Wenig erforschte Sprachräume
Donnerstag, 12. April 2012 um 10:45Fachjargon wird gerne gesammelt, unter anderem damit Fachfremde sich darüber amüsieren können. Zum Beispiel heißt eine Gruppe Rehe auf der Wiese für Jäger nicht Herde, sondern Sprung: ein Sprung Rehe (hihi). Die wirklichen Schenkelklopfer aber liefert modischer Jargon, vor allem wenn seine Neologismen zum Angeben verwendet werden. Vielleicht mögen Sie in einer freien Minute mal bei Beratersprech vorbeischauen?
Allerdings habe ich festgestellt, dass es auch beratungsunabhängig Besprechungsjargon gibt. Ich bilde mir ein, dass er nur im beruflichen Büroumfeld zu hören ist (nehme also an, dass auf Baustellen und unter Freiberuflern anders gesprochen wird). Oder bilde ich mir das nur ein? Vielleicht können wir gemeinsam herausfinden, unter welchen Umständen diese Wortwahl vorkommt bzw. erwartet wird – und ob es sich überhaupt um einen abgrenzbaren Jargon handelt.
– den Hut aufhaben (= die Verantwortung tragen / leiten)
– (ein Projekt) aufgleisen
– (einen Projektschritt) eintüten
– zeitnah
– sich kurzschließen mit (= auf etwas ansprechen)
– (eine Absprache) festzurren
– auf der Uhr haben (= bedenken)
– zahlt auf das Thema ein (= unterstützt ein Anliegen)
– etwas in verschiedene Kanäle spielen (= Personen / Abteilungen darüber informieren)
Kommen Ihnen meine Beispiele bekannt vor? Kennen Sie weitere?
die Kaltmamsell60 Kommentare zu „Wenig erforschte Sprachräume“
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12. April 2012 um 11:10
ach, was für ein schönes Thema! Ich frage mich auch manchmal, ob ich es mir unnötig schwer mache, weil ich versuche ohne diese Begriffe auszukommen.
ganz bei jmd. sein (=jemandem zustimmen) fällt mir spontan noch ein.
12. April 2012 um 11:13
In meinem Umfeld gebräuchlich:
– eintüten
– zeitnah
– sich kurzschließen mit
– festzurren
einer meiner Lieblinge aus dem handwerklichen Bereich:
dengeln (nicht wirklich fachgerechtes improvisieren)
12. April 2012 um 11:23
Bis auf zeitnah wird hier (freiberufliches Umfeld) nichts von den genannten Begriffen verwendet (und zeitnah statt bald find ich auch doof). Dafür gibt es hier andere Ausdrücke, die ich allerdings nicht zwingend dem beruflichen Umfeld, sondern allgemeiner Sprachschluderei zuordnen würde, so beispielsweise
– in 2011 (= im Jahr 2011)
– am Ende des Tages (= letztlich, schließlich, als Ergebnis)
– ganz bei jdm. sein (waaaah! Fluchtreflex setzt ein!)
– d’accord gehen (Fluchtreflex, siehe oben)
– wie statt als
– erinnern wird nicht reflexiv gebraucht
12. April 2012 um 11:26
@Marquee
Dengeln ist aber auch ein “ordentlicher” Handwerksvorgang:
http://de.wikipedia.org/wiki/Dengeln
Vielleicht nicht jedem bekannt.
Zu meiner Textbausteinverwendung:
– den Hut aufhaben (= die Verantwortung tragen / leiten)
wird hier firmenintern verwendet, der Verantwortungsträger hat sogar nicht den Hut auf, sondern er IST der Hut ;)
– (ein Projekt) aufgleisen
Noch nie gehört
– (einen Projektschritt) eintüten
Kenn ich, aber nicht im aktiven Sprachgebrauch.
– zeitnah
quasi Umgangssprache
– sich kurzschließen mit (= auf etwas ansprechen)
Umgangssprache
– (eine Absprache) festzurren
Ja. Was ist daran erwähneswert?
