Status der Bewegtheit
Donnerstag, 2. Juni 2011Ich empfehle Ihnen als Lektüre „Partnertausch in der Kuschelhölle“: Maike Hank und Nilz Bokelberg machen zusammen einen Tanzkurs und schreiben darüber für Der Freitag. Der Text ist wirklich gut, allein schon wegen des Ausdrucks „hinterhältige Parkett-Wallraffs“, aber ich habe ihn sicher auch deshalb so gern gelesen, weil ich ein bisschen in Maike verliebt bin, die ich zur re:publica zum ersten Mal seit dem blogmich vor sechs Jahren wiedergesehen habe.
Jetzt hätte ich durchaus was zu bloggen, denn die vergangenen Tage waren sehr voll. Vieles davon möchte ich aber erst mal durchdenken und erst aufschreiben, wenn ich es mit Daten und Fakten füllen kann. Ich musste in meinen beruflichen Projekten Niederlagen verkraften, überhaupt passiert dort gerade einiges nicht so Schönes (glücklicherweise besteht meine direkte Umgebung weiterhin aus angenehmsten und stützenden Kollegen, Kolleginnen und Chefs). Zudem will sich mein allgemeines Unbehagen über die gesellschaftlich akzeptierte Marketing- und Verkaufskultur einfach nicht legen, sondern verstärkt sich. Erleichtert bin ich, dass sich dieses Unbehagen weiterhin nicht in Zynismus verwandelt – auch wenn die Alternative Ärger und Wut in pubertärem Ausmaß sind, die sich nicht gerade angenehm anfühlen. Doch noch bin ich nicht so weit, dass ich erfolgreiche machivelli’sche Finten mit „so ist die Welt halt“ betrachte, sondern mich aufrege, weil ich nicht will, dass die Welt so ist.
Dann hatte ich interessante Gespräche über Wirtschaftsethik, was ich gerade in meiner derzeitigen Stimmung als Oxymoron empfinde. Darin enthalten war ein für mich überraschender Hinweis auf den finanziellen Hintergrund vieler ökologisch motivierter und oft preisgekrönter Geschäftsprojekte von Frauen: Sie werfen keinen Gewinn ab, sondern werden von den Ehemännern bezahlt, aus deren konventionellen Arbeitsverhältnissen. Heute wird den schmückenden Frauen an seiner Seite halt nicht mehr eine Boutique eingerichtet, sondern ein Öko-Projekt. Dazu suche ich aber noch Zahlenmaterial. Tatsächlich hatte ich mich ja schon das eine oder andere Mal gewundert, wovon die Anbieterinnen von Dawanda-Produkten wohl leben – Preis-Aufwand-Verhältnis können bei den meisten unmöglich einen Lebensunterhalt abwerfen.
Und jetzt weiter mit dem langen Wochenende.
Nachtrag am 4. Juni: Laut einer E-Mail von Dawanda an mich „können rund 30% der Shopbetreiber bei DaWanda von ihren Einkünften durch ihr kreatives Schaffen leben“. Mitgeschickt hat die PR-Abteilung auch einen Text, laut dem „Mütter häufiger selbstständig als kinderlose Frauen“ sind, allerdings wird zwischen beiden Zahlen keine Verbindung hergestellt (also wie viele Mütter und wie viele Nichtmütter aus dieser Gruppe von ihrem Einkünften aus Selbständigkeit leben können).
Diesen Text kann ich online nicht finden, doch er bezieht sich auf dieses Arbeitspapier der Hertie-Stiftung, das sehr differenziert berichtet. Unter anderem wird die Existenz von Vätern einkalkuliert (Schritt in die Selbständigkeit bei Kindern im Haushalt sogar noch wahrscheinlicher als bei Müttern, S. 20) und die „Zuerwerbsselbständigkeit“ erwähnt, um die es mir geht: „So gehörten im April 2001 62 Prozent der Gründerpersonen im Zuerwerb dem weiblichen Geschlecht an und nur 38 Prozent dem männlichen.“ (S. 19)
Nichts davon jedoch bezieht sich allerdings auf die Ökoprojekte als Geschäftsmodell, die meinen Gedankengang ausgelöst haben.