Archiv für Mai 2011

Osten vom Westen aus

Dienstag, 10. Mai 2011

Derzeit blättere ich mich abends im Bett durch einen weiteren Magnum-Bildband: Magnum Magnum (davor hatte ich schon mal Magnum Stories gelesen).

Dieses Magnum-typische Streben nach dem Ziel, die Menschheit in ihrem jetzigen Zustand abzubilden, fasziniert mich immer wieder.

Und dann folgte ich heute Morgen einem Link von Frau Diener hierhin:

Magnum-Fotograf Thomas Hoepker zeigt hier Bilder aus einem Land, das es nicht mehr gibt: der DDR. Die Diavorführung ist mit seinen Kommentaren im O-Ton ergänzt, sehr bewegend.

Und doch.

Und doch ist das wieder ein westlicher Blick auf die DDR. Der sich an dem festhält, was aus West-Perspektive absurd erschien.

Hoepker erwähnt einen Fotografenaustausch zwischen BRD und DDR, durch den er eine Zeit lang in der DDR wohnen konnte. Mich würden sehr die Fotos interessieren, die seine DDR-Kollegen in dieser Zeit in der BRD aufnahmen.

Es ist diese große Lücke im Wissen über den DDR-Alltag, die ich immer wieder feststelle und unter der ich leide. (Dazu kommt mein Wessi-Fremdschämen über das Verhalten der Westler nach dem Mauerfall und dessen verheerende Folgen.) In Ostdeutschland gab es ja über die Medien, legal oder illegal, verhaltnismäßig viele Einblicke in unser westliches Leben und Aufwachsen. Doch unsereiner im Westen hat, zumindest automatisch, nichts mitbekommen. Ich bin auf Erzählungen angewiesen.

Das fiel mir zum Beispiel im re:publica-Vortrag des Sachsen Beetlebum auf: Er verwendete als Beispiel für die deutsche Comic-Rezeption selbstverständlich eines aus der DDR-Geschichte – von dem ich zum ersten Mal hörte:

(Übrigens ist der Akzent des Herrn nicht im Entferntesten so stark, wie er immer behauptet.)

Und so hänge ich meinen Kollegen und Kolleginnen, die in der DDR großgeworden sind, immer an den Lippen, wenn sie vom Deutschland ihrer Kindheit und Jugend erzählen – einem Land, das für mich mindestens so exotisch ist wie das Internat in Istanbul, in dem mein Kollege Mustafa sein exquisites Deutsch gelernt hat.

Das Leben als Privatierin

Samstag, 7. Mai 2011

Freier Freitag heißt: Stepaerobic beim Lieblingsvorturner. Der seine Spitzenklasse diesmal auch dadurch bewies, wie er mit der einzigen Neuling1 unter den Turnerinnen umging, nämlich so dezent aufmerksam, dass diese sich nicht bloßgestellt fühlte, sondern einen Heidenspaß hatte, auch ohne die Choreografie perfekt zu schaffen.

Gestrige Humbug-Ausbeute in diesem Abnehmstudio: Ein Flyer „Ahnenheilung“. (Toll, das ist mittlerweile ergiebiger als Bioläden.)

Um 9 Uhr waren fürs Radeln noch Pulli, Janker und Handschuhe ratsam, nach 11 Uhr gingen schon T-Shirt und offene Jacke auf dem Rad, für einen Spaziergang in der Sonne brauchte es nicht mal Jacke, nachmittags musste ich nicht bereuen, im Leinenkleid und mit nackten Füßen in Sandalen zum Einkaufen gegangen zu sein.

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Mittägliches Treffen auf der Auer Dult mit dem Freund, dem das wahrscheinlich hübscheste Schmunzeln westlich des Mississippi eigen ist.

Wie sahen dem spiel der Wunderwerkzeugverkäufer zu, kruschten in Geschirrbergen, bewunderten Töpferwaren – und aßen zu Mittag. Zum Beispiel die Brotzeit-Neuigkeit der Saison: Spiralkartoffeln.

Und „Original Schaschlik“ – also mit Nierenscheiben und Speck.

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Einkaufstour durch die Innenstadt.

Wie lange es wohl dauern würde, bis mir dieses Privatierin-Dasein der vergangenen Woche langweilig würde?

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Der bisher schrägste Beitrag zum morgigen Muttertag – aus vielen Gründen sehenswert: Amateur Gourmet filmt den Inhalt des Kühlschranks seiner Eltern in Florida.