– auf der Uhr haben (= bedenken)
kenn ich nicht
– zahlt auf das Thema ein (= unterstützt ein Anliegen)
kenn ich nicht
– etwas in verschiedene Kanäle spielen (= Personen / Abteilungen darüber informieren)
kenn ich nicht
Ergänzungen:
ranlöten – etwas auf McGuyver-hafte Art physisch anbringen, aber auch gern auf Programmierebene etwas ergänzen. Die Wahl der Mittel ist dabei freigestellt, aber es muss unsauber sein :)
12. April 2012 um 11:43
Bei zwei Ihrer Beispiele, Sabine, musste ich mir meine Abwehr wegerklären lassen:
– “in 2011” habe ich immer eisern als Anglizismus wegredigiert, doch das hat wohl Belege im deutschen Sprachraum bis zurück ins 18. Jahrhundert (Quelle finde ich leider nicht auf die Schnelle)
– und “etwas erinnern” führt sogar der Duden als eine Verwendungsform auf, “bes. nordd.”, da mag ich als Bayerin noch so zucken.
12. April 2012 um 11:56
Zeitnah ist hier geläufig. Die meisten anderen Wendungen kannte ich überhaupt nicht. Mag daran liegen, dass bei uns Englisch die Unternehmenssprache ist. Aber auch im Ungang mit deutschen Kunden würde ich solche Wendungen als unprofessionell empfinden.
12. April 2012 um 12:27
Bis auf „aufgleisen“ redet die Beratung hier in der Werbeagentur den ganzen Tag genau so. Im Angebot hätte ich noch: „Das müssen wir dem Kunden kommunizieren“ für „Das müssen wir dem Kunden erklären“. Danach möchte ich immer duschen.
12. April 2012 um 13:03
kenne ich alle. liest sich für mich wie ein internes firmen-email ;-) schlimm außerdem: “dazu müssen wir uns committen” oder “PS auf die straße bringen” und natürlich immer wieder “asap” (as soon as possible) in all seinen variationen: “asapst” (schnellstens) oder “asapissimo”.
12. April 2012 um 13:23
@Julia: bei einem Mail mit Wörtern wie “asapissimo” würde ich den Absender höchstens höflich darauf hinweisen, das ich leider kein italienisch spreche ;o)
In meinem Umfeld gerne genommen:
“Das steckt noch in der Pipeline” heißt: ist in der Mache (und wird wahrscheinlich nie fertig….;)
“Ich habe die Veranstaltung auf dem Schirm” heißt: ja, ich sehe sie schon nahen.
12. April 2012 um 13:31
– (etwas ) “ausfassen” – Aufforderung etwas abzuholen, kann ein Schlüssel, Kalender oder Gehaltsabrechnung sein.
12. April 2012 um 13:31
Hier (Hamburg, öffentliche Verwaltung aber mit EU-Sachen beschäftigt und deshalb viel Englisch) sprechen und schreiben sie auch alle so. Ich zucke innerlich noch immer bei “das macht keinen Sinn” und “ich kann das nicht erinnern” zusammen. Und apropos “dengeln” ich kenne die Formulierung “das ist handgedengelt” auch als Ausdruck für nicht wirklich fachgerechtes improvisieren.
12. April 2012 um 13:39
Höre gerade die Kollegin telefonieren:
– “da haben wir keine Stakes drin” (oder doch steaks?)
12. April 2012 um 13:46
Wenn ich von einem Büromenschen (Banker, Versicherung, Vertreter) mit “Ich grüße Sie” angesprochen werde möchte ich immer laut fragen “von wem ?”. Außerdem stört mich persönlich die inflationäre Benutzung des Hilfsverbs sein (bin, bist, ist, sind) in der allgemeinen Umgangsprache, und das Fernseh- und Radiosprecher nicht wissen wie Vokale richtig betont werden, z.B. Magdeburg da ist das a ganz kurz, nicht so lang wie bei Magd (da ist es länger). Aber ich finde ja auch jeden Rechtschreibfehler in der Zeitung (nach alter Rechtschreibung).
