Schwindende Plakatkunst?
Sonntag, 12. September 2010 um 7:55Seit ein paar Monaten irritiert mich immer wieder der Anblick der Großflächenplakate im U-Bahnhof Sendlinger Tor: Die meisten sind völlig verzerrt geklebt.
Als Kind blieb ich stehen und guckte, wenn an der Straße neue Plakate aufgeklebt wurden: Es sah für mich nach magischer Meisterschaft aus, wie die Männer aus den zusammengefalteten Einzelteilen mit Kleister und Schrubbern ein Bild zusammensetzten. Woran sahen die nur, wo sie die Kanten ansetzen mussten, damit sich ein faszinierend stimmiges Ganzes ergab? Und wie brachten sie den Kleister auf den darunterliegenden Plakaten und über dem frisch geklebten an, ohne sich von Kopf bis Fuß einzusauen (ich hatte von frühester Kindheit an beim Basteln ausgesprochen schlechte Erfahrungen mit Klebstoffen welcher Darreichungsform auch immer gemacht)? Dazu kam natürlich die Magie, dass die Bilder auf den Plakaten beim Näherkommen in bunte Punkte zerfielen.
Ist diese Kunst des stimmigen Zusammensetzens dem Nachwuchs verloren gegangen? Als ich Freitagnacht auf dem Heimweg mit dem Mitbewohner im U-Bahnhof darüber rätselte und Fotos vom Schlamassel aufnahm, blieb ein passierendes Paar neben uns stehen und diskutierte mit. Die beiden Herren zogen allerdings einen anderen Schluss aus dem Versatz: nicht genug Platz. Sie zogen in Erwägung, dass der Plakathersteller geschlampt haben könnte und die Plakate in falschen Maßen liefert. Andererseits glaube ich mich zu erinnern, dass zum Werkzeug der Plakatkleber ein Teppichmesser gehört, mit dem Überstehendes abgeschnitten wurde. So oder so: Als Plakatkunde würde ich mich beschweren. (Schrieb die Frau, die derzeit in der gesamten Lieferkette der Werbewelt von immer neuer Unprofessionalität überrascht wird.)
die Kaltmamsell11 Kommentare zu „Schwindende Plakatkunst?“
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12. September 2010 um 10:22
Pfui, sieht das übel aus.
Abschneiden wäre halt schwierig geworden. Die Reifen wären weg, die Altersvorsorge oder die Internetadresse.
Gibt bestimmt Ärger, dachte er. So lass ich halt was in der Mitte weg. Kann ja so wichtig nicht sein.
12. September 2010 um 12:52
Einerseits erhalten zumindest die Plakate (sicherlich unbeasichtigt, oder aber gar ein Forschungsprojekt?) irritierend-erhöhte Aufmerksamkeit in der Werbe-Überflutung, andererseits könnte es vielleicht schon ahnungsvoll die Einsicht eingeschränkter Versprechungen (Produkthaftung), pardon: Ver(h)schleißungen bedeuten ;-)..
Um so erfreulicher ist stetig meine Aufmerksamkeit Ihrer Auf-und Niederschriften!
12. September 2010 um 14:53
Das erste gefällt mir am besten! Frau ohne Nase hab ich in Berlin noch nicht gesehen. Bei den anderen ginge da aber noch mehr.
12. September 2010 um 17:44
na, das Auto sieht doch super windschnittig aus, oder? Mit Hut hat man da sicher keinen Platz mehr, sollte so die natürliche Auswahl für bestimmte Fahrertypen getroffen werden?
Spass bei Seite – ich finde auch, die Unprofessionalität steigt erschreckend in Deutschland, nicht nur in der Plakatierungsbranche! Wo bleibt die sprichwörtliche deutsche Qualität?
12. September 2010 um 18:44
Ich denke, der Grund ist derselbe, aus dem z.B. auch in Druckerzeugnissen immer mehr Typos bleiben – Zeitdruck, immer häufiger schnell wechselnde, rasch angelernte, unterbezahlte und/oder uninteressierte Leute. Das macht sich auch und gerade bei vermeintlich oder tatsächlich unkomplexen Tätigkeiten bemerkbar.
12. September 2010 um 22:38
Gefällt mir
dieses genau Hinschauen
und wundern
und aufschreiben!
