Auszeitjournal Mittwoch, 8. August 2012 – Bewegungsmelder
Donnerstag, 9. August 2012 um 11:49Mein geliebter Vater ist leidenschaftlicher Stromsparer. So kurz kann man einen beleuchteten Raum gar nicht verlassen haben, dass er nicht schon hinter einem das Licht löscht. (Ich hingegen liebe in meiner Wohnung Festbeleuchtung – sonst kann ich sie doch gar nicht sehen und genießen!) Da der Herr gelernter Elektriker ist, nutzte er schon früh die technischen Möglichkeiten des automatischen Lichtlöschens. Zum Beispiel Außenbeleuchtung durch Bewegungssensoren. NUR durch Bewegungssensoren. Ich wohnte bei der Einführung dieser Neuerung schon nicht mehr bei meinen Eltern, doch von meinem jüngeren Bruder lernte ich beim Rauchen vor der Haustür, regelmäßige Sprünge oder ausholende Gesten zu machen, damit wir bei unserem nächtlichen Geschwisterratsch nicht im Dunkeln standen. So, wie mein Bruder und ich veranlagt sind, entwickelten wir in kurzer Zeit Stammestanz-artige Choreographien, mit denen wir kontinuierliche Beleuchtung vor der Haustür sicherten. Die Gespräche dazu wurden nicht allzu tief, weil wir mit Lachkrämpfen und Rauchen ausgelastet waren.
Rauchen tue ich seit zehn Jahren nicht mehr, doch die Erinnerung an diese Geschwisterepisoden half mir, als ich gestern Schuhe putzen wollte (meine Sandalen waren nach der Schlammschlacht vom Montag endlich trocken genug dafür). Mein Vater hat nämlich inzwischen auch im Keller bewegungssensitive Beleuchtung installiert; ihn wird wohl seit Jahren genervt haben, dass niemand außer ihm das Licht bei jedem auch noch so kurzen Verlassen des Kellers ausknipste. Die Schuh- und Schuhputzkommode befindet sich in genau diesem Keller, ich stand innerhalb weniger Sekunden mit Sandale und Schuhcremetube im Dunkeln – die kleinen Bewegungen des Sandalenputzens reichen dem Bewegungsmelder nicht. Also kombinierte ich die Elemente des Stammestanzes, an die ich mich noch erinnerte, mit den für das Restaurieren der Schuhe nötigen Gesten. Mein Bruder wäre stolz auf mich gewesen.
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Nachdem am Montag nichts mit Tag am See geworden war, sollte der Mittwoch herhalten, auch wenn als Höchsttemperaturen nur 21 Grad angekündigt waren. Es musste nur noch die Sonne für mehr als eine Minute am Stück und öfter als alle 20 Minuten herauskommen. Als dieser Umstand auch nach 13 Uhr noch nicht eingetreten war, gaben wir auf: Kühl und bedeckt passte zu keiner Art von Tag am See, für die wir ausgestattet waren.
Also wieder flugs umgeplant. Der Mitbewohner traf eine Entscheidung (darauf war er sehr stolz, schließlich hat er Ferien) und beschloss einen Besuch im Bayerischen Armeemuseum.1
Dieses Museum war in meiner Kindheit und Jugend beliebtes Ziel für Schulausflüge, verregnete Sonntage und Familienbesuche aus dem Ausland. Museumspädagogisch hat sich seither nicht viel geändert. Zwar wurden die maschinengetippten Erklärzettelchen an Exponaten mittlerweile durch vereinzelte zeitgemäße Überblickstafeln ergänzt, doch ein roter Faden ist immer noch nicht zu erkennen, der die Entwicklung von Waffen und Armeen nachvollziehbar machen würde. Ein Genuss sind die Räumlichkeiten des Neuen Schlosses; die ursprüngliche Funktion der Säle und Kammern wird allerdings nur durch die Namen der Zimmer angedeutet. Und die in Schlachten von den Türken eroberten Waffen beeindruckten mich auch dieses Mal.
