Ein Wochenende mit anderer Leute Hobby
Montag, 21. Mai 2012 um 8:40Das Wochenende begann ausgesprochen wunderbar mit dem Freitagabend: Der Mitbewohner hatte meinen Wunsch nach schwarzen Spaghetti (aus Venedig mitgebracht) mit Garnelen erfüllt.
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Am Samstagmorgen backte ich aus dem am Vorabend angesetzten Teig Doppelte Weizenbrötchen. Hübsch und wohlschmeckend, definitiv wiederholbar.
Anschließend stellte ich fest, dass ich auf das eigentlich geplante Schwimmen überhaupt keine Lust hatte. Also ohne Umwege duschen, anziehen und eine Runde Lebensmitteleinkäufe ums türkische Eck. Bereits dort traf ich wie befürchtet auf Horden klar erkennbarer Fußbalfans – in den Wochen davor hatten Medienberichte, Plakatwände, Bürogespräche ja kaum ein anderes Thema gekannt als dieses eine Fußballspiel. Mittlerweile bin ich mir sicher, dass das nicht nur mein subjektiver Eindruck ist: Fußballmarketing wurde in den vergangenen zehn Jahren immer größer und erfolgreicher.
Doch das Wetter war so wunderbar – mit blauem Himmel, milden Temperaturen, die den Aufenthalt in der Sonne angenehm machten, mit sanften Lüften – dass ich unbedingt raus wollte. Ich überlegte lange, an welchen Stellen Münchens ich bei einem Spaziergang dem Fußballfantum am wahrscheinlichsten entkommen würde: Die nördlichen Isarauen schienen vielversprechend. Ich sollte Recht haben, doch leichtsinnigerweise nahm ich dorthin den Weg durch den Hofgarten und am Chinesischen Turm vorbei: Bis zum Anschlag voller Fußballfans beider Lager. In der U-Bahn zum Hofgarten war ich auch noch in ein Brüllduell zwischen rot und blau gekleideten Menschen geraten und sehr, sehr froh, dem engen Wagen zu entkommen.
Das brachte mich durchaus ins Grübeln über die Mechanik dieses Fanverhaltens: Das Brusttrommeln gegenüber den Fans der gegnerischen Mannschaft ist schon eine seltsame Inszenierung – die Fans setzen auf ein prospektives Spielergebnis, auf das sie nicht den geringsten Einfluss haben. Wenn die Mannschaftsmitglieder selbst dem Gegner ins Gesicht lachen und ihm eine furchtbare Niederlage androhen, ist das ja noch nachvollziehbar, schließlich sind sie diejenigen, die gegen diesen Gegner spielen. Doch wenn Fans den anderen Fans entgegenschmettern, deren Mannschaft werde am Abend aber sowas von in die Pfanne gehauen, müsste das doch eine ähnliche Glaubwürdigkeit haben wie die Drohung, es am Abend aber sowas von regnen zu lassen.
Das Verhalten muss also etwas mit Aberglauben zu tun haben: Die Fans nehmen an, dass ihr Einsatz und ihre Verteidigung der eigenen Mannschaft den Erfolg dieser Mannschaft wahrscheinlicher macht. Erinnert mich an die Rituale von Religiösen, die davon überzeugt sind, dass ihre Gebete und Spaziergänge zu entlegenen Kirchen das Weltgeschehen beeinflussen.
Möglicherweise würde ich mich ja sogar für Fußball interessieren – wären da nicht die Fußballfans.
(Samstagabend hat dann Samsung gegen Telekom und Audi gewonnen – das sollte der Automobilindustrie zu denken geben. Aber vielleicht hat ja auch Nivea verloren. Ich kriege die Mannschaften und die Wettbewerbe nicht mehr klargezogen.)
