Archiv für Februar 2011

Und deshalb bin ich für die Frauenquote

Dienstag, 8. Februar 2011

(Wie bei Mode: Erst wenn ein Thema so gut wie durch ist, bin ich so weit.)

Nessy1 beschreibt, warum sie keine Ambitionen auf einen Führungsposten in einem Unternehmen hat. Sie betont, das gelte nur für sie persönlich, doch ich halte ihre Sicht für ausgesprochen repräsentativ: Nicht nur habe ich sie oft von anderen Frauen gehört – sie ist auch meine.

Erstens. Ich möchte nicht jahrelang 70 Stunden in der Woche arbeiten. (…) das hat etwas damit zu tun, dass ich nicht auf dieser Welt bin, um mein Leben vollends einem Konzern zu widmen.
(…)
Zweiter Grund – und das muss ich an dieser Stelle so deutlich sagen: Die zahlreichen Streber, Blender und Arschkriecher, die ich in meinem Berufs-und sonstigen Leben schon getroffen habe, kotzen mich an.
(…)
Ich spiele außerdem – dritter Punkt – nicht bei diesem ganzen Networking-Quatsch mit.

In meinem Fall überwiegt das Erstens. Auch ich bringe wirklich mehr Einsatz, als mein Arbeitsvertrag von mir verlangt – ebenso wie Nessy mag ich es, große und interessante Dinge zu schieben. Doch wenn das dauerhaft auf Kosten meiner Zeit mit geliebten Menschen geht, auf Kosten des Lesens, Denkens, Laufens, Schwimmens, Einfach-nur-blöd-Schauens, dann werde ich böse, unglücklich und krank. Das hatte ich schon mal, vielen Dank, brauche ich nicht wieder.

Doch gerade deshalb ist die Frauenquote meiner Überzeugung nach die einzige Chance, diese Hindernisse beiseite zu schaffen. Solange die Spielregeln für den Aufstieg in Machtpositionen (mögen sie auch nicht eigentlich Macht zum Ziel haben, enthalten sie nunmal die größte Macht) von der überwältigenden männlichen Mehrheit bestimmt werden, bewusst oder unbewusst, werden nicht genug Frauen mitspielen wollen. Erst wenn ein kritischer Anteil an weiblicher Mitgestaltung erreicht wird, ändern sich diese Spielregeln – und machen es der nächsten Aufsteigerinnengeneration einfacher, sich darauf einzulassen.

Niemand versteht den inneren Widerstand der jetzigen Nachwuchsgeneration an Frauen besser als ich mit meinem bis zur Erstarrung riesigen Stolz: Eklig, mit dem Verdacht leben zu müssen, man werde nicht wegen seiner Kompetenz respektiert, sondern als Pflichtfrau geduldet. Aber the needs of the many outweigh the needs of the few, und so muss leider die erste Generation an Quotenfrauen diese Stolzverletzung ertragen – um den Weg für die nächsten Generationen frei zu machen.

Die Karrierelandschaft (nur zu Erinnerung und der Vollständigkeit halber: Auch eine Frau darf keine Kinder UND keine Karriere haben.) in Deutschland wird vergiftet von der Präsenzkultur. Ausgerechnet Matthias Horx findet dafür ausgerechnet in der Welt die passende Argumentationslinie:

Karriere in Deutschland ist ein Wettbewerb um Anwesenheitszeiten, um kommunikative Präsenz. Wer führt, muss nach dem Acht-Stunden-Tag noch für Meetings und Absprachen an der Bar zur Verfügung stehen. Kann sein Wochenende vergessen. Muss immer erreichbar sein. Nur wer sein Privatleben der Firma opfert, ist „leistungsbereit“. Wie, bitte schön, soll man auch ein Unternehmen in einem normalen Acht-Stunden-Tag leiten? Lächerliche, naive Vorstellung!
Und dennoch: Es geht. Das zeigt die veränderte Karrierekultur Skandinaviens. Wer als Führungskraft – Mann oder Frau – in Stockholm nach 17 Uhr am Schreibtisch sitzt, dem wird mit hoher Wahrscheinlichkeit freundlich auf die Schulter geklopft. Und gefragt: Hast du Familienprobleme? Irgendwas nicht in Ordnung zu Hause? Wollen wir reden?
Minister haben dort Heimarbeitsplätze, und man sieht Topmanager am Nachmittag beim Einkaufen im Supermarkt. Von Führungskräften wird mit sanftem kulturellem Druck zunehmend verlangt, dass sie sich hinreichend um ihre Familie kümmern. Sonst gelten sie als Minderleister, die ihren Job nicht im Griff haben. Und letztlich als Risiko für die Firma.

