Gestern Morgen lachte ich beim Zeitunglesen laut auf: Die Literaturseite der SZ machte mit einem fünfspaltigen Artikel über Tex Rubinowitz und sein neues Buch Herumgurken auf; Alex Rühle hatte ihn verfasst.
Diese Kombination, Tex und Feuilleton der Süddeutschen Zeitung, erschien mir grotesk, und so lachte ich. Keinesfalls weil ich Tex Rubinowitz’ Werk nicht für Feuilleton-wert halte, Gott bewahre, der Mann macht Kunst! Sondern weil für mich Virtuelles und real life aufeinanderprallten.
Seither überlege ich, wie ich das meine.
Mein Internet, vor allem die selbst gemachten Inhalte, von Nichtteilnehmern meist social media genannt, besteht aus Menschen – ist also real. Denn diese Menschen sind nachvollziehbar, sind Teil der Information. Sie geben sich und ihren Hintergrund zu erkennen, viele davon habe ich persönlich getroffen. Felix Schwenzel referierte auf der re:publica 2012 unterhaltsam über die eigentliche Binse, dass das Internet aus Menschen besteht. In den Texten und Hinweisen dieser Menschen liest man die Menschen immer mit. Was übrigens nichts (weit verbreitete Fehlannahme) mit der Verwendung ihres bürgerlichen Namens zu tun hat.
Traditionelle Medien hingegen (Vorsicht: steile These) sind virtuell. Sie vermitteln mir die Realität durch einen Filter, der sich nicht zeigt und sich selten nachprüfbar macht. Ja, über den Artikeln stehen die Autorennamen. Und ja, als jahrzehntelange Leserin der SZ formt sich über die Zeit in meinem Kopf ein vages Profil dieser Redakteurin, dieses Redakteurs (steht auf Autos / hält Kinder für die besseren Menschen etc.). Aber die traditionelle journalistische Konvention besteht ja gerade darin, dass sich diese Menschen nicht zu erkennen geben – dass ihr Ziel zu sein hat, hinter dem Inhalt zu verschwinden, „objektiv“ zu berichten. Was nur knapp an der glatten Lüge vorbeischrammt, denn es gibt keine Information in den Medien, die nicht von Menschen ausgewählt, gewertet, gewichtet ist. Vom welchem Menschen aber und wie, das ist nicht Teil der Information, macht die Vermittlung virtuell.
Zurück zum aktuellen Beispiel. Tex Rubinowitz ist ein echter Mensch. Ich habe ihn im Web erlebt (er interagiert hier mit derselben Begeisterung wie Aug’ in Aug’) und bei persönlichen Begegnungen. Letztes Jahr in Klagenfurt erzählte er mir von seinem nächsten Buch, das sehr wahrscheinlich das eben als Herumgurken erschienene war – und Tex ist ein ganz wundervoller Erzähler. Allerdings erreichen seine Geschichten gerne mal einen Grad des Haarsträubens, der meine Skepsis hervorruft. Und so unterstellte ich ihm mir etwas vorzuflunkern, als er schilderte, dass die Finnen (Finnland, so hatte er eben gesagt, sei eines seiner absoluten Lieblingsländer) nicht nur großartige Musik machten (Tango), sondern im Sommer der finnische Lieblingssnack frische Erbsen seien: Jeder Flaneur in Helsinki habe eine Tüte mit Erbsenschoten in der Hand, sie würden auf der Straße verkauft, und knabbere Erbsen. Nee, jetzt ging er mir aber zu weit.
Ich hatte noch keine Gelegenheit, mich bei ihm für diese Anschuldigung zu entschuldigen: Inzwischen weiß ich, dass das wirklich so ist.
Wenn nun dieser Mensch in Bild und Besprochenwerdung durch eine virtuelle Welt auf meinem samstäglichen Frühstückstisch landet, dann ist das komisch.
(Fast hätte ich geschafft mir den Seitenhieb zu verkneifen, dass der SZ-Artikel auch deswegen virtuell ist, weil er nicht online steht, und es deshalb sinnlos wäre, empfähle ich Ihnen die reale Lektüre.)