Mag jemand durchzählen, wie oft Mama AmateurGourmet all den Dreck als „very healthy“ bezeichnet? (Doch dann rührt es mich sehr, wie viel Mühe sich Adams Mutter gegeben hat, die seltsamen Nahrungsmittel zu besorgen, die ihr Sohn bevorzugt: Tomaten, Frischkäse und sowas.)

  1. die Neuling – doch, geht []

Milch, Eier, Öl, Frauen

Freitag, 6. Mai 2011

Anderthalb Jahre ist es her, dass mich Herr lamiacucina auf ein schlichtes Milchdessert brachte: Mit Lab gestockte, leicht gesüßte Milch – bei ihm hieß das Junket. Allerdings war eine erste Suche nach Lab erfolglos, und so vergaß ich das Rezept.
Bis ich vergangene Woche im Regal eines Biomarkts in Brighton ein Fläschchen rennet entdeckte. (Fragen Sie mich nicht, woher ich diese englische Vokabel kenne – das frage ich mich bei so manchen englischen Wörtern, die aus mir herausplumpsen. Osmose?) Noch dazu las ich auf der Packung, dass sich dieses vegetarische Lab für die Verwendung mit pasteurisierter Milch eignet. Gestern probierte ich es aus, indem ich allerdings der Packungsanweisung folgte, nicht Herrn lamiacucinas Rezept:

Vollmilch auf 34 Grad erhitzen (ich fand kein Thermometer dafür – abends stellte sich heraus, dass der Mitbewohner das dafür geeignete Zuckerthermometer in seinem Zimmer aufbewahrt -, orientierte mich also an Körpertemperatur), einen Esslöffel Zucker, einen Teelöffel Vanilleextrakt und zehn Tropfen Lab einrühren. In Schüsseln füllen und fest werden lassen.

Schmeckte deutlich milder als Dickmilch (klar, war ja nicht gesäuert), wunderbar leicht und großartig zu den leicht gezuckerten Erdbeeren. Werde ich öfter machen.

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So, wie es Idiotenbrot gibt (gefällt mir gut, dass sich dieser Ausdruck in meiner Ecke des Internets als deutsche Übersetzung von no knead bread zu etablieren scheint), gibt es übrigens auch Idiotenmayonnaise. Hauptunterschied zum Brot: Geht blitzschnell. Und man braucht unbedingt einen Zauberstab / Pürierstab. Na ja, vielleicht doch nicht ganz dasselbe.

Gestern wurde die Hälfte der Mayo mit gleicher Menge Joghurt und einer Knoblauchzehe der Dip für Artischocken, heute darf die zweite Hälfte in einem Kartoffelsalat mitspielen. Übrigens: Es rächt sich, erfahrenen Foodbloggerinnen nicht ganz und gar zu vertrauen. Wenn Misses Delicious schreibt, dass diese Mayo mit Olivenöl bitter wird, dann stimmt das. (Und man braucht es keineswegs trotzdem zu probieren und dann einen ganzen Becher unessbar bitterer Mayo in den Ausguss kippen. Hrmpf.)

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Und dann, weil noch Zeit ist, eine weitere grafische Darstellung komplexer Zusammenhänge von katja: Anleitung zum Glücklichsein in Frauenmagazinen. (Genauer: In Magazinen, die ihre Zielgruppe in Leserinnen von Frauenzeitschriften sehen. Ich behaupte ja, das tatsächlich beste Frauenmagazin sei brandeins. Die wissen, was Frauen wirklich interessiert. Na ja, ein bisschen fehlen mir Technik und Kultur, aber das hole ich mir halt woanders.)

Zweimal gebacken

Donnerstag, 5. Mai 2011

In diesen Urlaubstagen habe ich richtig Freude am Kochen und Backen. Ohne einen zehnstündigen Arbeitstag kann ich diese Freude ausleben und dennoch morgens Laufen gehen (verdammt, war das kalt – und dann entschloss sich der Akku des Fotoapparats mal wieder zur Spontanentleerung, wodurch ich nicht mal Bilder der von Morgensonne vergoldeten Isarauen mitbringen konnte; jetzt habe ich aber endlich eine neue kleine Lumix bestellt), nachmittags Schuhe kaufen (graue Mary Janes, Treffer gleich im ersten Schuhgeschäft) und über einem Capuccino im Stadtcafé Buch lesen.