12. April 2012 um 14:00
Re: „stakes drin“ – einer meiner liebsten Texterkollegen rief gerne scherzhaft durchs Großraumbüro, wenn mal wieder wer sein Telefon nicht auf den Empfang umgestellt hatte, weswegen es klingelte wie doof: „HIER KOMMT GRAD EIN CALL REIN!“ <3
12. April 2012 um 14:08
Was ich sehr schön finde: Jemanden “da abholen, wo er steht”. Gerne mal den Kunden oder die Zielgruppe.
Ansonsten ist das doch auch “kein Hexenwerk / keine Rocket Science”.
Und man kann verschiedene Themen schön “runterbrechen”.
12. April 2012 um 14:08
Hach, Sie sprechen mir aus der Seele, ganz ganz schlimm dieser Besprechungsjargon. Und entlarvend, diese Worthülsen. Ich möchte noch ergänzen “gut aufgestellt sein”, “mit Dank und guten Worten” (=heißt: i”st mir ganz egal”) und als Abschlußformel “Frohes Schaffen”.
12. April 2012 um 14:19
Vor allem wird da jede Menge “in die Tüte gesprochen”.
Zum Glück!
12. April 2012 um 14:27
mir stellen sich ja die nackenhaare auf bei “da bin ich fein mit” – nur mal so in die tüte gesprochen ;)
12. April 2012 um 14:33
Als Freiberuflerin mit behördlichen Wurzeln sind mir völlig geläufig: den Hut aufhaben (das ist schon uralt), eintüten, zeitnah (örks), sich kurzschließen (gibt es auch schon ewig), festzurren.
Noch nie gehört habe ich aufgleisen, auf der Uhr haben, auf das Thema einzahlen und
etwas in verschiedene Kanäle spielen.
Aber natürlich hat jeder Bereich seinen Jargon. Als ich mich selbstständig machte, wusste ich nicht einmal, was briefen ist …
12. April 2012 um 14:48
Oh ja, kenn ich fast alles. Ich arbeite im IT-Bereich und hier wird auch unentwegt aufgegleist, eingetütet, abgeholt und sich kurzgeschlossen.
Hinzufügen möchte ich noch meinen persönlichen Hass-Favoriten: Aufschlauen (= schulen, einweisen).
12. April 2012 um 14:51
ist so. genau so. ich hab noch “knopf dran machen” (vertrag abschließen), “die kuh vom eis” (problem beseitigt), beides aus dem vertrieb.
12. April 2012 um 14:52
Berater (ich als Coach bin ja quasi auch so was) begeben sich gern mit dem Kunden “auf eine Reise”.
12. April 2012 um 15:25
Ich höre in letzter Zeit immer wieder etwas (Konflikt, Sache, what ever…) “eskalieren lassen” Die Götter allein wissen, was damit genau gemeint ist. Jedenfalls nicht einfach “eine Sache noch steigern”, sondern etwas hochgehen lassen. Wenn also jemand sagt: “wenn der Kollege X noch mal den letzten Kaffee wegtrinkt, ohne neuen zu machen, dann lasse ich das eskalieren”, meint er vermutlich “…dann ich in sein Büro und schrei ihn an”. Oder so.
12. April 2012 um 16:02
Ich glaube, zur gründlichen Aufarbeitung “brauchen wir hier mehr Kapa” (= Kapazitäten, gemeint ist Personal).
12. April 2012 um 16:59
Die “trockenen Tücher” fehlen noch, in die alle möglichen Dinge gebracht werden können. :-)
Ich arbeite in einer englischen Firma, daher herrscht bei uns ein eher buntes Durcheinander – inklusive meiner eigenen Sprache.
Wir “sind fein/fine”, “haben Calls”, “machen den Sack zu”, haben “Herausforderungen”, “committen” uns, etcpp
Zugegebenermasser zucke ich manchmal schon, bevor ich einen Satz zuende gesprochen habe…
12. April 2012 um 18:00
– zeitnah
– am Ende des Tages (waaargh!)
– das macht Sinn (urks!)
und mehr aus dem schulischen Bereich:
– aufstuhlen (mpf)
– einpflegen (argh)
– motivationsfördernd
– Rechenschaftsablage
– Ergebnissicherungsphase (einfach nur lang)
12. April 2012 um 18:49
Müsste man vielleicht auch einmal regionalspezifisch auswerten. Hier in Berlin in einschlägigen Kreisen noch nicht vernommen:
– (ein Projekt) aufgleisen
(nie gehört, dagegen oft: “müssen wir mal sehen, wie wir das Ding/die Sache am besten/am ehesten aufzäumen”.)