Ich sehe diese Quote in derselben Linie wie das Rauchverbot in Gaststätten: Wir haben lange genug darauf vertraut, dass die Menschen schon von allein vernünftig werden – es hat nicht funktioniert. Auch Institute, Behörden, Unternehmen hatten lange genug Zeit, aus Lippenbekenntnissen zum Frauenanteil in Führungspositionen Realität zu machen – es hat nicht funktioniert. Schaun wir doch einfach mal, was passiert, wenn sie müssen.

  1. völlig OT: Das war mein CB-Funk-Nick mit 13, hihi. []

So viel Wochenende

Montag, 7. Februar 2011

Es ging schon mal mit Freitagabend los, dieses Wochenende: Ich traf mich mit einer Freundin, die ich viel zu selten sehe (möglicherweise habe ich allerdings nur Freunde, die ich viel zu selten sehe), im Augsburger Lokal Kuckuck zu einem ausführlichen und vorzüglichen Abendessen. Dazu hatte ich das Büro pünktlich um halb sechs verlassen müssen, obwohl mehrere Kollegen noch dringend etwas von mir zu brauchen glaubten – sowas kostet mich ziemlich Überwindung.

Nutzte allerdings nichts, weil ich mich in den falschen Zug setzte. Ich muss mich in der angezeigten Gleisnummer geirrt haben, doch tückischerweise entsprach dieser Zug der gewohnten Bauart (doppelstöckiger Regionalzug) und verließ den Bahnhof auch noch zur erwarteten Zeit. Nur dass er halt nicht Richtung Augsburg, sondern Richtung Mühldorf fuhr. Noch ein Glück, und Sie wissen, was Gott uns vor allem hüten möge, noch ein Glück hielt er zum ersten Mal bereits in München Ost. Also S-Bahn zurück zum Hauptbahnhof, der Freundin unterwegs Bescheid geben, dass sie sich leider mit einer Vollidiotin verabredet hat, neues Ticket kaufen, weiteren Zug besteigen. Für all dieses Schlamassel war die halbe Stunde, die ich später als geplant in Augsburg ankam, eigentlich nicht viel.

Der Samstag wiederum begann zwar mit zu frühem Aufwachen (aus mir wird in diesem Leben keine Nachtschwärmerin mehr), ging dann aber mit einem Isarlauf in der Sonne weiter. Ich hatte mir die Strecke Thalkirchen, Großhesseloher Brücke, Thalkirchen, Flaucher, Wittelsbacher Brücke, Sendlinger-Tor-Platz ausgesucht, auf der sich Matsch, Schneematsch und Eis aufs Vergnüglichste abwechselten.

Dann eine nun fast schon alljährliche Verabredung: Die NATO Sicherheitskonferenz beschert uns Münchnern nämlich nicht nur Behinderungen im Öffentlichen Nahverkehr und die Besichtigung aller Polizeiuniformen der Republik, sondern spült auch den einen oder anderen Menschen in die Stadt, der sonst nie herkommt. Mit dem einen traf ich mich im frisch renovierten Café Luitpold auf ein Frühstück / Mittagessen.

Nach einem Bummel durch die Theatinerstraße (aha: Am Samstag laufen da Menschen herum, die dem Klischee vom reichen, schicken Münchner durchaus entsprechen) und ein paar Lebensmitteleinkäufen fand ich mich auf dem heimischen Sofa wieder, wo ich beim Internetlesen auf die Bettschwere für eine Siesta wartete. Statt dessen klingelte mein Handy (was ich immer noch nicht gewohnt bin, da das weiterhin ausgesprochen selten vorkommt, und deshalb erst mal hysterisch in der ganzen Wohnung und in allen Taschen danach suche. Tipp: Wenn Sie Slapstick mit mir als Hauptdarstellerin verursachen wollen, rufen Sie mich auf dem Handy an), und die bessere Hälfte einer Frau aus dem Internet schlug ein Gläschen Cremant im Walter & Benjamin vor. Ja wie denn nicht?

Als ich davon nach Hause zurückkehrte, duftete die Wohnung fruchtig nach Orangenmarmelade: Es ist gerade wieder die kurze Saison der Pomeranzen, und der Mitbewohner hatte daraus Marmelade bereitet. Bald schon mischte sich darein der erheblich würzigere Geruch der Lasagne, die ebenfalls der Mitbewohner zurbereitet hatte.

Vor dem Sonntag hatte ich rechtzeitig mit dem Schlaf begonnen, um bei Schlafende am Morgen ausgeschlafen zu sein. Den Vormittag verbrachte ich im sonnendurchfluteten Hüpfstudio, strampelte auf einem Crosstrainer, stieg zu Musik über und um einen Step, mal mit, mal ohne Hanteln.

Zum anschließenden Frühstück gab es kalte Lasagne – ja was, ist doch im Grunde eine Art Wurstbrot. Ein Blick auf die Kino-Spiepläne ergab, dass am frühen Nachmittag Hereafter im Original gezeigt würde – das passte. Mir gefiel der Film, sauberes Handwerk, interessante Geschichte. Nach Hause ging ich zu Fuß und genoss den milden Wind.

