdem nutzte ich den freien Tag, um in einem Einrichtungsladen im Lehel nach einer niedrigen Stehlampe zu fragen, die mir seit Monaten beim Vorbeifahren mit der Tram auffällt: 1.080 Euro. Wie sagt der Spanier gerne bei unfassbar hohen Preisen: „¿Tiene música?“ Da fielen die Fluoritkette mit Silber (140 Euro) und die riesigen silbernen Creolen (69 Euro) in dem Laden im Tal gar nicht mehr ins Gewicht, die ich ebenso wenig kaufte. Über den Daumen habe ich gestern also etwa 2.000 Euro gespart. Die ich logischerweise statt dessen in Brighton verprassen kann.

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Daheim Häuslichkeiten, die meiner Mutter einen möglichst schönen Aufenthalt in unserer Wohnung verschaffen sollen: Siffigen Kühlschrank abgetaut und gereinigt (dabei Lichtschalter ausgehebelt), für frisches Bettzeug und fluffige Handtücher gesorgt, tote Glühbirnen im Badkronleuchter ersetzt, verstopften Badabfluss entstopft.

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Schöne grafische Darstellung der Google-Street-View-Nutzer.

via katjaberlins Gezwitscher

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Ich lästere ja oft und gerne über die Kosmetikindustrie und ihre hanebüchenen Versprechen. Nun muss ich ein kleines Bisschen Abbitte tun: Es gibt Bereiche echten Fortschritts. Als da wäre: Der Nagellack, den ich mir heuer nach vielen Jahren Abstinenz aus einer Laune heraus gekauft habe.

Es reicht eine Schicht auf den Fußnägeln, und der hält tatsächlich die versprochenen sieben Tage völlig Schrammen- und Abrieb-frei – selbst in geschlossenen Schuhen. Ich vermute eine Kooperation mit der Automobilindustrie.

Geben Sie mir noch fünf bis zehn Jahre regelmäßigen Übens, dann habe ich auch die Kleckerei wegtrainiert.

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Den Abend mit einer langjährigen Freundin über israelischem Essen verbracht. Erfahren, dass sie (Jahrgang 1968) noch einen Knicks zur Begrüßung anerzogen bekommen hat. Erst da erinnerte ich mich daran, mit welcher Leidenschaft meine Mutter sich seinerzeit gegen Knicks / Diener ausgesprochen hatte, weil altmodisch, unangemessen: Das sei der Begrüßung gekrönter Häupter und ihres Herrgotts vorbehalten. Was ich noch nie bedacht hatte: Wann hört man als junges Mädchen damit auf? Ist das auch Teil der Erziehung? Die Freundin erzählte, dass es sie große Anstrengung gekostet habe, sich das Knicksen wieder abzugewöhnen.

Entdeckung des Abends: Israelischer Riesling, genauer Gamla White Riesling.

  1. Mir ist klar, dass dieses Thema nur geschätzte 0,02 Prozent meiner Leserschaft interessiert – huhu Midori! []

Journal Donnerstag, 12. August 2010

Freitag, 13. August 2010

Regen am Morgen.

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Jobs und Schreibtisch urlaubsfertig gemacht. Endlich mal wieder gründlich Ablage – die wie immer darauf hinaus lief, dass ich zwei Drittel des Papiers auf meinem Schreibtisch wegwarf, ein Drittel in Ordner sortierte. Bin entschlossen, nur am Freitag noch auf den Berufsblackberry zu gucken, ihn aber auf die Reise nicht mitzunehmen.

Werkstudent (= studentische Aushilfe auf Stundenbasis), der seinen letzten Tag hatte und jetzt seine Diplomarbeit schreiben wird, kam vorbei um sich zu verabschieden. Wir unterhielten uns ein Weilchen: Sehr interessant, wie er uns als Abteilung und als Firma wahrgenommen hat.

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Medizinische Muckibude, dann Treffen mit befreundender Kollegin beim Vietnamesen und entsprechend vergnüglicher Abend.

Journal Mittwoch, 11. August 2010

Donnerstag, 12. August 2010

Datenschutz im Internet scheint fast ausschließlich emotional diskutiert zu werden, und genau so Google Street View: Jeder pickt sich die Argumente raus, die bei ihm die größten Emotionen auslösen und priorisiert sie. (Was natürlich der Mechanismus praktisch jeder Diskussion außer vielleicht von wissenschaftlichen ist.) Da ich vor allem den Nutzen und Spaß der Anwendung fühle, priorisiere ich das Argument der Panoramafreiheit: Wenn Google Gebäude nicht zeigen darf, selbst wenn Menschen auf demselben Bild sind, dürfen das Zeitungen und Fernsehen ja wohl künftig auch nicht mehr.