– (eine Absprache) festzurren
(nicht soo stark vertreten, eher vielleicht mitunter bei sehr bodenständigen Geschichten oder Mitarbeitern mit bodenständigem background)
– auf der Uhr haben (= bedenken)
(nie gehört, kenne ich nur als “auf dem Schirm…)”
– zahlt auf das Thema ein (= unterstützt ein Anliegen)
(nie gehört, hätte ich nicht einmal erraten können, wirkt auf mich beinah wie eine archaische Wendung von einer Handwerker-Gilde… oder so ähnlich. Sehr exotisch!)
– etwas in verschiedene Kanäle spielen (= Personen / Abteilungen darüber informieren) (ich verstehe zwar durchaus, was gemeint ist, kenne aber bislang nur ein, max. zwei Personen, die diese Formulierung kultivieren)
Das mit dem Eintüten höre ich oft von (gebürtigen) Berlinern nicht selten als “müssen wir dann mal gucken, wie wir das in Sack und Tüten bringen”
12. April 2012 um 18:51
Ich arbeite für eine US-Firma, die Sätze bestehen meist aus wildem Denglisch, committen, meeten, eine mail forwarden, die decision ist, ist das agreed? usw.
Ich merk das oft gar nicht mehr und schrecke erst auf, wenn mich Leute ausserhalb der Firma entgeistert ansehen. Und muss dann erst mal kurz überlegen, bis ich darauf komme, dass man für forwarden auch weiterleiten sagen könnte.
12. April 2012 um 18:55
Im Archiv der Stadt Dresden hat man ein Schreiben des Papstes Bonifatius aus dem Jahr 1399 gefunden. Der Papst verspricht darin den Gläubigen 40 Tage Ablass, wenn sie sich regelmäßig in der Kirche einen bestimmten Wechselgesang anhören.
Die Stadtverwaltung hat dazu eine Pressemitteilung herausgegeben. Zitat (Hervorhebung von mir):
Auf eine »durch die Geistlichkeit stattfindende Absingung« muss man auch erst mal kommen ;-)
12. April 2012 um 19:06
P.S.
und wie schon von anderen Kommentatoren erwähnt, die beliebte
“hm hm hm hamwer auch noch in der Pipeline”-Wendung sowie “müssen wir mal sehen, wie wir das so schnell wie möglich in trockene Tücher bringen”.
Nicht zu vergessen die weitervererbten, altväterlichen Militaristen-Überbleibsel wie “da sollten wir, bevor wir die Sache in Angriff nehmen, sicherheitshalber schon mal im Vorfeld gucken, ob wir an dieser Stelle nicht doch schwerere Geschütze auffahren müssen!”
12. April 2012 um 19:16
@allabouteve: eskalieren kann auch eine andere bedeutung haben.
http://www.natural-forces.de/frauen-verfuehren-die-initiative-ergreifen-und-eskalieren-verfuehrungs-tipp/
12. April 2012 um 20:08
“Ein Projekt aufgleisen” habe ich noch nie gehört, nur launchen oder Kick-off in diesem Zusammenhang. “Hut aufhaben” ist mir ebenfalls neu.
Statt “kurzschließen” gerne auch “Kontakt aufnehmen” und das bereits erwähnte “Einpflegen” (brr) in die Datenbank scheint mir ebenso verbreitet wie Excel.
“Mahlzeit” als Gruß ist mir bisher auch nur auf Bürofluren begegnet ebenso wie “bin auf 17”, was aber wohl aus dem Einzelhandel kommt.
Ich kenne noch den “jour fixe” (Banken) in bewusster Vermeidung des negativ konnotierten “meetings”.
Was mir auffäll: Im Büro wird viel gemacht (Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen?) – Ablage machen, Zeiterfassung machen, Termine machen – Druck und Kaffee natürlich auch.
