An den vergangenen Tagen machten mir andere Tätigkeiten mehr Spaß als Bloggen, deshalb erst jetzt eine Zusammenfassung.
Freitag sahen der Mitbewohner und ich uns in Teilen Kreuzbergs um (bitte um Verzeihung, wenn ich die Abgrenzung der einzelnen Stadtteile nicht einhalte). Da es vormittags noch ausgesprochen frisch war, machte ich mich so auf den Weg.
Wir starteten unseren Rundgang mit dem Türkenmarkt am Maybachufer. Wie erhofft traf ich auf einen Markt, wie ich ihn in München nicht mal ansatzweise kenne: Nicht nur Obst, Gemüse, orientalische Feinkost, sondern auch Stoffe, Kurzwaren, Backwerk, frische Kräuter, Fisch, Schuhe, Fleisch, Haushaltsgeräte – ich war begeistert von dieser Mischung aus Wochenmarkt und Dult.
Den Landwehrkanal hatte mir im Winter vor zwei Jahren creezy nahegebracht; es war sehr angenehm, in der langsam auch wärmenden Sonne sommers daran entlang zu schlendern.
Auf dem Weg zur Oranienstraße stolperten wir in den Prinzessinnengarten. Erneute Begeisterung, diesmal über die Idee, eine Brache mit ungeheurer Ausdauer in Gemüsegärten zu verwandeln, und über ihre Umsetzung.
Die Pflanze im Vordergrund trägt Artischocken!
Zu Mittag wünschte sich der Mitbewohner Chinesisches in der Mingh Dynastie, Brückenstraße gegenüber der Chinesischen Botschaft. Es gab Auberginen mit Hackfleisch aus dem Tontopf (köstlich), “Duft-Wurst” mit Zuckerschoten (vorzüglich, wenn auch deutlich weniger exotisch als erwartet), gedämpften Rinderpansen mit schwarzen Bohnen (der Pansen für meinen europäischen Geschmack reichlich bissfest – da das bei meinen beiden vorherigen Bestellungen in chinesischen Restaurants in Deutschland und England ebenso war, nehme ich an, dass das so gehört).
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Abends begann ein zweitägiges Treffen mit drei Bloggerinnen aus verschiedenen Teilen der Republik, im Weiteren “Rudel” genannt. Es war so großartig, Frauen, deren Texte ich seit Jahren lese, deren Lebenswege ich so lange verfolge, zwei Tage am Stück zu erleben. Zu beobachten, ob sie ihren Kaffee als Espresso oder Soja-Latte trinken. An welchen Stellen sie lachen. Wie sie gehen. Und wie ungeheuer viel sie wissen und können neben den Fragmenten, die sie auf ihren Blogs, auf Twitter sichtbar machen (eine Folge ist, dass ich mit einer langen Linkliste und zahlreichen neuen Apps auf dem Smartphone heimkam). Dass sie sich aus ganzem Herzen einander zuwenden und unterstützen. Es war ungeheuer flauschig. (Außerdem habe ich erlebt, wie gestandene Frauen den Ausdruck “Alta” treffsicher einsetzen.)
Den ersten Abend verbrachten wir mit gemeinsamem Trinken, Kochen, Essen.
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Am Samstagmorgen verschaffte mir ein Teil des Rudels mein erstes Erlebnis in Bikram-Yoga. Die Trainerin wies mich gewissenhaft ein und betonte, Ziel dieser Kennenlernstunde sei lediglich, die gesamten 90 Minuten im Raum zu bleiben. Ich ahnte nicht, wie schwer allein schon dieses Ziel zu erreichen war: Nach 20 Minuten begann in der feuchten Hitze mein Kreislauf zu protestieren, und zwar schon bald in einer Deutlichkeit, die ich zuletzt mit 16 erlebt hatte. Kurz darauf war mir schwindelig und übel, und obwohl ich mich setzte und nur noch wenige Übungen mitmachte, donnerte mein Puls mit einer Vehemenz gegen meine Schädeldecke, dass ich eigentlich lieber sterben wollte. Im Raum zu bleiben, war nicht wirklich schwierig – ich war mir eher nicht sicher, ob ich es je wieder hinaus schaffen würde. Was mich noch mehr beeindruckte: Sonst bekomme ich als recht gut trainierter Mensch meinen Puls nach 90 Minuten selbst heftigem Ausdauertraining innerhalb weniger Minuten auf Ruhe; diesmal dauerte es fast eine halbe Stunde, bis das Herzschlagdonnern gegen die Schädeldecke aufhörte. Ohne mich in irgend einer Weise mit medizinischen Hintergründen befasst zu haben: Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gute Zeichen sind.
