Jetzt kommt was zu Architektur – gell, das hätten Sie nicht erwartet.
Seit ich denken kann (ich meine das wörtlich: Seit ich mir über sowas Gedanken mache, also circa ab dem Alter von 16), wundere ich mich über den Hang der Volksseele zu Bauharmonie. Großgeworden bin ich ja in Ingolstadt, und in den Siebzigerjahren meiner Kindheit gab es dort noch sehr viele Bombenloch-füllende Zweckbauten. Als in den 80ern endgültig der Audi-Reichtum ankam, wurden diese nach und nach durch „was Schönes“ ersetzt. Damit waren Gebäude gemeint, die den Kleinadelbarock der Umgebung imitierten. Das war sehr, sehr hübsch. Doch schon als 16jährige bemerkte ich mit Unbehagen, wie mir beim Anblick das Gehirn vor lauter „a meeeeei, scheeee“ einschlief.
Dabei hatte dieselbe Stadt durchaus anregende Architektur zu bieten: das Stadttheater, auf einem großen freien Platz gelegen, mit Blick auf die Donau. Die Ingolstädter hassten es.
Ich bin mir übrigens sehr sicher, dass es uns noch leid tun wird, dass wir die Bombenlochfüllerbauten restlos abgerissen haben („Ah geh, des greisliche Zeig.“): Sie waren so deutlich wie nur Weniges Zeugnis ihrer Zeit.
Spätestens bei meinem ersten Besuch in Wien 1986 war ich von der selbstbewussten Umsetzung zeitgenössischer Architektur in historischer Umgebung fasziniert. Auf mich wirkte sie wie eine unwiderstehliche Aufforderung zum richtig Hinschauen, sowohl auf das Neue als auch auf das Alte. Klar kann man das gut machen und schlecht. Deswegen habe ich mich sehr über dieses Beispiel auf dem ohnehin sehr empfehlenswerten Blog ignant gefreut: Das Projekt Janus des Architekturbüros Mlzd, die Erweiterung des kommunalen Museums der Schweizer Stadt Rapperswil-Jona.
Als deutlich unangenehmer empfinde ich Modernisierungen aus lange vergangenen Jahrhunderten, zum Beispiel die barocke Westfassade, die Gabrieli an de gotischen Eichstätter Dom klatschte oder die Rokokokokitschkapelle im Augsburger Dom (auch wenn sie zur Vorstellung anregt, Elizabeth Taylor könnte darin mehrfach geheiratet haben).