Kein Fachjargon, aber eine kommunikative Auffälligkeit im Büroschriftverkehr: fehlende Anrede! Offenbar entsteht das aber oft nicht aus Unhöflichkeit, sondern weil eine Mail als nahtlose Fortsetzung der vorangegangen mündlichen/telefonischen/schriftlichen Kommunikation empfunden wird. Mir scheints trotzdem rüde.
12. April 2012 um 20:10
Huch – ich hatte gerade beim Lesen des Postings und der Kommentare lauter Stimmen von Kollegen im Ohr… ;o)
Einzige Ausnahme ist das “aufgleisen” – das habe ich noch nie gehört. Aber ansonsten klingt es bei mir im Büro (IT-Branche) genau gleich und da ich bundesweit Kollegen habe, ist mir das ein oder andere von Telefonaten her geläufig.
Fataler Haken bei mir: der Herzensmann ist in der gleichen Branche tätig, weswegen Gespräche am Abendbrottisch gerne ähnlich wie im jeweiligen Büro klingen. Da aber jeder den anderen versteht wird auch nicht korrigiert oder nachgefragt…
12. April 2012 um 20:27
ein Grossteil des Jargons ist auch in Norddeutschland bekannt und beliebt.
Ich kann noch aus der IT-Szene das “performand” beisteuern, das mein Exgatte gerne mal im privaten Umfeld von sich gab, wenn es um die Wochenendplanung ging. Leider wurde auch viel eskaliert, vor allem zum Ende unserer Ehe hin ;o)
In meiner alten Werbeagentur wurde mitunter geschrödert (=angeben, heute auch ironisch als “einen auf dicke hose machen” bekannt) oder auch mal ein (ungeliebter) Job abgehühnert (mit wenig Aufwand und Herzblut abgearbeitet). Aber das war rein interner Slang.
12. April 2012 um 21:24
Da fällt mir doch glatt Bullshitbingo ein: http://www.luftpiraten.de/bullshitbingo.html
12. April 2012 um 21:34
Ich habe schon gehört, wie IT-Spezialisten von ihren »hochperformanten Systemen« geschwärmt haben. An der Börse, aber auch im Management, soll es manchmal »Underperformer« geben.
12. April 2012 um 22:40
Ganz besonders charmant sind die Aussagen begeisterter Spieler.
“Meine Aufmerksamkeit während Besprechungen ist dramatisch angestiegen.”
– Karl A. – München
Die Gewinnchancen sind bei ergebnisorientierter Herangehensweise toll hoch!
12. April 2012 um 23:34
Die meisten der obigen Wendungen kenn ich nur zu gut aus dem Arbeitsalltag. Einer meiner persönlichen Favoriten ist aber hier noch nicht gefallen:
approven (=freigeben)
Gibts in vielen lustigenVariationen:
Ist das approved?
Wer muss das approven?
Nach Korrektur approved.
Ich kann das so nicht approven.
Geht heute ins approval.
Kommt morgen (nächste Woche, nächsten Monat etc.) aus dem approval.
Das muss der Kunde noch approven….
12. April 2012 um 23:54
“Eskaliert” wird bei uns im Öffentlichen Dienst auch sehr gerne, und zwar vorzugsweise “nach oben”: Wenn man sich auf der Arbeitsebene nicht einigen kann (z.B. darüber, wer “den Hut aufhat”), wird die Sache nach oben eskaliert – soll heißen, nach dem Chef gerufen, auf dass er eine Entscheidung treffe – und zwar eine “finale”!
Letzteres ist auch so ein Ausdruck, bei dem ich mich selbst immer häufiger ertappe. Das Wort “endgültig” scheint fast vollständig aus dem aktiven Wortschatz verschwunden zu sein. Hoffentlich noch nicht final.
@esther: “Jour Fixe” gibt’s bei uns auch, allerdings erst seit Antritt des aktuellen Marketingchefs. Voher hieß es “Dienstberatung”, wie auch bis heute in allen übrigen Abteilungen. Amtsschimmel, ick hör dir trapsen.