Meine Mutter hatte uns einen ganzen Manchego-Käse in den Kühlschrank gestellt. Also suchte ich gezielt nach einem Rezept, dessen Zutaten Manchego enthalten. Voliá: Oliventarte mit Manchego.

Das nächste Mal nehme ich mildere Oliven, mit trocken eingelegten schwarzen war die Tarte arg salzig.

Rhabarber ist ja das einzige Obst / Gemüse, das ich so richtig scheußlich finde und gar nicht esse. Aber der Mitbewohner liebt Rhabarber, so holte ich auf dem Viktualienmarkt Rhabarber und buk ihm einen Rhabarberkuchen mit Mandelguss nach rikes Rezept. (Die weißen Bröckerl sind ein paar Löffel Hüttenkäse: Ich wurde davon überrascht, dass ein Becher Dr.-Oetker-Creme-fraiche nur 150 Gramm enthält und nicht 200 – war das schon immer so?)

Des Mitbewohners Urteil: Die Rhabarberschicht war ihm nicht sauer genug, der Guss nicht süß genug. Er bevorzugt den klaren Gegensatz süß / sauer, den er vom klassichen Rhabarberkuchen mit Baiserhaube kennt.
Nächstes Jahr vielleicht.

Ausbeute zweier Urlaubstage

Mittwoch, 4. Mai 2011

(Das mit dem Tagebuchbloggen steckt noch ein bisschen drin in mir.)

Am Montag mal wieder Bahnenziehen im Olympiabad. Vor einigen Wochen hatte ja eine Mitschwimmerin behauptet, die abgeteilten Schwimmbahnen seien reserviert, und der Belegungsplan gab ihr recht. Brav schwamm ich also neben den reservierten Bahnen – zwischen plaudernden Damen und eher Nichtschwimmern. Doch es kam mir arg komisch vor, dass das halbe Becken nahezu durchgehend für Berta Normalschwimmerin unerreichbar sein sollte. Also fragte ich beim Verlassen des Bades das Personal (in Münchner Bädern an Polohemden in, haha, Schwimmbadtürkis erkennbar). Ergebnis: Ist es nicht, die Bahnen sind „für die Öffentlichkeit nutzbar“, die sportlich schwimmen will. Vereine sperren sich eigene Bahnen daneben ab.

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Für einen größeren Fleischtransport hatte mir mein Bruder seine Familien-Kühlbox geliehen – dummerweise war unterwegs der Henkel gebrochen. Eine Kühlbox ist so weit weg von meinem Alltag, dass ich die Twittergemeinde fragen musste, wo ich wohl Ersatz kaufen kann (solch ein sperriges Ding wollte ich nicht im Internet kaufen). Man schickte mich ins neue Globetrotter-Kaufhaus. (Mag eine Generationensache sein, dass das Gebäude für mich immer Rieger-Pelze sein wird. Nicht, dass ich je dort eingekauft hätte – die damalige Radiowerbung hat bleibende Spuren hinterlassen.) Im Erdgeschoß des riesigen Ladens bekam ich tatsächlich die Kühlbox.
Unklar ist mir das Unbehagen, das ich in dieser Art Geschäft spüre. Liegt das an dem geballten Haufen Hightech ausgerechnet für Menschen, die ihre Naturliebe beteuern? Spricht daraus ein Kräftemessen von Naturgewalten gegen zivilisatorische Errungenschaft? (Dabei hat letztere doch mit dem Auftauchen der Trekking-Sandale bereits ihre ultimative Niederlage erlitten?) Oder ist es schlicht der Horror, den globetrottender Zelturlaub für mich bedeuten würde?

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Eines der damals transportierten Fleischstücke wurde abends zu einer köstlichen Rindersuppe. Ich hatte sie mit dem letzten Rest Chilisalz gewürzt1 und damit eine ganz wunderbare leichte Schärfe erzielt – merke ich mir für künftige Rindersuppen.

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Seit gestern habe ich eine neue Hausärztin (ich finde ja, Hausärzte müssen ihre Praxis in Altbauwohnungen mit Flügeltüren haben). Eigentlich gehe ich immer direkt zum Facharzt, möchte aber doch, dass die Unterlagen an einem Punkt zusammenlaufen. Außerdem hatte ich ein paar medizinische Fragen. Die Dame bezauberte mich aus dem Stand: Nicht nur stellte sie sich sorgfältig mit Namen vor, sondern erklärte auch die Situation der Praxis, ihren eigenen beruflichen Werdegang sowie ihren familiären Hintergrund (u.a. warum sie einen mindestens so undeutschen Namen wie ich trägt), ruhig und mit Zeit: „Sie sollen ja wissen, mit wem Sie es zu tun haben.“ Nach Schilderung meines Anliegens dachte sie laut abgewogen nach, gab mir nachvollziehbare Ratschläge, verschrieb mir nichts. Aus einer Arztpraxis bin ich schon lange nicht mehr so aufgebaut und zuversichtlich gekommen.