Eine Besonderheit sind die riesigen Schlachtendioramen im Turm des Schlosses, die sich über eine Wendeltreppe bis ins siebte Obergeschoß hinziehen (wenn ich richtig gezählt habe). Der Zugang liegt etwas versteckt im dritten Stock, die Website des Museums verschweigt sie ganz. Ergänzt werden die Dioramen durch unzählige Exponate von Zinnsoldaten aus verschiedenen Epochen.
Zudem bieten die Turmfenster einen wunderschönen Ausblick über die Ingolstädter Altstadt und Wehranalagen an der Donau.
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Wir spazierten durch die übersichtlichen Einkaufsstraßen der Innenstadt, ich lud den Mitbewohner auf einen Eisbecher in einer der Eisdielen meiner Kindheit ein.
Zum Nachtmahl wollten wir die Pizzeria um die Ecke meines Elternhauses testen (der Mitbewohner sucht gerade nach dem Pizzageschmack seiner Kindheit; ein Provinzitaliener schien dafür eine gute Adresse), doch standen wir vor verschlossenen Türen: Sommerferien. Die Internetsuche ergab, dass es zur nächst gelegenen Pizzeria, die nicht in erster Linie ein Lieferservice ist, zehn Minuten mit dem Fahrrad war – das nahmen wir in Kauf. Dort wurden wir satt; dies ist halt nicht die Gegend, in der Wohngebietlokale sich als Geheimtipp herausstellen könnten. Vor allem achteten wir darauf, den Teller leer zu essen, um die Chance auf annäherndes Badewetter am Folgetag zu erhöhen.
- Finden Sie auch, dass der Schriftzug und das Webdesign sehr laut rufen: “Mein Neffe kennt sich AUCH mit Computern aus, der macht uns das für ein VIERTEL dieses unverschämten Agenturangebots!”? [↩]
5 Kommentare zu „Auszeitjournal Mittwoch, 8. August 2012 – Bewegungsmelder“
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9. August 2012 um 13:00
ad Stammestanz: Made my day !
ad Website: Sie haben leider recht. Peinlicher Auftritt.
ad Panoramafoto 2: Ist die Anlage auf der linken Seite eine Art Bühne ?
9. August 2012 um 16:43
Kannst Du mir Deinen Vater mal ausleihen? Bei uns wohnen auch notorische Licht-brennen-lasser!
Allerdings dürfte es schwierig sein, die Öllampen unter der Pergola per Bewegungsmelder zu steuern…
9. August 2012 um 17:29
Oh Gott, Bewegungsmelder! Ich glaube, die installieren Väter nur, um ihre rauchenden Bälger zu quälen. Meiner hat noch eine andere Marotte: Das permanente Fenster-Schließen mit dem Spruch “Wir heizen doch nicht für die Vögel!”. Made my day.
Und: Ja, die Website ist entweder von einer sehr schlechten Agentur gemacht oder halt doch vom Neffen des Museumsdirektors, der sich in den Semesterferien was dazu verdient. Aus Trotz hat er das schreckliche Hakenkreuz gleich in den Header eingebaut – das Thema wäre auch subtiler zu bebildern gewesen!
9. August 2012 um 21:46
Erinnerungsferien sind eine wundervolle Idee.
10. August 2012 um 17:58
Oh Zinnfiguren! Ich hatte als Kind einen wunderschönen Kasten, der innen weich ausgepolstert war und bestückt war mit wunderschön handebemalten Zinnfiguren, die eine Jagd darstellten. natürlich von der berühmten Zinnfigurenmanufaktur aus Dießen am Ammersee. Ein erlegter Zinnfigureneber hatte sogar Blutspuren, hat mich als Kind extrem fasziniert – insgesamt aber war alles eher friedlich als “nachgebaute” Schlachten. Besonders schön war der Förster mit enem Trachtenhut incl. Gamsbart.