Und a propos Marketing: Ein Spruch, den ich echt nicht mehr hören kann, ist “Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler”. Anzuwenden etwa, wenn man akademisch-abgehobenen Kuratoren eine (vermeintlich allzu populäre) Werbekampagne schmackhaft machen will. Löst bei allzu inflationärem Gebrauch aber nur mehr Augenrollen und “orrr, Marketing nu wieder!”-Abwehrreflexe aus.
Sonst noch:
– (einen Standpunkt) verargumentieren
– (ein Produkt durch ein anderes) kannibalisieren
– (alles und jeden, und sei es nur einen Termin) kommunizieren
13. April 2012 um 7:44
Hut aufhaben, eingleisen und auf der Uhr haben werden wir ab sofort in unserer noch ganz frischen Kochbürogemeinschaft einführen.
Die Damen dort zucken immer noch, wenn ich in brenzligen Situationen den Klassiker der Kochsprache verwende: “Ich bin voll in der Scheiße” (werd nicht fertig, ist was angebrannt, halb neun und keine Bohnen im Haus), was mit “Ich bin voll im Stress” oder gar “Ich hab voll Stress” zu weitschweifig erklärt ist, heißt nämlich auch: Ich brauche sofort Hilfe. Werde es jetzt auch mal mit asapissimo probieren.
Und: Kenne keine Leute, die auch privat wie oben sprechen. Bin aber auch jemand, der “das macht Sinn” inzwischen akzeptiert hat, da scheint einfach ein Bedürfnis nach zu sein. Aber ich trink ja auch lieber Cappuccino mit Sahne.
Weiterer Kochjargon zur Würzung des Bürodeutschs (vor 25 Jahren in Hessen üblich, aber wohl immer noch gültig):
“Kann!”, auch “Tisch 12 kann” (die haben ihre Suppe gegessen, der Hauptgang kann fertig gemacht werden)
“Schicken!”, auch “Den Loup de mer schicken” (Ausruf meist vom Pass, also der Grenze zum Servicepersonal, das der Fisch auf Teller oder Platte kann und das auf den Pass kann, damit der Kellner rausgeschickt werden kann)
“Finger ausm Arsch!” (mach mal hinne)
Als Antwort auf all das ist ein “Qui, Chef!” immer gut, vor allem in deftigen Situationen.
Jenseits der Stoßzeiten wurde ganz normal gesprochen, statt Besprechungen gab es die Zettel, in der der Postenchef (Abteilungsleiter Fischküche z. B.) dem nächsten aufgeschrieben hat, was noch zu tun ist und “was steht” (also schon gemacht ist, z. B. die Gänsejus für das 400er Bankett im Saal Waldburg am Samstag).
Und weil ich mich grad so schön erinnere: Statt einen Termin wegen einer Gehaltserhöhung auszumachen ist man zum Chef ins gläserne Büro gegangen und hat gefragt, ob er kurz Zeit hat (weil immer nie jemand Zeit hatte) und hat dann gesagt, man will Demi-Chef (erste Stufe nach dem Commis, dem Kochgesellen frisch nach der Lehre) oder Partie-Chef werden (meist dann auch Postenchef). Was das in Zahlen bedeutet, wusste jeder, da man sich darüber im Team immer ausgetauscht hat. Sous-Chef ist dann schon mehr Verhandlungssache, aber so weit kam ich nicht – gilt auch nur für größere Küchen, nicht für Ihre Kneipe ums Eck. Und heute vielleicht gar nicht mehr.
13. April 2012 um 7:58
“aufhübschen”. Als ich das damals mindestens fünf mal aus dem Mund des neuen Chefs gehört habe, wusste ich, dass es Zeit ist zu gehen. War kein Fehler.
13. April 2012 um 8:32
Nach dem Beitrag von Sebastian spüre ich wieder ein ganz starkes Aufflackern meiner tiefen Liebe zu Berufsköchen. Toll, toll toll. Bin ein bißchen neidisch auf diese attraktive Berufssprache. Wobei man natürlich auch anderswo prima voll in der Scheiße sein kann. Und Finger aus’m Arsch! ist im Prinzip auch selten verkehrt!
