Archiv für Oktober 2010

Tag 24 – Ein Buch, von dem niemand gedacht hätte, dass du es liest/gelesen hast

Montag, 25. Oktober 2010

Wer mir bis hierher durch diesen Bücherfragebogen gefolgt ist, müsste gemerkt haben, dass ich eine unerstättliche Leserin war und – mit Abstrichen – immer noch bin. Was also mag es geben, das niemand als meine Lektüre erwarten würde?

Machen wir’s doch so: Ich schlage Ihnen drei Bücher vor, die ich gelesen habe und immer noch aufbewahre (was ich inzwischen nicht mehr mit Büchern tue, die ich weder mag noch als Nachschlagewerke sehe). Und Sie kreuzeln an, welches davon Sie am wenigsten in meinem Regal erwartet hätten.

1. Wolfgang Niedecken, Auskunft. Eine (Auto-)Biografie des Autors von 1990.

2. Harlan Ellison (ed.), Dangerous Visions. Eine Anthologie von Science Fiction-Kurzgeschichten, erschienen 1967.

3. Andreas Eschbach, Das Jesus Video (sic!), Thriller von 1998.

Welches Buch überrascht Sie am meisten?

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(Umfrage freundlicherweise gebastelt vom Blogheinzelmännchen, der gestern so viel zu arbeiten hatte, dass ich wusste, ich würde mit meiner Bitte um ein Umfragemaschinchen hoch willkommene Ablenkung schaffen.)

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Nachtrag am 26. Oktober 2010: Vielen Dank fürs Mitstimmen, meine Damen und Herren!

Der Niedecken gehört tatsächlich, wie Gaga vermutete, zu einer längst vergangenen Phase: Als junges Mädchen zog mich das Konzept hinter BAP an, die Texte und die Mundart sprachen zu mir, ich interessierte mich für die Musiker. Das waren schlicht meine 80er. Heute kann ich diese Vorliebe genauso wenig nachvollziehen wie meine damalige Gläubigkeit und den Genuss von Hermann-Hesse-Romanen. Beim Zusammenstellen der Bücher für diesen Fragebogenpunkt entdeckte ich noch zwei weitere BAP-Bücher: Sie sind alle drei auf dem Stapel mit den Ausgemusterten gelandet. (Falls jemand Interesse…?)

Ellison kennen vermutlich nicht allzu viele der Vorspeisenleser und -leserinnen. Ich habe hier mal eine Geschichte über ihn notiert. Als ich den Mitbewohner einst bat, mir doch etwas aus seinem Fachgebiet Science Fiction zu lesen zu geben, reichte er mir diesen Sammelband, den er als recht repräsentativ für das Genre bezeichnete. Mir gefielen viele der Ideen hinter den Geschichten, ich fand allerdings auch viele ziemlich schlecht geschrieben.

Das Jesus Video, das die meisten überrascht, ist gar nicht so schlecht, “guilty pleasure”, wie Anke es nennt, trifft das Lesegefühl recht gut. Ein Arbeitskollege empfahl es mir seinerzeit, soweit ich mich erinnere das einzige Mal, dass er mir ein Buch nahelegte. Und ich fühlte mich gut unterhalten, keineswegs schlechter als von einem Ken Follett.

Tag 23 – Das Buch in deinem Regal, das die wenigsten Seiten hat

Sonntag, 24. Oktober 2010

Das wäre eine schwierige Suche geworden: Bücher, die sich durch besondere Schmalheit auszeichnen, lassen sich in unserem großen Buchbestand nicht durch schlichtes Drüberschauen entdecken. Doch zufällig fiel mir kürzlich dieses Büchlein unter meinem Meter ungelesener Bücher in die Hände:

Alasdair Gray, Five Letters from an Eastern Empire, 54 Seiten. Da ich es noch nicht gelesen habe, kann ich wenig darüber sagen. Ein erstes Reinlesen lässt auf sehr Phantastisches schließen, und der Untertitel des Bandes lautet:

Describing etiquette, government, irrigation, education, clogs, kites, rumour, poetry, justice, massage, tower-planning, sex and ventriloquism in an obsolete nation

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Wer leitet da wessen Kultur?

Samstag, 23. Oktober 2010

Malte Welding macht sich in der Berliner Zeitung online ausgesprochen kluge Gedanken zur tatsächlichen Kultur in Deutschland.

„Merkel erklärt Multikulti für gescheitert” titeln die Zeitungen und für mich klingt das, als habe Angela Merkel gerade den Sommer verlängert, den Winter abgesagt oder die Wiedereinführung der Kinderlähmung beschlossen. Kann die Kanzlerin die Wirklichkeit in die Schranken weisen? Die Realität ist gescheitert, wir brauchen eine andere.

