Berlusconi auf dem Titel? Jetzt hat er’s wirklich geschafft.
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Das Inhaltsverzeichnis riecht schwer nach Dominiks Resterampe: Einmal durch die Schreibtischschubladen gefegt, bevor der Chefredakteur zum Stern wechselt. Mir war die Dicke des Heftes aufgefallen und ich hatte sofort einen dicken Werbungsblock in der Mitte vermutet. Aber nein: Die Anzeigenabteilung hat zwar ganze Arbeit geleistet, die Ernte aber übers Heft verteilt.
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„Sagen Sie jetzt nichts“ mit der Kasperltheaterfigur Nina Hagen. Oh mei, danke der Nachfrage: In meinem Leben spielt Jesus eine durchaus große Rolle. Er hat mich gezeugt und nach bestem Wissen und Gewissen großgezogen. Aber einer reicht mir, wirklich.
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Oh, sie haben eine Redakteurin, die jung genug ist, sich beim Hinterfragen der Geschenkform Gutschein originell zu fühlen.
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Über Erlinger kann ich nicht nöhlen, seine Argumentation finde ich immer interessant. (Bitte lass das „Dr. Dr.“ ironisch sein.)
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„Nicht immer auf dem Boden bleiben! Ein Plädoyer für Romantik statt Realismus in der Liebe.“ Jessas. Na, wenigstens haben sie die Geschichte nicht den Praschl schreiben lassen, der seit einiger Zeit für die Nicht-Themen im Heft zuständig zu sein scheint und mich in der scheppernden Schmarrigkeit seiner Riemen fast vergessen lässt, wie sehr ich einst seine Blogpostings schätzte.
Die These: Alle Liebesgeschichten müssen heutzutage belastbar für die Ewigkeit sein, sonst ernten die Liebenden Hohn und Spott. „Die Regeln, wie die Liebe auszusehen hat, sind strenger denn je: Sie muss sich lohnen und erfolgreich sein.“ Ach?! Hatten wir nicht eben im selben Magazin launige Kolumnen über die Gesellschaft, die sich vor lauter Jugendwahn bis ins hohe Alter auf nichts festlegen will, schon gar nicht auf eine Partnerschaft? Die sich lustig macht über Paare, die einfach nur nebeneinander sitzen wollen?
Oh mei, dieser Artikel der Restrampe hatte sich aus guten Gründen zerknittert ganz hinten in der untersten Schublade versteckt, eigentlich für die Seite 96 der damals noch existierenden Amica geplant, jetzt friedlich mit drei kupfernen Büroklammern spielend.
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Jetzt aber ein richtiger Knaller: Mit den heutigen Handys wird gar nicht mehr so viel telefoniert, sondern mehr ins Internet gegangen. Für Menschen, die die vergangenen zwei Jahre abgeschnitten von jeder Zivilisation auf einer Insel im Pazifik verbracht haben, sicher epiphanisch.
Geschrieben von Max Scharnigg, für dessen Auftritt und Text beim diesjährigen Bachmannpreislesen das Wort underwhelming eigens erfunden wurde.
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Gleich noch ein schmissiges IT-Thema: Till Krause findet heraus, dass im Internet Inhalte auch dann noch zu sehen sind, wenn der Autor schon tot ist. Wie furchtbar! Das ist ja fast so, fast so – wie das Fotoalbum, in dem Bilder von Menschen eingeklebt sind, DIE GAR NICHT MEHR LEBEN!
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Eine Bilderstrecke über einen lustigen Künstler. Wobei man beim Lachen über Kunst ja mal besser aufpasst: Oft ist lustige Kunst gar nicht lustig gemeint.
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Eine Fußballgeschichte. Die Geschichte kann nichts dafür, dass mir Fußball sehr egal ist. Aber es handelt sich um die Geschichte der Beziehung eines Fußballfans zu seinem befanten Fußballverein, und dieser Fußballfan ist der Autor der Geschichte, Mitglied der SZ-Magazin-Redaktion. Bin das bloß ich, deren Hirn vor lauter Selbstreferenzialität des Konstrukts Purzelbäume schlägt?
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Und nun die Titelgeschichte. Sein’S ma net bös, aber ich hab’ a Kusine in Italien, die begeisterte Berlusconi-Wählerin ist: Alles, was ich über die Motivation der Italiener, diese weitere Kasperletheaterfigur zu ihrem Regierungschef zu machen, nie wissen wollte, habe ich bereits von ihr gehört.
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Die Gerichtsgeschichte ist im Inhaltsverzeichnis zusammengefasst mit „Ohne das Internet hätten Mandy G. und Nadine E. wohl nie Verbrechen begangen“. Ein weiteres Oh mei. Lassen Sie uns raten: Heiratsschwindelei über Online-Kontaktbörse? Ebay-Betrug? 0180-Abzocke? Aber das sind zum einen strafrechtlich sehr wahrscheinlich keine Verbrechen, zum anderen hätte man dazu das Internet nicht unbedingt gebraucht.
Aha: Schlicht eine weitere Nicht-Geschichte. Die beiden stehen wegen Internetbetrug vor Gericht – mit Fug und Recht lässt sich behaupten, dass sie ohne Internet keinen Internetbetrug hätten begehen können. Woher der Schluss kommt, dass sie also nie straffällig geworden wären (nein, es handelte sich nicht um ein Verbrechen), lässt die Geschichte nicht erkennen, auch wenn sie alle Klischees über Onliner aneinanderreiht (u.a. zurückgezogen lebende Menschen, viele Katzen, soziale Kontakte übers Internet).
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Ein origineller Illustrator zeichnet physikalische Grundgesetze anhand des Alltags eines Vaters mit kleinem Kind. Gymnasiallehrerhumor.
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Interview mit von Donnersmarck. Seit dieser Begebenheit interessiert mich der Herr eigentlich nicht mehr. Lektüre hebe ich mir für morgen auf.
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Die erste Geschichte der Rubrik „Stil leben“ wird angekündigt mit „Der Uhrenexperte Ralf Meertz verrät, was eine gute Uhr ausmacht“. Antwort aus meiner Sicht: Sie ist öffentlich, sehr gut sichtbar und zeigt die korrekte Uhrzeit an. Doch den Illustrationen zufolge geht es um Armbanduhren, die ich per se hässlich finde. Die Illustrationen selbst, altmodische Linolschnitte, gefallen mir allerdings gut.
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Und dann doch noch ganz explizit: Das Weihnachtsgeschäft. Interview mit einem Hauptbeglitzerer deutscher Fußgängerzonen, unter anderem mit seiner Drogeriekette Douglas. Lese ich auch morgen. Bin gespannt, ob mein olfaktorischer Eindruck der vergangenen Wochen zutrifft und das 80er-Männnerparfüm Fahrenheit in dieser Schenksaison eine Revival erfährt.
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Auch Hacke steigt ein mit „Es naht Weihnachten“. Mein tiefes Mitgefühl gilt allen Redaktionen weltweit, die sich Jahr für Jahr bergeweise Weihnachtsthemen aus den Fingern saugen müssen. Wie es wohl in den Redaktionsräumen des SZ-Magazins aussieht? Motivieren sich die Redaktionsmitglieder für diese schweren Wochen, indem sie sich in einen Rausch glitzerdekorieren, stollenfressen und glöcksaufen? Oder darben dort derzeit eisern beherrschte Scrooges?
(Grottenschlechte Laune. Ausgewogene Betrachtunsweise erst wieder morgen.)