13. April 2012 um 8:53
Großartige Idee, Sebastian: Ich werde in meinen letzten Wochen hier die Bürosprache ordentlich mit Berufsküchenjargon würzen. Das mit Finger und Dings vielleicht meidend, zumal ich mir die Formulierung nur laut vorstellen kann. Aber in der Wochenbesprechung die abgeschlossenen Projektschritte mit “kann!” zu markieren, müsste gehen.
13. April 2012 um 10:02
Danke! Wenn in der nächsten Besprechung von “zeitnah” und “eskalieren” die Rede ist werde ich verständnisvoll blicken und “Finger aus’m Arsch” denken.
Vor 25 Jahren hieß “ich bin voll in der ..” im Osten Deutschlands “ich schwimme gerade”.
Aus dem Akademiker-Schichtbetrieb steuere ich noch “passt!” oder “passt schon!” bei.
Übrigens: Besprechung, Meeting, Versammlung. Die Bezeichnung für Treffen zu Abstimmungszwecken oder zur Selbstdarstellung einiger Ausgewählter finde ich ja auch sehr interessant.
13. April 2012 um 10:40
Eine Wendung fällt mir noch ein: jemand sagt, dass er »eine Baustelle« hat, wenn noch etwas zu erledigen ist oder dass er »keine Baustelle« mehr hat, bevor er in den Urlaub fährt.
13. April 2012 um 10:41
Auch im psychosozialen Bereich mischt sich der eigene Fachjargon mit allerlei Berater-sprech. Ständig wird die „Qualität“ gesteigert und gesichert, damit man besser „aufge-stellt“ ist. Es wird „kommuniziert“ auf Teufel, komm ‘raus. Themen werden „platziert“. Ziele müssen „‘runtergebrochen“ und „S.M.A.R.T.“ sein. Geradezu inflationär wird von „Kunden“ gesprochen, womit nicht nur die Klienten, sondern auch die Kostenträger gemeint sind. Die „Compliance“ der Klienten gilt es ebenso zu fördern wie das „Commitment“ der Mitarbeiter – durch „Coaching“ zum Beispiel. „Synergieeffekte“ sind zu erzielen (seit mich meine Mitarbeiter dabei ertappten, dass ich den Begriff auch verwende, spreche ich nur noch davon, „mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen“). Hinzu kommen die berüchtigten Abkürzungsmonster: IHP, HPK, GPV, QMS, BSC (Individuelle Hilfeplanung, Hilfeplankonferenz, Gemeindepsychiatrischer Verbund, Qualitätsmanagementsystem, Balanced Score Card).
Zum Thema Abkürzungen und Anglizismen hatte der gute, alte Herbert Marcuse einst in „Der eindimensionale Mensch“ einige kluge, kritische Anmerkungen gemacht.
P.S. Wenn ein Vorgesetzter zu mir sagt “Da bin ich ganz nah/dicht bei Ihnen”, zucke ich sofort zusammen und bekomme eine Gänsehaut, weil das immer gelogen ist und nicht etwa Zustimmung signalisiert, sondern eine verklausulierte Abfuhr einleitet.
13. April 2012 um 11:01
@Kelly: In den meisten Punkten stimme ich Ihnen zu. Aber die Zielvereinbarung nach dem S.M.A.R.T.-Prinzip finde ich vernünftig. Dahinter verbirgt sich doch nichts weiter als eine Checkliste: Worauf muss ich achten, wenn ich mit jemandem gemeinsam ein Ziel formuliere?
13. April 2012 um 11:54
Da fällt mir gerade noch ein “da hab’ ich ein issue mit” – will heißen: ich habe damit ein problem, bin nicht einverstanden u.ä. gerne auch genommen in der variante: “da droht uns ein issue”, “der kunde hat damit ein issue” usw. nicht zu verwechseln mit issue-management, was keinesfalls krisen-management ist, sondern eher die bedeutung “thema, themengebiete” meint. wer soll da noch durchblicken? ich frage mich, wenn’s mal wieder arg wird mit dem beratersprech, gerne: “würde meine oma mich jetzt verstehen?” und wenn ich “nein” sage, formuliere ich um :) also, öfter mal an die oma denken!
13. April 2012 um 14:25
Issue? Ach wissen Sie, Julia, “ich bin da leidenschaftslos”.
