Auszeitjournal Dienstag, 18. September 2012 – geschmuggelter Spätsommertag

Mittwoch, 19. September 2012 um 8:40

In der herrlichen Luft, die morgens durch die offenen Fenster und Türen hereinströmte, machte ich mich fertig zum Laufen. Ich hatte eine Strecke mit viel Stadtwegen an der Isar geplant, doch sobald ich hinter der Wittelsbacherbrücke die sichtbare Stadt hinter mir gelassen hatte, wollte ich noch weiter weg.

(Ein Tipp: Wenn man in Pfannen und Töpfe hineinfotografiert, bildet sich leicht ein Fettfilm auf der Linse. Durch Abwischen löst sich der seltsame Nebel auf den Folgebildern aber ganz einfach auf.)

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Für meinen Mittagstermin griff ich doch nochmal zum Sommerkleid, um darin durch die Sonne und Wärme zu radeln.

Spätmittagliches Frühstück auf dem heimischen Balkon.

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Den Nachmittag mit Tortenbacken statt auf dem Balkon verbracht – ja mei, wenn ich sie doch versprochen hatte. Näheres zur Torte später.

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Abends Leserunde zu Ray Bardburys Fahrenheit 451. Ich hatte den Roman vor vielen Jahren schon mal gelesen (veröffentlicht 1953, war er auch damals nicht frisch) und war beim Wiederlesen erstaunt, wie gut er altert. Gleichzeitig erschreckte mich, zu wie vielen gesellschaftlichen und politischen Zeitereignissen die Schilderungen passen.

Dass es in Fahrenheit 451 um das systematische Verbrennen von Büchern geht, wissen wahrscheinlich alle, die von dem Roman (oder dem gleichnamigen Film) wissen. Doch den Grund dafür hatte ich vergessen: Bücher und die Gedanken darin verwirren die Menschen, sorgen für gesellschaftliche Unruhe und für Gewalt – denn irgendjemand fühlt sich immer von den Inhalten angegriffen, herabgesetzt oder verletzt, und sei es nur von einem Detail. Deshalb ist es dem sozialen Frieden am förderlichsten, wenn es gar keine Bücher gibt – niemand kann Anstoß nehmen. (Erzählen Sie bloß dem Herrn Friedrich nichts von der Idee.)

Ebenfalls vergessen hatte ich, wie lebendig und metaphernreich Bradbury erzählt, wie er kalte Technik durch Vergleiche zu Mythologie oder Natur macht.

Es gibt in Fahrenheit 451 eine Art Fernsehen (das tatsächliche Fernsehen war in der USA gerade erst aufgekommen), das die Menschen Tag und Nacht umfängt. Statt Bildschirmen fungieren ganze Innenwände als Bildschirme; das prestigeträchtige Ziel ist es, alle vier Wände umzufunktionieren. Der Ton wird durch Innenohr-Kopfhörer übertragen, die jedes Außengeräusch ausschließen. Die (einzige) Sendung heißt family und würde heute als Reality TV bezeichnet. In diese Parallelwelt ziehen sich die meisten mit Begeisterung zurück, entwickeln enge emotionale Bindungen zu den Figuren, entfernen sich gleichzeitig immer mehr von den Menschen, mit denen sie physisch zusammenleben. Auch das ist für einen Roman aus dem Jahr 1953 extrem weitsichtig.

Interessanterweise wird auch betont, dass für die Wirkung und Verbreitung der Ideen und Gedanken, die unterdrückt werden sollen, das physische Objekt Buch gar nicht wichtig ist, dass jedes Medium sie am Leben hält.

die Kaltmamsell

1 Kommentar zu „Auszeitjournal Dienstag, 18. September 2012 – geschmuggelter Spätsommertag“

  1. padrone meint:

    Nice to know (aus Wikipedia): “Der Titel des Romans bezieht sich auf die hier angenommene (siehe unten ) Selbstentzündungstemperatur von Papier, 451 °F (entspricht 233 °C)”. Dann unten: “Die tatsächliche Selbstentzündungstemperatur von Papier liegt weit höher als 451 Grad Fahrenheit, nämlich bei 450 Grad Celsius. Bradbury hat bei der Wahl seines Titels schlicht beide Einheiten miteinander verwechselt. Gary Dexter schlägt in seinem Blog – wohl etwas augenzwinkernd – den alternativen Titel „Fahrenheit 843: The Approximate Temperature at which Rayon Fiber Untreated with N-methyl-dimethyl-phosphonopropionamide Catches Fire, and Burns“ vor”.

    Im Film spielt einer meiner absoluten Lieblingsschauspieler: Oskar Werner (http://www.extraprimagood.de/2011/07/26/wienburgenland-2/)

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