Dazwischen (beim Kaffeetrinken, in der U-Bahn, beim Frühstück) las ich Lizzie Dorons Es war einmal eine Familie, das ging in zusammengerechnet 90 Minuten. Muss man aber eigentlich gar nicht – außer man sucht nach einer dichtestmöglichen Anhäufung von Klischees.

Den Abend verschönten die Samstags-SZ, Internetlektüre, Lammhaxerl aus dem Ofen, beeriger CSM vom Limbeck (der zum Lamm nicht perfekt war, vermutlich eher mit Rindfleisch harmoniert). Noch zwei Kapitel in meiner aktuellen Lektüre (siehe links), Licht aus, Wochenende vorbei.

Social Media und Unternehmen: Ein Verdacht

Freitag, 4. Februar 2011

Mein Verdacht: Am meisten interessieren sich für den Einsatz und den Inhalt von Social Media bei Unternehmen (mit absteigender Intensität des Interesses)
– PR-Agenturen
– Social-Media-Berater
– Online-Agenturen
– Studenten mit Rechercheauftrag „Einsatz von Social Media bei Unternehmen“
– außeruniversitäre Insititute zur Untersuchung des Einsatzes von Social Media für die Unternehmenskommunikation
– Medienjournalisten

Weiterer Verdacht: Am wenigsten interessieren sich für den Einsatz und den Inhalt von Social Media bei Unternehmen (mit ansteigender Intensität des Interesses)
– durchschnittliche Internetnutzer
– Verbraucher
– Kunden
– Geschäftspartner

(Mag jemand eine Grafik daraus basteln?)

Anlass des Verdachts: Ein Tweet an den Unternehmens-Account meines Arbeitgebers gerichtet
„@MeinArbeitgeber Test: Do you continously respond to @messages on Twitter?”
Das war das etwa vierte Mal, dass sowas bei uns ankam: Basis für irgendwelche Rankings.

Die vorherigen drei Mal kamen diese Anfragen übrigens von Twitterern, deren einzige Aktivität das bei Twitter war.

Was zum Schlussverdacht führt:
Die geschäftlichen Nutzer spielen einfach miteinander. Wir privaten Internetnutzer bleiben weiterhin unter uns.

Weiße Rüben vom Blech

Mittwoch, 2. Februar 2011

Ich finde es ganz wunderbar, dass immer mehr Rübensorten (wieder?) zu kaufen sind. Selbst der Eck-Araber bietet weiße Rüben an, die ich gerne so zubereite, wie ich es von Hande gelernt habe.

Ofen auf 200 Grad erhitzen.

Rüben schälen, in Schnitze scheiden, auf Blech werfen.

Mit Olivenöl beträufeln.
Salzen.
Mit ganzem Kümmel bestreuen.

20 bis 30 Minuten backen.

Allergene Eiweiße

Dienstag, 1. Februar 2011

Bestimmte menschliche Proteine verändern sich im Lauf des Lebens, das gehört zum Wandel im Stoffwechsel von der Geburt bis ins hohe Alter. Als Laie erkennt man das schon am Geruch: Der Duft von Babyhinterköpfen ist geradezu ein romantischer Topos geworden, Eltern bemerken am Einsetzen weniger angenehmer Gerüche den Beginn der Pubertät bei ihrem Nachwuchs, und auch der Eigengeruch älterer Menschen verrät meist mehr über die Dauer ihres Aufenthalts auf Erden als ihr Personalausweis.

Nun habe ich schon früh festgestellt, dass ich auf Säuglingseiweiße allergisch reagiere. Meist erspüre ich die Anwesenheit eines Babys weit bevor ich es sehe: Ich registriere allgemeines Unwohlsein, leichtes Kribbeln auf der Haut. Gerät das Menschlein in Reichweite, kommt oft Reizhusten dazu. Im Grunde ähnelt die Symptomatik der von Tierhaarallergien.

Im Laufe des Älterwerdens der Kinder ändert sich ihre Eiweißstrukur. Entsprechend milder werden meine Abwehrreaktionen auf Kinder im Kindergarten- und Schulalter. Fast verschwunden sind sie dann beim Zusammentreffen mit postpubertären Menschen.

Es handelt sich also nicht etwa um einen unsympathischen und völlig abartigen Kinderhass, der mich möglichst viel Abstand zwischen mich und menschlichen Nachwuchs bringen lässt. Sondern um eine bedauerliche biochemische Reaktion.

Als ich letzthin einer Fotografin damit erklärte, warum ich also auf keinen Fall an einem zweitägigen Shooting mit kleinen Kindern für eines meiner Publikationsprojekte teilnehmen könne, war sie SO kurz davor, mich ernst zu nehmen.