Glücklichmacherin
Montag, 11. Oktober 2010Der Eindruck mag natürlich davon herrühren, dass die Feinkostabteilung des Kaufhofs am Marienplatz der Lebensmittelladen ist, in dem ich prozentual am häufigsten einkaufe, doch: Das Kassenpersonal dort ist besonders. Mir kommt es vor, als arbeiteten dort nur Originale jeden Alters und jeder Herkunft, bei jedem vermute ich eine wirklich interessante Lebensgeschichte. Der Herr mit dem Aussehen eines türkischen Obstladenbesitzers, der mich jedesmal mit einem Lächeln begrüßt, als kenne er mich schon ewig. Die Endfünfzigerin mit Brille, die ich trotz osteuropäischen Akzents sofort in einer italienischen Küche vor mir sehe, umwuselt von Enkeln, denen sie köstliche Pastagerichte kocht. Dann wieder die recht abgekämpft aussehende Dame im selben Alter mit sorgsam gefertigter Hochsteckfrisur und ebenfalls osteuropäischem Akzent, die ich mir – vermutlich wegen ihres auffallend elaborierten Vokabulars und Satzbaus sowie wegen des weißen Kittels – als Professorin in einem Chemielabor vorstelle, 30 Laboranten und Laborantinnen dirigierend.
Und am Samstag traf ich auf eine Glücklichmacherin. An der Kasse saß eine Frau mittleren Alters mit ganz vielen blondierten Löckchen. Sie strahlte eine Ruhe aus, die ich mir gerne für die Tage vor einer Präsentation oder vor der Leitung eines Workshops auf Flaschen ziehen würde. Sie lächelte wie Guinan hinter der Bar der USS Enterprise, als sie meine Einkäufe über den Scanner zog. Und als ein junges Mädchen sich auf der falschen Seite anstellte, sie sie darauf hinwies und sich das Mädchen errötend entschuldigte, beruhigte sie sie mit leichtem nicht-deutschen Akzent: „Nichts passiert, Schätzchen. Macht gar nichts, Goldstück.“ Ich strahlte vermutlich noch, als ich am Sendlinger Tor aus der U-Bahn stieg.