Wer leitet da wessen Kultur?

Samstag, 23. Oktober 2010 um 21:52

Malte Welding macht sich in der Berliner Zeitung online ausgesprochen kluge Gedanken zur tatsächlichen Kultur in Deutschland.

„Merkel erklärt Multikulti für gescheitert” titeln die Zeitungen und für mich klingt das, als habe Angela Merkel gerade den Sommer verlängert, den Winter abgesagt oder die Wiedereinführung der Kinderlähmung beschlossen. Kann die Kanzlerin die Wirklichkeit in die Schranken weisen? Die Realität ist gescheitert, wir brauchen eine andere.

Wer an die Homogenität der Deutschen glaubt, der glaubt auch, Homosexualität sei eine Erfindung der Grünen. Wir sind in Wirklichkeit eine höchst zufällige Ansammlung von Einzelwesen, kein Volk von eineiigen Mehrlingen und das waren wir auch nie. Mein Leben war schon immer Multikulti, das Leben meiner Eltern war es, das Leben ihrer Eltern erst recht.
(…)
So leid es mir tut, und so schwer es meine Arbeit als Mensch und Mitbewohner macht: Ethnie, sexuelle Glaubensrichtung, Hautfarbe, sogar Geschlecht: all diese beliebten Unterscheidungsmerkmale bieten keinen Hinweis darauf, wie ein Mensch ist.
(…)
Bin ich gleichgültig? Aber sicher! Die allermeisten Menschen sind nicht ich, was ich für einen Fehler halte, aber für verzeihlich. Wenn Idiot sein ein Aufenthaltshindernis wäre und ich die Kriterien aufstellen dürfte, was einen zum Idioten macht, dann wäre Deutschland entvölkert.
(…)
Multikulti ist nicht toll und bunt und friedlich, kein Karneval der Kulturen, kein fabelhaftes Essen beim Tibeter. Es kann ein ganz und gar unerfreuliches Gewirr sein, ein Taumeln zwischen Wilhelm und Wassili. Multikulti ist kein Sommerausflug mit dem Völkerverständigungsverein. Multikulti ist bloß: die Wirklichkeit.

Wie die meisten seiner Texte durchsetzt mit Beispielen aus Malte Weldings Lebens- und Familiengeschichte. Herzliche Leseempfehlung des ganzen Artikels.

die Kaltmamsell

6 Kommentare zu „Wer leitet da wessen Kultur?“

  1. croco meint:

    Multikulti ist kein Straßenfest.
    Und der Artikel ist sehr gut, dankeschön.

    Der Rheinländer kürzt das Resumee ab:
    Lewwe und lewwe loose, leben und leben lassen.

  2. Klaus-Peter Baumgardt meint:

    Das mit der Leitkultur ist halt schon schwierig. Wenn Kultur sich von Kultus/Kult ableitet, also Götter- und Götzenverehrung einerseits, und “Verfeinerung” gleichzeitig sein sollte.

    Und Deutschland ist vielleicht ein Konglomerat von was auch immer – Deutsch ist auch Sprache, Sprachgemeinschaft. Na ja, mehr Sprache als Gemeinschaft.
    Es sind ja auch schon Sprachen ausgestorben. Und Früher hatte unsere Bildungselite noch Latein- und Griechischkenntnisse. Unsere Philosophen allemal. Aber für die interessieren sich weder die Alteingesessenen noch die Zugereisten.

    Multikulti ist kein Straßenfest, und auch kein Grund zu feiern. Kann ja noch werden.

  3. iv meint:

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    Gerne gelesen

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  4. MonikaZH meint:

    Leben und leben lassen, eben. Ist nur grad nicht Mode, das.

  5. ilse meint:

    es ist schön, wenn der Schmerz nachlässt, den das Politikergeschwätz verursacht.
    Ach – und Quentin Crisp ist fabelhaft.

  6. Ralph meint:

    Schöner Text, danke für’s finden!

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