Journal Sonntag, 26. Februar 2012 – Elternessen

Sonntag, 26. Februar 2012 um 21:46

Am selben Tag veröffentlicht, um nicht mit dem Livebloggen von der Oscarverleihung durcheinander zu kommen.

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Morgens weiter am Weinbrot gearbeitet, das unterm Strich ein weiteres fast misslungenes Brot wurde (statt großporig wurde es eher kompakt) – dabei hatte ich den Fluch der letzten Brote damit brechen wollen, dass ich eben keinen Sauterteig verwendete. Komisch.

Weiteres Unglück des Vormittags in der Küche: Mir entglitt der Glasdeckel unseres besten Bräters und er zerbrach küchenweit.

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Eltern und Schwiegereltern zu Gast.

Als Vorspeisen drei Gerichte von Ottolenghi:
Buschbohnen und Mangetout mit Haselnüssen und Orange
Gegrillter Brokkoli mit Chili und Knoblauch
– Auberginen mit Safranjoghurt und Granatapfelkernen (köstlich, aber noch unverbloggt)

Als Hauptgericht gab es einen englischen Lammeintopf nach Jamie Oliver, zum Nachtisch einen weiteren Versuch Pistazien-Crème brûlée – deutlich zu flüssig, ich gebe die Versuchsreihe hiermit auf.

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Weitere neue Details aus der Kindheit meines Vaters erfahren (er scheint sich alterstypisch an immer mehr zu erinnern). Wir kamen auf das Trinken aus einem porrón. Mein Vater erzählte, dass er das von klein auf beherrschte und bis heute davon profitiert, gleichzeitig schlucken und atmen zu können. (Da war wohl dieser Kellner in Ungarn, der mit dieser Trinkweise angab und meinem Vater nicht glauben wollte, dass er das für keine Kunst hielt – klar gehe der so getrunkene Wein aufs Haus. Er lachte nicht lang.) Tío Demetrio, einer der Onkel, zu denen mein Vater in den 50ern als Bub in den Sommermonaten aufs Land geschickt wurde, damit diese ihn gegen Arbeit auf dem Hof durchfütterten, dieser tío Demetrio habe einen porrón mit ganz kleinem Loch am Mittagstisch verwendet, aus dem ein elend dünner Strahl geflossen sei. Teller habe es keine gegeben, der Topf mit dem Essen sei in die Mitte des Tisches gestellt worden, um den sich jedes Jahr ein weiteres Kind drängte. Satt wurde nur, wer sich ran hielt. Wenn man also gerade den porrón in Händen hatte, stand man vor der Wahl: Eine Minute Ministrahl, um wenigstens einen Mund voll Wein zu erwischen, oder nur ein bisschen Wein, dafür aber einen größeren Anteil am Mittagessen erwischen. Teuflisch.

die Kaltmamsell

4 Kommentare zu „Journal Sonntag, 26. Februar 2012 – Elternessen“

  1. Tanja meint:

    Das Porrón-Dilemma eignete sich sehr gut als Romananfang. Das dachte ich auch oft, wenn meine Grossmutter, ein Verdingkind, erzählte. Heutzutage denken viele, die Dilemmata kämen von unseren vielen Entscheidungsmöglichkeiten her. Dabei gab es sie in entbehrungsreichen Zeiten erst recht, “teuflisch” ist das passende Wort.

  2. Sebastian meint:

    Na, da ist es ja gut, wenn man sich zumindest nicht noch ums Atmen kümmern muss. Wobei ich das noch nicht ganz begriffen habe – muss man gleichzeitig schlucken und atmen, wenn man aus dem porrón trinkt oder ist es nur ein gutes Training dafür. Oder wie?

    “er scheint sich alterstypisch an immer mehr zu erinnern” – wann kommt man denn in dieses Alter? Mir fällt das nämlich seit Mitte vierzig auf, und ich glaube, ich bin etwas jünger als der Vater. Meine Theorie war bisher: möglicher erster Schub bei Geburt eigener Kinder, wobei das eher ein Neu-Erleben ist. Reines starkes Erinnern dann, wenn Eltern oder andere seit langem nahe Menschen sterben.

  3. fxf meint:

    Zu flüssige Crème brulée – das lag bei mir meist daran, daß das Wasser im Wasserbad zu kalt war. Seitdem ich von Anfang an heißes Wasser angieße, ist das Problem verschwunden.

  4. die Kaltmamsell meint:

    Im Wasserbad wiederum, fxf, wird mir die Crème zu sehr Eierstich – wenn ich Flan haben möchte, mache ich Flan: https://www.vorspeisenplatte.de/speisen/2009/01/cremekrieg.htm
    Ich nehme an, dass die gemahlenen Pistazien irgendwas Fundamentales an meiner bewährten Methode kaputt machen.

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