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Nachmittags Ausflug nach Augsburg zur Zahnreinigung (lange Geschichte). Ich nutzte die Gelegenheit, beim Lieblingsfeinkostgriechen am Stadtmarkt einzukaufen. Während meines Studiums in Augsburg gehörten seine Salate und Pasten zu den Kostbarkeiten, die ich mir trotz schmalem Geldbeutel hin und wieder als Luxus leistete, meist wenn ich Gäste hatte. Mit heute deutlich dickerem Geldbeutel geriet ich völlig außer Kontrolle.

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Apropos Augsburg: Eine spinnerte Einheimische nutzt die letzten Reste traditioneller Weberkunst der einstigen Textilmetropole für ihre Ideen (und webt zum Beispiel im Museum Jeansstoff – eine unglaubliche Geschichte). Großartige Aktion, bevor dieses Wissen völlig ausstirbt.
(via Frau Ziefle)

Bei dieser Gelegenheit lege ich Ihnen den Besuch des Augsburger Textilmuseums ans Herz. Ich war dort überwältigt von der reichen Geschichte, die das Museum ganz hervorragend aufbereitet (allein schon die Musterbücher!) – und traurig, denn es wurde ziemlich klar, dass es im 20. Jahrhundert einige Möglichkeiten gegeben hätte, zumindest einen Teil dieser Industrie zu retten, zum Beispiel durch rechtzeitige Spezialisierung auf besonders hochwertige Stoffe, durch Kooperationen mit europäischen Spitzenmodehäusern. Aber hinterher ist es immer leicht, schlau zu sein.

  1. Bleiben nur noch fünf aromatisierte Salze, die ich in den vergangenen Jahren geschenkt bekommen habe und für die ich eigentlich keine Verwendung weiß. []

Jüngere Lieblingstweets

Dienstag, 3. Mai 2011

Aus Zufällen fast eine Monatssammlung. Soll nicht wieder vorkommen.

England 2011

Montag, 2. Mai 2011

Noch ein paar zusammengefasste Eindrücke zum Stand der Nation.

Mode:
Im frühsommerlichen Wetter der vergangenen Woche sah ich viele, viele Kleider. Dominierender Stil: Langes Strandkleid der 70er. Ergab übrigens ein wunderschönes Gesamtbild an der Seafront, weil dieser Schnitt wirklich jeder Körperform steht, von Mutter Erde bis Gottesanbeterin.

Auch wenn die Schuhläden fast ausschließlich höchsthackige Schuhe zu verkaufen scheinen, trugen die echten Frauen fast alle Ballerinas und sehr flache Sandalen, meist römischen Legionärsstils.

Badelatschen werden zu meinem großen Bedauern wohl dauerhaft als echte Sandalen eingestuft und entsprechend getragen.

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Thor guckten wir letzte Woche auch noch, in 3D (überflüssig). Oyoyoy, man muss schon sehr eingefleischter Marvel-Fan sein, um dem Film etwas abzugewinnen. Die nicht-irdischen Szenen waren schrecklich gestelzt, Bühnenbild und Kostüme dafür beliebig. Kein einziger interessanter Charakter (na ja, vielleicht noch die Praktikantin), dafür die total unmotiviert platzierte Figur des Erik Selvig. Zudem weiß ich jetzt: Patrick Doyle kann auch richtigen Müll komponieren.

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Beim Fernsehen festgestellt, wie viel mehr in UK mit Social Media gearbeitet wird: TV-Werbung enthält ständig Verweise, zum Beispiel der Spot für Fugenmasse einen Hinweis auf Anleitungsvideos auf Facebook. Überhaupt: Statt zur Firmen-Websites schickt die Werbung die Verbraucher auf die Facebook-Page des Unternehmens.

Und: Wann der nächste Bus kommt, kann man in Brighton an der Haltestelle per SMS abfragen.

Sehr nett auch: Twitter-Streams aller Polizeistationen der Gegend, Überblick bei Sussex Police.