Bachmannpreis 2012 – Aufräumen
Montag, 9. Juli 2012 um 8:38Der Bachmannpreis für Olga Martynova freut mich – allerdings war das Niveau der Texte dieses Jahr so hoch, waren die Einreichungen so vielfältig, dass ich keinen echten Favoriten hatte. Unterm Strich wurden alle meine Lieblinge ausgezeichnet: Martynova mit der scheinbar leichten Erzähltestreihe im Provinzstädtchen, Matthias Nawrat mit seinem grün-alternativen Schwarzwald-Mad Max, Lisa Kränzler mit ihren vom Zeitgeist vergifteten Kindergartenmädchen, Inger-Maria Mahlke mit der durch glasklare Sacherzähltechnik getriebenen Frau, Cornelia Travnicek mit dem für mich heutigsten Text und hervorragendem uneigentlichen Erzählen. Seit langem interessiert mich die Zukunft der deutschsprachigen Literatur wieder, ohne dass ich sehnsüchtig ins Englischsprachige schiele.
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Den Samstagabend hatte wieder der Lendkanal verzaubert: Eine halb-improvisierte Bar am Endstück des Lendkanals, nur aus Ausschank sowie Tischen und Stühlen im Freien bestehend. Zu welcher Kneipe kann man schon paddeln?
Und wo wird so höflich Graffiti ferngehalten?
Hier mischten sich gesellig Kandidaten, Jurymitglieder, ORF-Personal, Verlagswelt und Schlachtenbummler des Bachmannpreises, wie sonst nur nachmittags im Strandbad Maria Loretto.
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Am Sonntag nach der Preisverleihung meine erste und einzige richtige Mahlzeit dieser Klagenfurtrunde: ein schöner Ruccolasalat mit gebratenen Tomaten und Lammkottelets. Bis zur Abfahrt Schlendern durch die Innenstadt, Blicke in Schaufenster. Als ich mich gerade an der Konventionalität dieses Tortendekoausstatters ergötzen wollte, wies mich meine Begleitung auf durchaus unkonventionelle Details hin, die ich Klagenfurt nicht zugetraut hätte.
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Nach dem letztjährigen Heimfahrtsdesaster stattete ich mich vorsichtshalber gut mit Proviant aus. Und kurz nach der deutsch-österreichischen Grenze sah schon wieder alles nach Unwetter aus, dann hielt auch noch der Zug auf freier Strecke. Doch wir kamen nochmal davon: Das Hindernis war eine Signalstörung, wir trafen mit lediglich halbstündiger Verspätung in München ein.
Das Zugabteil teilte ich mit fünf jugendlichen Pfadfinderinnen. Nicht nur weiß ich jetzt, dass die Jugend heutzutage (TM) noch Stadt-Land-Fluss spielt, sondern auch, dass eine rätselhafte Ponywelt existiert, die so reich bevölkert ist, dass sie eine eigene Kategorie in diesem Spiel hergibt. Und ich lernte von den fünfen das Wort „Computergammeln“ („Hat der irgendwelche Hobbys?“ „Na ja, Computergammeln halt.“) – eine echte Bereicherung meines Vokabulars.
Nachtrag: Halt! Es gab ja einen weiteren Preis in Klagenfurt! 45 Minuten vor dem Preis im ORF-Theater erhielt Matthias Nawrat den Preis der Automatischen Literturkritik der Riesenmaschine.
die Kaltmamsell10 Kommentare zu „Bachmannpreis 2012 – Aufräumen“
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9. Juli 2012 um 9:07
Computergammeln? Wird recherchiert. Schlachtenbummler – danke für die Erinnerung. Das Wort schillert immer mehr, je länger man es betrachtet.
9. Juli 2012 um 12:27
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Gerne gelesen
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9. Juli 2012 um 14:46
Computergammeln. Wieso erfahren wir Jahrzehnte später, wie der korrekte Begriff für unsere Haupt-Freizeitbeschäftigung lautet?
9. Juli 2012 um 14:52
Vor allem gefällt mir daran das Lernen von den Jungen, Gaga. Besteht wohl ein Unterschied zwischen Computergammeln und Internetgammeln?
9. Juli 2012 um 15:45
Ich gehe zwingend davon aus, dass für die Kids Computergammeln deckungsgleich mit Internetgammeln ist, weil sie es ja gar nicht anders kennen können, die lieben Kleinen! Wenn die Kiste an ist, ist man automatisch auch online, es sei denn, der Telekommunikationsanbieter hat eine schwere Störung. Die jungen Menschen werden gar nicht wissen, warum dieser Punkt hier überhaupt in einem Nebensatz verhandelt wird, von der Elterngeneration, von der man munkelt, dass sie angeblich früher noch Musik-Kassetten und Vinylschallplatten gehört haben soll und die sogar in der heutigen Zeit immer noch sperrige CDs im Wohnzimmer hortet. Ich finde es auch ganz wichtig, immer die Ohren zu spitzen, wenn die jungen Leute Fachgespräche führen. So preisgünstig kommt man nie mehr an Herrschaftswissen!
9. Juli 2012 um 18:13
Computergammeln kann meine Generation auch ohne Internet, nämlich mit einer Auswahl an Spielen und ein, zwei Freunden im Wohnzimmer. Kartoffelchips dazu. Ich weiß aber nicht, ob die jungen Leute das auch können oder ob das Verlorenes Wissen der Alten ist.
9. Juli 2012 um 19:19
Dass man sich gelegentlich in echt zu zweit oder dritt zum Ballern trifft, ist ja nun kein triftiger Grund, die anderen 1283 Kumpels bei facebook und skype von der gemeinsamen Freizeitgestaltung auszuschließen. Ich merke schon, da ist doch noch so ein gewisses unzeitgemäßes, elitäres Denken bei den Altvorderen am Start, das diese aufstrebende Generation des Wassermannzeitalters nicht mehr nachzuvollziehen bereit sein wird!
9. Juli 2012 um 22:12
Mir gibt vor allem das Hochzeitskuchenbild freudige Hoffnung auf bessere Zeiten.
9. Juli 2012 um 22:46
Dass Freundinnen, die sich im Rüschenkleid das Ja-Wort geben, nun auch den Segen von der Klagenfurter Bäckerinnerung haben, ist natürlich löblich, auch die beiden Oberkellner rechts vorne dürfen endlich auch auf der Torte ins Glück tanzen, das ist fein. Aber richtig spektakulär finde ich, dass jetzt auch Kinder heiraten dürfen. Kinder essen ja besonders gerne Kuchen, das ist gut fürs Geschäft! (Das in dem rosa Tretauto sind doch Kinder?)
14. Juli 2012 um 17:03
Da fällt mir ein.