Sopitas
Dienstag, 9. November 2010 um 10:12In Food-Fragebögen taucht regelmäßig die Frage nach einem Gericht auf, das an die Kindheit erinnert. Erst vor Kurzem ist mir die Antwort darauf eingefallen: sopitas. So nannte mein Vater das Frühstück, das er mir hin und wieder machte: Klein geschnittenes altes Brot, das er mit warmer, zuckersüßer Milch oder mit (löslichem) Kakao übergoss.
Durch meine Familie verlief ein tiefer Graben: Während mein Bruder und meine Mutter Langschläfer waren, die nur durch äußeren Anstoß zum Beenden ihrer Nachtruhe gebracht werden konnten, waren mein Vater und ich Lerchen, die früh aufwachten und den Drang hatten, sofort das Bett zu verlassen. Das führte dazu, dass wir uns an Wochenenden oder Ferientagen frühmorgens begegneten – in der Küche, auf dem Balkon. Und es gehört zu meinen frühesten Erinnerungen, wie mein Vater mir in einer schüsselgroßen Tasse, die eigens für dieses Gericht bereit stand (Müslischalen waren noch nicht erfunden), sopitas zubereitete. Er kannte sopitas aus seinen Kindertagen in Madrid; da er in extrem armen Verhältnissen aufgewachsen ist, nehme ich an, dass damit zwar in erster Linie Restbrot verwertet werden sollte, dass die kostbare süße Milch aber etwas besonders Festliches daraus machte.
Mittlerweile kenne ich auch den Hintergrund der Bezeichnung sopitas: Sopa ist zwar das spanische Wort für Suppe, doch sopas bezeichnet die Verwendung von altem Brot in Suppe – der Suppenteller wird mit Brotscheiben ausgelegt, oder die Brotscheiben werden geröstet auf die Suppe gelegt. Die bekanntesten Beispiele sind Sopas de ajo (Knoblauchsuppe) und Sopas Mallorquinas, eine balearische Gemüsesuppe.
Sehr selten bereite ich mir sopitas, den Diminutiv von sopas, auch heute noch als comfort food zu, am liebsten mit altem Sauerteigbrot: Ich mag den Kontrast zwischen dem sauren, herzhaften Brot und der süßen Milch. Und ich denke jedesmal an meine Kindheitsmorgen mit Papá.
(Aus der Reihe Clackity Noise.)
die Kaltmamsell10 Kommentare zu „Sopitas“
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9. November 2010 um 11:03
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9. November 2010 um 11:45
Ich denke, diese Kindheitserinnerung haben viele, ich auch, allerdings hatte ich nicht den Luxus, das mir Mami oder Papi diese Köstlichkeit serviert hat, sondern ich war dann mal selbst so frei. Allerdings mochte ich lieber altbackene Brötchen in der süßen Milch. :)
Alte Roggen- oder Mischbrotscheiben kamen mit ein bisschen Öl in die Pfanne und wurden dann, knusprig braun, mit Zucker bestreut regelrecht verschlungen. Mache ich heute immer noch, wenn mich der Appetit darauf packt.
9. November 2010 um 12:15
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9. November 2010 um 12:57
An Freitagen war meist Land unter. Da meine Mutter vom Sternzeichen Waschbär ist, wurde an diesem Tag entweder geschrubbt, gebohnert, die Vorhänge gewaschen oder die Fenster geputzt. So hatte sie wenig Zeit, uns was Rechtes zu kochen. Also gab es Eierhaber oder arme Ritter.
Was nun verarmte Adelige mit geröstetem Brot und vekleppertem Ei mit Zucker zu tun haben, weiß ich bis heute nicht.
(Eierhaber ist ein zerzupfter Riesenpfannenkuchen mit Rosinen)
9. November 2010 um 15:09
Sehr schön und stimmig.
9. November 2010 um 18:18
von meinem vater hab ich sowas ähnliches zu essen gelernt: brot, gerne auch altbacken, in kleingerupften stücken in eine schüssel geben, mit zucker bestreuen und dann saure sahne darüber. er hat es wiederum von seiner oma, das gericht heisst einfach “saure sahne”. ich esse das heute noch gelegentlichl – mein vater auch. allerdings sollte man die etwas bessere frische sahne aus der flasche nehmen, und mit nur 10% fett.
nicht ganz so hoch im kurs stand “eingebrocktes”, das ist ebenfalls altbackenes brot mit zucker und darüber lauwarmer malzkaffee (auch ein oma-rezept).
9. November 2010 um 20:15
danke- mir wird ganz warm ums Herz.
Hat meine Mama mir auch gemacht: alte Semmel- bei uns ein ‘Brötchen’- mit warmem Kakao…..
9. November 2010 um 20:28
Das kenne ich auch, mit heißer Milch drüber. Altbackenes Schwarzbrot, kleingeschnitten. Ich bin mir aber unsicher, ob in der Milch Zucker war. Aber bestimmt war Salz drin. Das gibt es scheinbar in vielen Traditionen. Meine Eltern hatten das von ihren, vor allem väterlicherseits. Bauern in Böhmen, Karlovy Vary heute, früher Karlsbad. Es hieß einfach Milchsuppe. Ich mochte das auch gerne. Aber nicht süß. Jetzt bin ich mir beinah sicher. Da war Salz und Pfeffer drin.
9. November 2010 um 22:44
Apfelstrudel von meiner Oma, dabei helfen und dann die Schüssel mit dem Nuss-und-Sauerrahm-Mix auslecken dürfen.
sopita ist süß!
und Arme Ritter hab ich erst als French Toast lieben gelernt -an acquired taste.
10. November 2010 um 3:12
Das gibt es in Niederbayern aber auch. Mein Vater nennt es “Brockan”