Um Leute wie Frau Schwadroneuse und mich hat sich der allzeit fürsorgliche Sascha Lobo gekümmert: Er hilft mit dem Google-Street-View-Widerspruch-Widerspruch. Gerührtester Dank.

Und Falk Lüke von der Verbraucherzentrale Bundesverband sagte gestern im ZDF-Morgenmagazin ziemlich Kluges dazu.

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Im Büro geackert wie ein Pferd, trotzdem nur zwei Punkte von der Jobliste streichen können. Ich sollte meine To-do-Listen kleinteiliger anlegen. Dafür DIN A0 verwenden.

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Heimfahrt an der Münchner Freiheit unterbrochen, um bei der Post einen Paketkarton zu kaufen. Nur, dass diese Post eine ehemalige ist und derzeit statt Menschen Bauschutt aufgereiht steht.

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Nach dem Aufhängen nasser Wäsche den Feierabend auf dem Balkon verbracht: Zeitung und Buch gelesen, bis das Tageslicht nicht mehr ausreichte. Mit Muttern telefoniert, die Brighton immer ganz herzerfrischend bayrisch „Brreitn“ ausspricht. Sie wird wieder „auf unsere Wohnung aufpassen“, also Münchenurlaub machen.

Journal Dienstag, 10. August 2010

Mittwoch, 11. August 2010

Thoroughly exhausted by my mood swings. To the bones.
Und das bei jemandem, deren Erziehung auf nichts so sehr wie auf Konsequenz geeicht war. Was sehr wahrscheinlich dazu beiträgt, dass ich Stimmungen nicht leicht nehmen kann. Denn wenn ich in einer Stimmung etwas angekündigt oder angefangen habe, muss ich es natürlich auch konsequent durchziehen – egal in welcher Stimmung ich später bin. Wer könnte sich dann wundern, dass ich mir soziale Kompatibilität nur durch weitgehenden Rückzug erarbeiten kann?

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Heftig gearbeitet, die nahende Urlaubswoche im Nacken. Dennoch rechtzeitig Schluss gemacht, um zum Turnen zu kommen. Bis zur Vollverschwitzung gehampelt, zum xten Mal den Umstand verflucht, dass in diesem meinen Studio Dienstag die einzige abendiche Stepstunde für Fortgeschrittene mit 60 Minuten Länge angeboten wird – denn die Vorturnerin verärgert mich eigentlich immer. Seit der letzten Stundenplanaktualisierung sind die meisten Stepstunden nur noch 30 Minuten lang, und die Stunden davor und danach Gymnastik- also keine Ausdauerstunden (also ist keine Verlängerung der Ausdauereinheit möglich). Was, bitte, kann man in 30 Minuten schon anstellen, ob Choreografie oder überhaupt Training?

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Vorspeisenplatte deckt auf: Die Campino-Lüge
Wir kennen ja wohl alle Campino-Bonbons („alle“ seien Menschen im gut abgehangenen Erwachsenenalter). Also durchsichtige, runde Bonbons in Gelb, Orange, Rot, Dunkellila (wobei die lilanen am seltensten und schon allein deshalb die besten waren). Ich behaupte, es gab auch mal weiße, der Mitbewohner bestreitet das. Dabei schmecke ich die weißen Campino-Bonbons regelmäßig aus Weinen raus. Q.e.d. Nun aber: Haben Sie letzthin mal nach Campino-Bonbons gesucht? Sie werden Erschütterndes vorfinden, denn mittlerweile werden völlig andere Bonbons unter diesem Namen verkauft. Die inhabende Firma Storck behauptet auch noch allen Ernstes:

Campino begeistert seit jeher alle Bonbon-Genießer, die einzigartig-fruchtige Geschmackserlebnisse lieben. Das Sonnenaroma süßer Früchte und frischer, kühl-cremiger Joghurt…

„Seit jeher“? „Joghurt“? Geschichtsklitterung ist das! Ich bin erschüttert, wenn nicht sogar empört. Und wo kriege ich jetzt die echten Campinos her?

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Die schönste Urlaubsvorbereitung:

Journal Montag, 9. August 2010

Dienstag, 10. August 2010

Aus gegebenem Anlass: Es ist mir so selbstverständlich, mir Selbsterinnerungen per E-Mail nach Hause zu schicken („Taschentücher fürs Büro!“, „Überweisung an Theater“, „Impfpass checken“) – oder Links zu Webinhalten, die auf dem Arbeitsrechner wegen restriktiver Einstellungen nicht laufen, dass ich mich frage, welche Alternativen andere Menschen nutzen. Früher habe ich mir aus der Arbeit Nachrichten auf den heimischen Anrufbeantworter gesprochen, noch früher mit Kuli Erinnerungen auf den Handrücken geschrieben – tut das etwa jemand noch?

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KRAHAISCH! Zwei meiner Kinolieblinge in einem Posting der Fugly-Damen: Maggie Gyllenhaal und wie-könnte-man-sie-nicht-lieben Emma Thompson.