Wer an die Homogenität der Deutschen glaubt, der glaubt auch, Homosexualität sei eine Erfindung der Grünen. Wir sind in Wirklichkeit eine höchst zufällige Ansammlung von Einzelwesen, kein Volk von eineiigen Mehrlingen und das waren wir auch nie. Mein Leben war schon immer Multikulti, das Leben meiner Eltern war es, das Leben ihrer Eltern erst recht.
(…)
So leid es mir tut, und so schwer es meine Arbeit als Mensch und Mitbewohner macht: Ethnie, sexuelle Glaubensrichtung, Hautfarbe, sogar Geschlecht: all diese beliebten Unterscheidungsmerkmale bieten keinen Hinweis darauf, wie ein Mensch ist.
(…)
Bin ich gleichgültig? Aber sicher! Die allermeisten Menschen sind nicht ich, was ich für einen Fehler halte, aber für verzeihlich. Wenn Idiot sein ein Aufenthaltshindernis wäre und ich die Kriterien aufstellen dürfte, was einen zum Idioten macht, dann wäre Deutschland entvölkert.
(…)
Multikulti ist nicht toll und bunt und friedlich, kein Karneval der Kulturen, kein fabelhaftes Essen beim Tibeter. Es kann ein ganz und gar unerfreuliches Gewirr sein, ein Taumeln zwischen Wilhelm und Wassili. Multikulti ist kein Sommerausflug mit dem Völkerverständigungsverein. Multikulti ist bloß: die Wirklichkeit.

Wie die meisten seiner Texte durchsetzt mit Beispielen aus Malte Weldings Lebens- und Familiengeschichte. Herzliche Leseempfehlung des ganzen Artikels.

Tag 22 – Das Buch in deinem Regal, das die meisten Seiten hat

Samstag, 23. Oktober 2010

Nina Baym, Wayne Franklin, Ronald Gottesman et al. (ed.), The Norton Anthology of American Literature, 4th, Volume 1, New York, London 1994. Hat 2538 Seiten und steht in der Regalwand mit den Nachschlagewerken, Fachbüchern und Anthologien (rechts).

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Lieblingstweets der letzten Wochen

Freitag, 22. Oktober 2010

Allerdings kommt es mir so vor, als hätte dieses new twitter einige meiner Favoriten der letzten Zeit gefressen.

Tag 21 – Das blödeste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast

Freitag, 22. Oktober 2010

Dieses Kriterium bereitete mir bislang am meisten Mühe. Zwar habe ich einige Schullektüren als öde abgespeichert (z.B. Schillers Die Verschwörung des Fiesco zu Genua und Kleists Prinz von Homburg), außerdem habe ich ein grundsätzliches Problem mit Lyrik. Aber „blöd“? Ich sichtete unser Regal mit den Reclamheften, wo ich vergessene Schullektüre vermutete. Nu, Tacitus, Agricola, war öde bis zur echten Lästigkeit. Und dann auch noch Latein. Daran interessierte mich überhaupt nichts.

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Tag 20 – Das beste Buch, das du während der Schulzeit als Lektüre gelesen hast

Donnerstag, 21. Oktober 2010

Ich weiß ja noch immer nicht, was in meinen 13 Jahren Unterricht schief gelaufen ist, dass sie mir kein einziges Buch vermiest haben. Manche Schullektüre fand ich eher anstrengend als erfreulich, aber insgesamt war mir alles willkommen, was man uns dort lesen hieß. (Ich gehörte zu den Schülerinnen, die in den ersten Wochen des Schuljahres in Unter- und Mittelstufe heimlich unter der Bank das Lesebuch auslasen – Geschichten!) Mich hat die Lektüre im Deutsch- und Englischunterricht ausgesprochen bereichtert, auch von dem in Latein und Griechisch Gelesenen profitiere ich bis heute. Pervers.

In Deutschland ist nunmal gesetzt, dass Literaturunterricht Leselust erstickt, dass die Analyse eines literarischen Werkes in der Schule zu einer Ablehnung dieses Werkes führt. Ob wohl Musikunterricht und Kunstunterricht dieselbe Macht über Musikstücke und Kunstwerke haben? In England gibt es diesen Konsens über Literaturunterricht übrigens nicht. Dort lesen auch Erwachsene noch gerne Austen und Brontë, selbst wenn sie die Bücher der Autorinnen ausführlich in der Schule besprochen haben. Mich interessierte möglicherweise bereits als Schülerin nicht nur, ob eine Geschichte langweilig oder spannend war, sondern auch warum. Und was hinter den Inhalten stand, die ich nicht verstand.

Ich mochte Faust, ich mochte The Catcher in die Rye – wobei ich letzteres im Rahmen des kleinsten Leistungskurses des Jahrgangs in einer Gruppe von Sechsen las. Wir Schüler bekamen auch die deutsche Übersetzung von Heinrich Böll zugefüttert, fanden sie total daneben und trafen uns nach der Schule, um selbst eine bessere Übersetzung anzufertigen (oh wunderbares Alter, in dem man noch alles kann). Diese Initiative lehrte uns sehr schnell und am praktischen Beispiel, wie verdammt vielschichtig und schwer literarische Übersetzungen sind – ohne dass die Lehrerin (eine frankophile Dame, die wir weitgehend ignorierten) uns das beibringen musste.

Welche Schullektüre mochte ich also am liebsten? Walter Kempowski, Tadellöser und Wolff. Deutschlehrer Robert Köhler las es mit uns in der 10. Klasse, und ich bilde mir ein, dass ich zum ersten Mal den Eindruck hatte, im Unterricht ein Buch für zeitgenössische Erwachsene zu lesen. Ich fraß es in einem Happs, mir war mit 15 die gutbürgerliche norddeutsche Welt, in der der Roman spielte, völlig neu. Im Unterricht sprachen wir dann über die ungewöhnliche Erzählweise, woher die Sprüche des Vaters kamen, ein wenig über den historischen Hintergrund. Und die ganze Klasse streute wochenlang „Immerhinque!“ und „Fiss biste patzt“ in die Unterhaltungen ein.

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