Auszeitjournal Montag, 24. September 2012 – deprimierende Lektüre

Montag, 24. September 2012 um 22:22

Nach Schwimmen im Olympiabad (alles wieder in Ordnung, ich schwamm wie eine Forelle) Frühstück im Café Puck. Dort Zeitungslektüre.

Das Magazin jetzt hatte das Thema Klassenfahrt, mit guten Geschichten aufbereitet. Sehr schön und böse zum Beispiel das Storyboard für den unausweichlichen Film von der Abifahrt. Doch ein Tiefschlag war die Umsetzung des Aspekts Klassenfahrtstypen: Es werden fünf männliche Typen beschrieben (“Zimperl”, “einsamer Buswolf”, “Hampler”, “Lehrerliebling”, “Faultier”) und – “Die Girls”. Ich blätterte weiter – nein, keine weiteren weiblichen Typen. Ich blätterte zurück zum Anfang, ob vielleicht im Vorspann irgendeine launige Erklärung steht – nein. Und wurde sehr niedergeschlagen. (Kommen Sie mir nicht mit “Ist doch nur Spaß!”).

§

Entnahm dem Manager Magazin die fachliche Einordnung meines letztes, schmerzhaften Großprojekts für den Ex-Arbeitgeber: verheerend. Ich hatte das vorhergesehen und unter anderem deshalb meinen Namen daraus zurückgezogen (hätte sehr wohl am liebsten Alan Smithee eintragen lassen, aber das hätte dann doch jemand bemerkt). Selbstverständlich könnte ich das niederschmetternde Ergebnis damit erklären, dass die Inhaltsverantwortlichen, fast durchgehende ranghöher als ich, (unter anderem aus Zeitdruck) praktisch keine der Empfehlungen und Ratschläge der externen Fachleute umgesetzt hatten. Oder damit, dass jeder im Haus dieses Projekt hasst, als lästige Pflicht ansieht und am liebsten nichts damit zu tun hat. Doch das fühlt sich zum einen wie rückgratloses Rechtfertigungsgefuchtel an, zum anderen ändert es nichts an dem einen zentralen Umstand: Ich habe als Projektleiterin versagt. Ich habe es auch in dieser Runde nicht hinbekommen, die Verantwortlichen für die zentralen Ziele des Projekts zu begeistern und sie zu Veränderungen zu bringen, konnte sie nicht von den Empfehlungen und Ratschlägen der Fachleute überzeugen. Vielleicht habe ich mich sogar zu sehr persönlich reingehauen und damit den Eindruck ermöglicht, es gehe um meine persönlichen Ziele und Anliegen, nicht um die des Unternehmens. (Dazu kommt die Befürchtung, dass alles Negative des Projekts jetzt derjenigen angelastet wird, die nicht mehr da ist und der man es nicht mehr ins Gesicht sagen müsste: mir.)

So oder so: Sowas will ich nicht nochmal machen.
Gebt mir einfach einen Schreibtisch mit Rechner drauf und irgendwas abzutippen. Darf auch Englisch sein.
Ach was. Gebt mir einfach einen Besen. (Aus welchem Asterix ist das nochmal? Nicht mal das fällt mir mehr ein.)

§

Beim Heimradeln ziemlich nassgeregnet worden (morgens war es so föhnwarm gewesen, dass ich nicht mal eine Jacke gebraucht hatte).

Den Abend in der Küche verbracht um die Kürbislasagne nach Don Dahlmann zuzubereiten – ist ein jährlicher Standard geworden. Diesmal habe ich das Rezept aufgeschrieben.

die Kaltmamsell

19 Kommentare zu „Auszeitjournal Montag, 24. September 2012 – deprimierende Lektüre“

  1. padrone meint:

    Warum Vorstände sich nicht gegenseitg duellieren um Dich auf die Payroll zu bekommen ist mir ein Rätsel….
    Asterix bei den Olympischen Spielen.

  2. katha meint:

    die sollen dich kreuzbugelfünferln. oder besser gar nicht mehr anstreifen.
    btw: sehr fesches leinendings (tunika?) da oben!

  3. die Kaltmamsell meint:

    Ah ja, danke padrone:

    Ja, eine schöne Leinentunika, katha, mal wieder von Boden.

  4. Nathalie meint:

    Leider ist es so (menschlich?), daß alles was schief läuft oder schief gelaufen ist, den “Gegangenen” angelastet wird. War auch bei mir so.
    Aber – ein schwacher Trost: Eigentlich wissen alle, daß es nicht so ist.

  5. Chris Kurbjuhn meint:

    Eins meiner Stücke ist mal im Tagesspiegel fürchterlich verrissen worden (im Prinzip zu Recht, ich konnte jedoch nichts für die miese Aufführung, hab aber trotzdem am Verriss gelitten, der mir die Schuld gab), ich wollte mich erst nicht unter Menschen trauen, dann bin ich doch rausgegangen und… “Du bist im Tagesspiegel erwähnt. Super!”
    Was in der Zeitung steht, ist beim Erscheinen der nächsten Ausgabe komplett vergessen. Und was die Kollegen über Abwesende reden… Gedanken muss man sich nur machen, wenn nicht mehr über einen geredet wird.