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Für den Sonntag waren höhere Temperaturen vorhergesagt, deswegen startete ich meine Laufrunde an der Isar möglichst früh, gleich nach meinem Morgenkaffee auf dem Balkon in wunderbarsten klaren Morgendüften (na ja, ein wenig beeinträchtigt vom Hamsterkäfig-Hautgout des benachbarten Forschungsinstituts).
Daheim backte ich mal wieder Schuedi.
Der Nachmittag gehörte dann dem Balkon, Tee und Kuchen sowie In One Person von John Irving. Zu Letzterem dieser Tage mehr.
die Kaltmamsell11 Kommentare zu „Ein Wochenende mit anderer Leute Hobby“
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21. Mai 2012 um 9:20
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Gerne gelesen
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21. Mai 2012 um 9:45
Mir wurde berichtet, selbst das Café des Literaturhauses sei fest in der Hand grölender Chelsea-Fans gewesen.
Mannschaftsbildung und die dazugehörige, zwangsläufig stoisch gegen andere gerichtete Fan-Mentalität ist mir auch ein Rätsel, erklärt aber so manches in Geschichte und Gesellschaft, wenn man genauer drüber nachdenkt.
21. Mai 2012 um 9:53
Sie nehmen die Fans zu ernst, ernster, als die meisten sich selber nehmen. Auch wenn es angesichts des dämlich-martialischen Gehabes schwer zu glauben ist: die meisten Fußballanhänger wissen, dass das komplett verrückt und sinnlos ist, was die da treiben. Sollte bei Ihnen doch ein Interesse an dem entstehen, was den Fan so an- und umtreibt, empfehle ich sehr gern Tim Parks: Eine Saison mit Verona (http://www.perlentaucher.de/buch/tim-parks/eine-saison-mit-verona.html).
21. Mai 2012 um 10:07
Das macht mir Hoffnung, Chris Kurbjuhn (vielleicht meinen die Religiösen das ja auch nicht ernst). Dann kann ich endlich auch herzlich über die Gewalt um Fußballspiele lachen.
Wenn die Fans das Nicht-Ernste jetzt noch ein wenig dezenter täten?
21. Mai 2012 um 13:14
Das mit dem Fan-Brusttrommeln ist doch z.B. an der Börse das gleiche: durch den Kauf von Aktien setzt man darauf, daß die Mannschaft (= Firma, deren Aktien man erwarb) da schon ordentlich spielen wird und am besten noch besser als die anderen (= höhere Dividende für mich rausspringt). Das Prinzip ist meines Erachtens also grundsätzlich übertragbar.
21. Mai 2012 um 13:25
Wollte nur mal eben schoene Gruesse aus Shanghai hinterlassen. Fuer den Besuchercounter bzw. die Weltkarte.
21. Mai 2012 um 21:12
Ich bin schon gespannt, wie Sie den Irving finden. Ich bin noch am Anfang und freue mich auf das Weiterlesen. By the way: Schöner Nagellack! Verraten Sie Farbe & Hersteller?
21. Mai 2012 um 22:33
Interessanter Artikel zu der Haltbarkeit von Beziehungen. Ich gehe aber davon aus, dass es bei ihnen nicht die Resignation ist, so hört sich das nie an.
22. Mai 2012 um 6:05
Der Nagellack, Julia, heißt “Resist & Shine” (sehe ich als Aufforderung an die Trägerin an), hergestellt von L’Oreal, und die Farbnummer ist wahrscheinlich 530 – das ist zumindest das einzige Detail, das sich vom Fläschlein mit einer anderen Farbe unterscheidet.
22. Mai 2012 um 15:10
Das sind sehr hübsche Zehen! Den glorreichen Samstag habe ich relativ ungestört von Fußball erlebt, auf dem Flohmarkt in Neuhausen. Erst abends vor der Glotze wurde es ungewollt heftig…ich bin ein Mensch und leide an Mitgefühl, auch mit Schweini.
23. Mai 2012 um 22:33
Oh ja, schoener Nagellack!