Bayerischer Tango
Sonntag, 5. Juni 2011 um 16:41Tanzmeisterin Katharina Mayer hatte uns den Wink gegeben, dass eine Tanzrunde zwar üblicherweise aus drei Tänzen besteht, dass sich aber die Musi durch nachdrücklichen Applaus zu einem vierten überreden lässt. Nur, so warnte sie, entscheide dann halt auch die Musi, welchen Tanz sie spiele.
Auf dieses Spiel ließen wir Volkstänzer uns, die wir an diesem Sommerfreitagabend zum Tanzboden des Münchner Kulturreferats gekommen waren, gerne ein: Ab sofort klatschten wir nach jeder Tanzrunde einen vierten Tanz herbei. Doch die Musi, der Niederbayerische Musikantenstammtisch, kannte das Spiel schon länger und spielte es mit Schalk: Erst bekamen wir eine Speedpolka (meine Bezeichnung) serviert, doppelt so schnell wie die vorhergegangene (das war das erste Mal, dass wir uns an die Maxime der Tanzmeisterin hielten: „A Schieba geht imma.“ und den eigentlichen Polkaschritt abkürzten), in einer anderen Runde war uns gerade der Zwiefache beigebracht worden, ein einfacher, regelmäßiger – da spielte uns die Musi als vierten Tanz einen derart komplexen Zwiefachen um die Ohren, dass die Tanzfläche schnell einem Schlachtfeld glich. Doch am wenigsten erwartet hatte ich den Tango, der einmal als Zugabe erklang: Einen astrein bayerischen astreinen Tango. Oh ja, das geht.
Seit einem Übungstanzen für den Kocherlball vor drei Jahren steht meine E-Mail-Adresse auf dem Verteiler zum Thema Volkskultur des Münchner Kulturreferats, und drei bis vier Mal im Jahr bekomme ich Hinweise zugeschickt – leider meist zu kurz vor Veranstaltungen, als dass ich unflexible Stubenhockerin sie einplanen könnte. Doch diesmal kam der Hinweis auf einen Tanzboden im Erkerzimmer des Hofbräuhauses schon zehn Tage vorher: Genug Zeit, eine Freundin zu fragen, ob sie mit dem Mann an ihrer Seite mitkommen mag und den Mitbewohner freizuhalten.
Die meisten Tänzerinnen und Tänzer kamen tatsächlich in Dirndl oder international anerkannt Bayerischem. Doch mindestens 20 Prozent tanzten in Alltagskleidung. Mir waren vor allem ein schön schwingener Rock und tanzbare Schuhe mit kleinem Absatz wichtig.
Ein Spaß war das Ganze von Anfang an. Das lag zum einen an der unerschütterlich erfrischenden jungen Tanzmeisterin (die ich schon von Kocherlbällen kannte), zum anderen an den wunderschönen Räumen im zweiten Obergeschoß des Hofbräuhauses (ja, DIESES Hofbräuhauses), die für die etwa 100 Menschen genau richtig waren (mehr hätten es aber nicht sein dürfen). Vor allem aber machte die Musik den Ton der Veranstaltung aus: Vier eher junge Menschen, die genau die Art Volksmusik spielten, die die eigentlichen Wurzeln respektiert und sie in die heutige Zeit weitergärtnert. (End of metaphor.) Mei, ich bin halt mit der Biermösl Blosn aufgewachsen. Das Bayerische Fernsehen nimmt seinen öffentlich rechtlichen Auftrag in dieser Hinsicht erfreulich ernst und hat für diese, wie ich finde echte, Volksmusik ein eigenes Sendungsformat: Wirtshausmusikanten.1
So standen im namensgebenden Erker des Tanzsaals auch eine KapellmeisterIN und ein Tubaspieler mit beeindruckender Rastalockenpracht, in den Händen eine verbeulte Tuba, die vermutlich bereits den 30jährigen Krieg mitgemacht hat – als Waffe. Sie spielten Kuckuckspolka, Boarischen, Walzer, Scheemarie, Polka, Zwiefachen und was sonst auch immer die Tanzmeisterin ansagte (die als Partnerin zum Vortanzen ihre Mutter mitgebracht hatte). Und sie bewiesen mehrfach, dass es von einer Polka nicht weit zum Dixie ist und wieder zurück, dass auch sonst bayerische Tänze ziemlich viel Swing enthalten.
Vielleicht mögen Sie mal reinhören?
Ich hatte erwartet, dass es sich bei den Tanzpaaren um eine Gemeinschaft handelt, die sich zumindest regelmäßig auf dieser Art Veranstaltung trifft, doch anscheinend kannten sich die Leute nicht. Allerdings kommt niemand auf einem Tanzboden drum herum, zumindest einige Fremde ein wenig kennenzulernen: Zwei Runden begannen mit Kreistänzen, die jedem drei bis vier Mal einen fremden Tänzer, eine fremde Tänzerin in die Arme spielten. Mit der/dem letzten davon galt es, die Runde zu Ende zu tanzen. Komisch: Wo ich mich sonst ausgesprochen ungern von fremden Menschen anfassen lasse, machte mir das durchaus Spaß. Außerdem weidete ich mich an dem Unbehagen des fremden Tänzers, mit dem ich die eine Runde beschloss: Er sah immer wieder zu seiner eigentlichen Partnerin hin und winkte – wurde ich da Zeugin eines heraufdräuenden Eifersuchtsdramas? Aber er tanzte Walzer auch linksrum mit mir, einfach so und ohne Probleme. Ich hätte sofort um seine Hand anhalten sollen.
Ach was, auch mit meinem mitgebrachten Tanzpartner, dem Mitbewohner, feierte ich Erfolge: Bei zwei Zwiefachen hatten wir ganz am Ende tatsächlich die Taktwechsel heraus und tanzten sie nahezu flüssig fertig.
- Auch wenn ich durch Anke Engelke für jede Art von fröhlicher Dirndlträgerin als Moderatorin verdorben bin – diese Parodie ist nunmal besser als jedes Original. [↩]
1 Kommentar zu „Bayerischer Tango“
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5. Juni 2011 um 21:47
Was für eine schöne Gelegenheit zum Üben!
Ich benötigte gefühlte 100 Jahre, um beim Walzer (und sogar beim langsamen Englischwalzer) die Seite zu wechseln. Und um dies noch einigermassen mit Elegance zu bewerkstelligen, brauche ich einen verdammt sicheren Partner.
Und Bern ist auch nicht München.