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Beim Verlassen des Büros gemerkt, dass das ein schöner, sonniger und warmer Tag gewesen ist. Nichts davon mitbekommen.

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Nach einer Runde Gewichteheben zum vorgezogenen Treffen mit meiner Leserunde. Die Meinungen über Elizabeth Stouts Olive Kitteridge waren geteilt: Die meisten, mich eingeschlossen, mochten den Kurzgeschichtenzyklus sehr, vielleicht habe ich noch Lust, mehr darüber zu schreiben. Doch für andere standen die Geschichten zu disparat und gaben kein Ganzes.

Heimweg in lauer Nachtluft.

Journal Sonntag, 8. August 2010

Montag, 9. August 2010

Huch: Am Montagmorgen vergessen, auf den “Veröffentlichen”-Knopf zu klicken…

Ausgeschlafen bis nach sieben, Olive Kitteridge ausgelesen. Mal wieder Bagels gebacken, allerdings nach einem anderen Rezept als dem bisherigen: 500 gr Weizenmehl Type 550 / 7 gr Trockenhefe / 1 1/2 Teel Salz / 270 gr warmes Wasser (also weder Ei noch Öl im Teig), acht Minuten kochen vor dem Backen bei 200 Grad. Das Ergebnis hatte für meinen Geschmack eine zu dicke harte Schicht außen, aber das Öl kann man tatsächlich weglassen.

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Mit dem Isarlauf verspekulierte ich mich: Da es bedeckt war und immer wieder tröpfelte, schätzte ich, dass die Münchner den Tag als schlechtes Wetter einstufen und eher daheim bleiben würden. Ich wählte also als Laufstrecke die durch die Innenstadt, an Deutschem Museum, Müller‘schem Volksbad, Maximilianeum und Friedensengel vorbei. Doch die Münchner waren dort in Scharen, sowohl als Spaziergänger in Familienrottenformation als auch als Jogger allein, zu zweit und in Gruppen, als Radausflüger sowie als Radsportler, zudem als Sonntagsspaziergänger. Dazu gesellten sich Touristen.

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Es war Schweinsbraten geplant, und der Mitbewohner wies zurecht darauf hin, dass Schweinsbraten am Sonntag zum Mittagessen zu servieren sei. Er kümmerte sich, und so gab es einen hervorragenden Schweinsbraten vom Hermannsdorfer mit krachender Kruste und schöner dunkler Soße. Dazu tranken wir sizilianischen Villa Dorata, der gut passte. Die halbe Flasche Wein zum Mittagessen ohne spürbare Alkoholisierung weggesteckt. Ich sollte meine Besäufnisse einfach verschieben.

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Endlich ein paar längere Internetvideos angesehen, die ich mir schon länger für Mußestunden aufgehoben habe. Zum Beispiel:
Stephen Fry erzählt eine halbe Stunde, was er gerne schon als Jugendlicher gewusst hätte. Einigem stimme ich nicht zu (unter anderem der Empfehlung, sich selbst möglichst zu ignorieren), aber alles ist interessant.

via irgendeinem Twitter-Hinweis auf die Empfehlung von Stylespion

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Ein Stündchen gebügelt. Mir fiel eine Aussage von vor vielen Monaten ein, die mir seither im Kopf herumgeht. Ich kannte den Herrn eigentlich nicht, kann mich auch nicht mehr an die genauen Umstände erinnern; es war wohl irgendein geselliges Ereignis. Ich wusste allerdings, dass er materiell sehr gut gestellt war. Und dieser Herr erzählte, dass er keinen Gärtner und keine ständige Haushälterin beschäftige und darauf achte, möglichst oft Arbeiten an seinem Haus selbst zu erledigen. Er erklärte das damit, dass er nicht den Bezug zu seinen Dingen verlieren wolle. Zwar bügle ich immer noch nicht gerne, merkte aber gestern wieder, dass ich mich beim Bügeln durchaus an meinen schönen Kleidungsstücken freue, zum Beispiel an ihren Farben, dass ich auf Besonderheiten in ihrem Schnitt aufmerksam werde, die Zusammensetzung ihrer Gewebe genau kenne. Das gefällt mir. Meine Wohnung putzen lasse ich dennoch lieber andere.

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Eine trockene Stunde für einen Schaufensterbummel mit dem Mitbewohner genutzt. Die Innenstadt war dicht mit Touristen bevölkert, denen wir immer wieder aufs Foto liefen. Ich wohne seit fast 20 Jahren in touristisch beliebten Innenstädten und müsste auf zahllosen Besucherfotos Hintergrund sein.

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Schönheit liegt im Auge des Fotografen. In diesem Fall in dem von Zed Nelson und seiner Serie „Love me“.
via affectionista