12. September 2010 um 23:06
da ham ma`s wiedermal: facelifting als Altersvorsorge…tststs
13. September 2010 um 12:34
sie haben recht mit dem stanleymesser. das ist dazu da, die überstehenden teile eines plakates wegzuschneiden. weil ja die plakatflächen nicht immer so ganz genau din-format haben.
nun ist es aber so, dass es heutzutage immer schneller, schneller, schneller gehen muss, und deshalb kommen die plakatierer zu zweit, aber nicht so wie früher: ein handlanger, und einer der klebt, sondern beide kleben: einer (auf der leiter) von oben nach unten, der andere von unten nach oben. und in der mitte kann es sich dann eben manchmal nicht mehr ausgehen.
und nein, ich bin nicht so klug: aber hier nebenan wurde auch gerade affichiert, und als altgediente schwarzplakatiererin einerseits und gewista-beauftragerin andererseits frag ich natürlich. was auch nicht so einfach ist weil: ich kann weder albanisch noch nigerianisch noch türkisch. aber dafür immer noch ein wenig russisch, weshalb ich der einfachheit halber die zur einschulung anwesenden polen befragte, die mich wiederum ungern verstanden, dann aber doch (mit händen und füssen als hilfsmittel) beauskunfteten. zudem ward mir die nicht abwegige erklärung zuteil, dass zum beispiel (un)vollständige buchstaben menschen, die erstens sowieso nicht lesen und schreiben können und zweitens auch die sprache nicht beherrschen so ziemlich powidl sind. muss man ja auch verstehen.
toll übrigens auch die dreiecksständer für die wahlwerbung in der fussgängerzone: immer schön um die säulen mit den wenigen gackerlsackerlspendern herum, so dass auch ich, obwohl ja nicht unbedingt kleinwüchsig, ums verrecken nicht an die gackerlsackerln komme. die fünf säulen/bäume rechts und links daneben sind unbedreiecksständert, natürlich. auch hier kann ich aber mit einer schlüssigen erklärung aufwarten: die aufsteller der wahlwerbungsdreiecksständer sind leiderleider türken, und die mögen meist keine hunde, und deshalb hunde raus aus der stadt und strafen für hundebesitzer, die die gackerln wegen mangelnder gackerlsackerlerreichbarkeit nicht wegräumen. hat mir gerade: das bezirksamt erklärt, und wollte ich natürlich niemanden vorenthalten. irgendwie muss ja kohle ins staatssäckel.
ich glaub, ich geh mich jetzt ein klein wenig betrinken, und schiebe alle diese begründungen dann auf einen alptraum, weil: echt kann das alles ja eigentlich nicht sein, wenn ich mir das so recht überlege.
13. September 2010 um 13:59
Ganz großen Dank für die Erklärung, kelef, sowas hatte ich beforchten. Derzeit weiß ich aus Gründen, wie viel so eine Großplakatkampagne kostet: scheißviel. Wenn von diesem Geld nicht mal geschulte Plakatkleber bezahlt werden, verdient sich offensichtlich jemand ein edelmetalliertes Gesäß.
13. September 2010 um 19:12
Genau! Hiier hängt ein Hotelplakat mit einem schrecklich verstümmelten Heiner Lauterbach. sonst war aber da bisher alles in Ordnung.
Hm, vielleicht ist unterm Sendlinger Tor auch der Rahmen zu klein (ist es immer die selbe Wand?), zumindest könnte es lästig sein, die Oberkante hinter den Leuchten (heiß?) zu treffen. Schlaue Plakatmacher könnten das mit reinrechnen und den Äquator des Plakats für Belangloses reservieren (so wie man das auf Doppelseiten mit der Mitte macht) was bestimmt auch gelehrt wird. Aber da wird die Ausbildung ähnlich huddelig sein wie bei Plakatklebern.
14. September 2010 um 16:31
ich kann mich aus altersgründen noch an zeiten erinnern, da es tatsächlich plakatdruckereien gab, die derlei unzulänglichkeiten der zu befichierenden flächen mit einkalkulierten, und schon einmal einer agentur die vorlagen zurückdonnerten oder einfach den “rand” selber einbauten, weil sie der meinung waren das muss so, und recht hatten sie.
wenn ich so darüber nachdenke kommt mir übrigens zu bewusstsein, dass ich das automatisch so gemacht – und auch gepredigt – habe: bei welcher drucksache auch immer: rand zum wegschneiden muss sein. auch bei dina4-flugzetteln: es ist nicht opportun den geneigten flugzettel-in-der-hand-halter-und-leser dazu zu zwingen, das blatt mehrfach in der hand zu drehen und zu wenden, damit er auch das lesen kann was sein daumen fallweise notwendigerweise verdeckt. kommt in meinen lieblingspredigten gleich nach: ein anschreiben hat nur eine seite, und eine überschrift kein satz-, schon gar kein rufzeichen. ein betreff ist eine überschrift. wenn was gelesen werden soll bitte in: times new roman, 12 punkt (version für die besonders dummen, schon klar, aber: wenn man sich mit dem inhalt nicht plagen soll, dann schrift so allgemein wie möglich). man liest von links oben nach rechts unten – die wichtigen dinge stehen bitte immer in der mitte des absatzes, wenn’s leicht geht: zentriert. die automatische silbentrennung ist ein no go.
schickte ich doch einmal einen entwurf an die agentur zurück mit dem lapidaren vermerk: schusterbuben, hurenkinder et al. bitte entfernen. kriegte ich zurück: das satzstudio verbitte sich diese fäkalsprache. hätten die nicht tun sollen, um das einmal vorsichtig auszudrücken.