  6. Sebastian meint:

    Was Chris sagt.

    Das Schöne bei all dem: Alles was aufgeschrieben ist, war schon. Mindestens im Kopf von jemandem.

    Ansonsten, Montag halt. Meiner gestern – na habedere!

  7. Wortmischer meint:

    Zum Thema “Besenfeeling” während der Neubesinnung: Halten Sie die Ohren steif, Frau Kaltmamsell. Das geht von alleine vorbei. Glauben Sie mir, ich weiß wovon ich spreche: Ich bereite mich gerade darauf vor, das zum dritten Mal innerhalb von zehn Jahren durchzumachen.

  8. barbara meint:

    Haben Sie schon mal eine Selbständigkeit angedacht?
    Dafür müssen Sie nicht alleine auf der Bude hocken, da findet sich eine Gemeinschaft.
    Ich kenne solche und finde die ganz prima.

  9. marie_sophie meint:

    Nein, ganz bestimmt stehen sie nicht fingerzeigend beisammen und reden schlecht, sondern wissen sehr sicher, was für ein Glück es war mit Ihnen zu arbeiten , ganz ungeachtet dessen ob sich Erfolge immer in Pressespiegeln zeigen oder ob sich nicht jetzt in den Gesprächen vieles von Ihnen Angestoßene wiederspiegelt. Sehr schade scheint mir die Annahme, nur das Negative bleibe im Gespräch und das Positive sei schnell weggekehrt wie mit einem Besen.

  10. iv meint:

    Girls: GENAU das war mein Gedanke, bevor ich das SZ-Magazin nach erster Querdurchsicht schließlich ungelesen im Flugzeug liegen ließ.
    Projektspätfolgen: ach. Wie viele von den potentiellen Zeigefingerzeigern hätten den Mut, das durchzuziehen, was Sie gerade durchziehen?

  11. Chris Kurbjuhn meint:

    Zu den Hinterher-Rednern ist mir noch ein Raymond-Chandler-Zitat eingefallen: “Gesunder Menschenverstand – das ist der Kerl, der dir sagt, dass du deine Bremsen letzte Woche hättest nachsehen lassen sollen, nachdem du diese Woche einen Unfall gebaut hast. Gesunder Menschenverstand ist der Montag-Morgen-Quarterback, der das Spiel gewonnen hätte, wenn er in der Mannschaft gewesen wäre. Aber er ist niemals in der Mannschaft. Er steht oben auf der Tribüne, mit einem Flachmann in der Tasche. Gesunder Menschenverstand ist der kleine Mann im grauen Anzug, der niemals einen Fehler beim Zusammenzählen macht. Aber es ist immer das Geld anderer Leute, das er zählt.”

  12. mariong meint:

    zu 1: wir arbeiten dran: Abi 2024 wird es keine “girls” geben! Hand drauf!

    zu 2: wenn es so sein könnte, das an einem großen Projekt nur die Projektleitung schuld ist, wenn es nicht zufriedenstellend abgeschlossen ist, wird dann anders herum auch ein Schuh draus? Wenn es ein überragender Erfolg ist, dann ist das nur der Verdienst der Projektleitung? Oder bedeutet Projektleitung eben manchmal auch nur, dass man ein leichtes Bauernopfer hat?

    zu 3: soulfood. Sehr schön und ganz herzlichen Dank für das REzept.

  13. Allabouteve1950 meint:

    Ach jaaaa… Beim Lesen Ihrer Gedanken zu Ihrem letzten Projekt dachte ich spontan… ähm ich muss das leider so sagen…. typisch Frau. Ein Mann hätte an Ihrer Stelle das Ganze schon während des laufenden Projekts abgehakt und danach keinen Gedanken mehr dran verschwendet. Wozu auch? Ihre Vorgesetzten haben Ihnen das Heft aus der Hand genommen. Frau grübelt und denkt und findet schließlich doch einen Grund, sich für den Fehlschlag verantwortlich zu fühlen: “ich habe zugelassen, dass mir das Heft aus der Hand genommen wurde” Um dann auch noch eins drauf zu setzen und ihr Können und sich selbst grundlegend in Frage zu stellen (“ich kann gar nichts”). Klingt ziemlich merkwürdig, nicht wahr? Wie eine 1A-Anleitung zum Unglücklichsein. Ich meine das keineswegs als Kritik oder Besserwisserei. Mir sind solche Gedankengänge leider bestens vertraut und ich wünschte, ich könnte einen guten Ratschlag reichen, wie frau solche Gedankengänge, die nichts bringen und ihr nur selbst schaden, abschalten könnte. Aber ich behaupte nach der Lektüre Ihres Blogs doch: Sie können eine ganze Menge und müssen nur noch einen Weg finden, Ihre Talente wirtschaftlich zu verwerten. Einen Besen reiche ich Ihnen nur, falls Sie damit fliegen wollen………..