13. April 2012 um 15:35
Gute Idee, Julia :)
Ich rede bewusst “normales” Deutsch, d.h. ohne diese ganzen Anglizismen und dieses ganze Berater- und IT-Sprech.
An meinem Arbeitsplatz (Verwaltung) ist das Gott sei Dank eh nicht so sehr verbreitet.
Dennoch ertappe ich mich hin und wieder auch dabei, “Event” zu sagen, anstatt “Veranstaltung” oder “checken” anstatt “prüfen”.
Und: bei dem Wort “zeitnah” komme ich fast immer in Versuchung, zu fragen: welcher Zeit wir uns denn nähern sollen ;o)
13. April 2012 um 15:43
Aber darauf, wie der Kunde (schlimmer noch privat) tickt, sollte man schon achten. Hab noch nie ‘n Menschen ticken hören. Sie?
Ich sage auch noch eisern Plakat zum Poster und Faltblatt zum Flyer. Leider bekehre ich selten jemanden. Meist merkts nicht mal wer.
13. April 2012 um 17:29
@Gaga Nielsen “Und Finger aus’m Arsch! ist im Prinzip auch selten verkehrt!”
Bis auf das eine mal, als der ägyptische Spüler das fröhlich dem Küchenchef zurief, weil er diesen dauernd gehörten Spruch für eine normale Grußform hielt.
@kaltmamsell Dann aber bitte am Ende “die Schürze ausziehen” – Küchenfachbegriff fürs Kündigen von Köcheseite (andersrum passiert’s eh kaum), das ich auch tatsächlich schon in dieser fristlos proaktiven Form erlebt habe – als ein Koch mitten im Buchmesse-Service das Geschrei des Chefs leid war, sein Schürze auszog, seine Messer nahm und ging. Waren wir da in der Scheiße!
13. April 2012 um 18:21
“hirnen” für nachdenken.
13. April 2012 um 19:47
Das klingt jetzt wahrscheinlich irgendwie bedenklich, aber mich macht der feldwebelmäßig zackige Küchenbefehlston ohne Häkelborte in Tateinheit mit virtuosem Turbo-Zwiebelhacken unheimlich an. Interessanterweise wirkt derselbe Duktus bei Militärangehörigen in Ausübung ihrer Profession genau gegenteilig. Das Geschrei und die mitunter grobe Wortwahl allein ist es nicht. Vielleicht weil darin so ein vehementer Wille zum Ausdruck kommt, etwas Ideales in einem gottgefälligen Zusammenhang zu erreichen. Küchenerotik halt!
13. April 2012 um 21:07
“Da müssen wir dann noch ein Preisschild dranmachen.” = “Wir müssen noch den Wert dieses Vorgangs ermitteln.”
“Über welche Hausnummer reden wir?” = “Welchen § meinst Du?”
13. April 2012 um 23:56
“aufoktroyieren”.
16. April 2012 um 8:37
Bei Spiegel ist es jetzt auch schon Thema. (Lesen die hier mit?)
http://www.spiegel.de/karriere/berufsleben/0,1518,827417,00.html
17. April 2012 um 16:45
– im Gegenzug
– und mein persönliches Lieblingshaßwort: proaktiv. (Den nächsten Anzugträger, dem dieses Wort in meiner Gegenwart herausrutscht, knebele ich mit seiner eigenen Krawatte.)
19. April 2012 um 22:15
Wie wunderbar doch die deutsche Sprache ist! Und wie bildhaft: aufgleisen, runterbrechen, eine Baustelle haben, aufhübschen, ranlöten, abhühnern. Und wie saftig: der bewusste Fingern etwa! Ich habe den Beitrag und die Kommentare mit viel Vergnügen gelesen. Asapissimo werde ich bei der nächsten Gelegenheit anwenden. Danke für die Anregungen zu einem kreativeren Sprachgebrauch!
23. April 2012 um 16:37
die rätselhafte aufforderung “das muss noch visueller werden” (rückmeldung zur grafischen umsetzung) versuche ich garnicht zu verstehen. hauptsache fremdwortwirrwarr.