Meine Bikram-Initiatorin kümmerte sich sehr um mich, lud mich auch auf mein erstes Kokoswasser ein: Überraschend unsüß, dafür frisch und völlig frei von der leicht seifigen Note, die Kokosprodukte meist haben.
Yoga allerdings interessiert mich jetzt. Um herauszufinden, ob das etwas für mich ist, werde ich mich darum bemühen, eine Stunde bei normaler Temperatur mitzumachen.
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Das Gesamtrudel traf sich zu Morgenkaffee und Picknickeinkauf in Friedrichshain bei Proviant. Diese Ecke sieht genau so aus, wie ich mir vor 20 Jahren das wilde Berlin vorstellte (niedelich!), entsprechend hoch war die Touristendichte. Das Proviant stellte sich als ganz hinreißendes Feinkostgeschäft heraus, das uns ein atemberaubendes Picknick zusammenstellte: Pestos und Sößchen, Butter, Salamis, Käse, verschiedene Oliven, Antipasti, das Brot gleich in Scheiben geschnitten. Frisches holten wir uns zusätzlich am Markt auf dem Boxhagener Platz. Mit all diesen Köstlichkeiten ließen wir uns nachmittags im Treptower Park nieder – und schlemmten, bis die Sonne schräg stand.
Wandschmuck im Proviant.
Abschluss des Parknachmittags wurde der Besuch des Sowjetischen Ehrenmals – wie so viele totalitäre Monumentalistik gleichzeitig beeindruckend und gruslig (ich fühlte mich arg an das Valle de los caídos erinnert).
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War der Samstag schon hochsommerlich warm gewesen, versprach der Sonntag echte Brüllehitze. Der Plan deshalb: Besuch des Badeschiffs, und zwar ganz früh am Morgen vor dem Ansturm der Massen, gleich bei Öffnung um acht.
Auf dem Weg dorthin (als ich am Vorabend ins Hotelbett gestiegen war, hatte der Mitbewohner bereits geschlafen, als ich das Hotel verließ, schlief er noch – das hatte ich auch noch nie) stellte ich fest, dass Berlin wirklich rund um die Uhr belebt ist: Bereits um 7.30 Uhr saßen Menschen Zeitung lesend in den Straßencafés am Mehringdamm.
Das Badeschiff war sensationell: In einem poolblauen Becken auf der Spree zu schwimmen, gegenüber die Halle, in der das Blogmich 2005 stattgefunden hatte (mittlerweile schick renoviert), die Spree runter Monumentalkunst. Wir schwammen und sonnten uns und schwammen wieder – großartig.
Frühstück gab es am nördlichen Prenzlauer Berg, bevor der erste Teil des Rudels sich verabschieden musste. Der Rest spazierte in immer heftigerer Hitze über den Flohmarkt auf dem Arkonaplatz. Und verschaffte mir ein weiteres BOAH-Erlebnis: Cappuccino bei Bonanza. Es ist wirklich keine Modeerscheinung, dass sich Menschentrauben vor einem kleinen Laden bilden, der eigentlich nur Kaffee verkauft (in einer Kiste werden ein paar süße Teilchen dazu angeboten). Der Cappuccino war so kräftig, aromatisch, mild und rund (inklusive einer leichten Rumnote), dass ich mir sofort ein Pfund der Kaffeebohnen holte, mit denen er zubereitet war.
Schon gestern Abend war ich traurig darüber, wieder nur über Twitter mitzubekommen, wie es dem Rudel gerade geht, nicht mehr per Blick ins Gesicht.