  14. montez meint:

    Ohja. Genau so habe ich mein letztes Projekt empfunden, auch meine ebenfalls freiberufliche Freundin und ich haben unsere Namen zurück gezogen. Wegen beratungsresitenzbedingten Totalreinfalls. Dennoch haftet das Gefühl des Scheiterns wie Pech an mir. Genickt habe ich aber auch, während ich den letzten Kommentar las.

    Und bin sicher, das wird irgendwann nix als ein Seufzer sein. Da kommen gute Zeiten.

  15. trippmadam meint:

    Ja, bei solchen Projekten war ich mehrmals die “Beraterin aus der Praxis”. Nur wollte niemand etwas “aus der Praxis” hören. Schuld war ich am Ende trotzdem. Ich kehre jetzt mal weiter…

  16. Lisa Neun meint:

    Ich kenne jetzt den Hintergrund nicht (Hah – ich kauf mir jetzt gleich das Manager Magazin ;) ) – aber ich denke nicht, dass da was angelastet wird. Vor allem solltest Du Dir selbst nichts anlasten! Klar, ich kenne das gut – immer schön alles auf seine Schultern laden, immer für alles die Verantwortung übernehmen – aber manchmal ist man einfach nicht allmächtig und muss akzeptieren, dass äußere Umstände, bestimmte Meinungen und vor allem “politische” Umstände, die einem Projektleiter nicht offensichtlich sind, die aber die Entscheidungen des Managements treiben, einfach stärker sind.
    Also nochmals – auch für mich selbst – man kann nicht für alles die Verantwortung übernehmen und hat auch oft nicht mal die Chance dazu – auch wenn man 10mal Projektleiter ist.

  17. oachkatz meint:

    Fürs persönliche Weiterkommen ist es, denke ich, besser, sich ein schiefgelaufenes Projekt und den eigenen Anteil (und nur den) daran anzusehen als das nächste Mal genau dasselbe zu machen. Insofern würde ich diese “weibliche” Verhaltensweise ruhig beibehalten. Fehler sind doch prinzipiell Chancen zum Lernen. Und wenn man dabei lernt, dass Rat von außen manchmal gefordert, aber nicht gewünscht ist und man dagegen schlecht ankommt oder dass man selbst sich nicht mehr an so eine verletzliche Sündenbockstelle begeben möchte oder dass man lieber entwickelt aber nicht so gut darin ist, andere zu begeistern. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich unterstelle Ihnen nichts davon, es sind nur Beispiele, wie man empfundenes Versagen in Befruchtendes wandeln kann.

  18. kelef meint:

    liebste kaltmamsell, so ist das doch immer: schläge kriegt nur der, der nicht da ist oder sich nicht wehren kann. im grund muss man aber eines sagen (besonders zu sich selbst): schuld sind die “oberen”, die segnen nämlich die arbeiten ab bevor sie an die öffentlichkeit gelangen, oder? die projektverantwortlichen wären nur dann wirklich verantwortlich, wenn die vorschläge, die sie machen, eins zu eins umgesetzt würden (und wann passiert das schon?) und sie haben sicherlich ein paar ihrer anregungen und einwände schriftlich verfasst, delektieren sie sich daran und machen sie hakerln bei den dingen, die schon eingetroffen sind. more to come.

    erinnern sie sich noch, was ich in wien sagte? mein job ist nicht mehr das was er war, und wenn ich glück gehabt hätte dann wäre ich gerade noch so über die runden gekommen bis zum eintritt der regelpension? das sagte ich rund 10 jahre lang, da ich die entwicklung beobachtete. und was soll ich ihnen sagen: genau im monat meines 60. geburtstages wird die abteilung hier in wien endgültig aufgelöst, die noch dort beschäftigten beschäftigen sich nur mehr mit der übergabe der agenden an eine “zentrale” in, quasi, djibuti. schon ein jahr nach meinem ausscheiden aus der fabrick wurden allerdings von überall die stimmen laut – auch von der konkurrenz (die ja auch meinte ich beurteilte das völlig falsch und sähe hexen hinter dem vorhang und was weiss ich) – jedenfalls, der chor begann zu tönen: sie hat schon sehr oft recht gehabt, sowas aber auch. jetzt singen sie immer lauter und bedauern, dass sie nicht auf mich gehört haben. allerdings intonieren sie jetzt “sie hat immer recht gehabt” … . und genau so wird es mit ihrem projekt auch kommen: in einem jahr heisst es nicht mehr, wer hat das verbockt, sondern: hätten wir nur zugehört und getan, was sie vorgeschlagen hat.

    unsereins kann in solchen situationen dann sehr selbstzufrieden im eckerl sitzen, zuhören und sagen: seht ihr wohl. also: warten sie noch ein wenig, der zeitpunkt zum händereiben kommt auch für sie noch. das sollten sie dann aber auch ordnungsgemäss kommunizieren. und wir werden uns mit ihnen freuen.

  19. Melody meint:

    Was Frau Kelef sagt.

    Man muss schon was machen, um auch mal was falsch zu machen. Das sehe ich hier aber gar nicht: Wer externe Experten erst bucht und dann ignoriert, kann sich nicht wirklich über den Propheten im Dorf beklagen, der lieber auf die Berater gehört hätte.

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