Auszeitjournal Samstag, 22. September 2012 – Filme und große Liebe
Sonntag, 23. September 2012 um 9:51Es war ein inhaltsreicher Tag, der es nicht verdient hatte, mit einer völlig unerwarteten Migräne und dem Kopf über der Kloschüssel beendet zu werden.
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Zum Morgenkaffee einen berühmten Dokumentarfilm angesehen.
BERLIN-PRENZLAUER BERG (1990) from Neue Herrlichkeit on Vimeo.
Wie fern damals Berlin für mich war, die Studentin in Augsburg. Wie wenig diese schier grenzenlosen Veränderungen leider mit mir zu tun hatte.
Ich bedaure, dass dieses Juwel an Film in Schwarz-Weiß gedreht wurde. Gerade die wenigen Farben in dieser ikonischen Grauheit hätten mich interessiert.
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Katholische Kindstauf unter der Mitbewohnerfamilie im Münchner S-Bahn-Speckgürtel. Weg zum Stachus und S-Bahnhöfe bereits heftig verdirndelt, gestern begann das Oktoberfest.
Da drei Kinder gleichzeitig getauft wurden (eines noch sehr frisch, ein Einjähriges und ein Dreijähriges), wirkte die Kirche angenehm belebt, und es gab auch genug Stimmen zum Mitsingen. Gelernt, dass jetzt auch Taufkerzen in Rosa und Hellblau gegendert sind (nehme an, es gibt ein Himmelreich für rosa Seelen und eines für hellblaue; weiß man schon, ob sich die Schutzengel darauf eingestellt haben?). Auch diesmal leichtes Gruseln beim katholischen Taufritual, das unter anderem eine explizite Distanzierung der Eltern und Taufpaten vom Teufel einfordert (“Wir widersagen.”). Das frischeste Baby brüllte die ganze Zeremonie hindurch mit herzerweichender Verzweifelung. Erschien mir die naheliegendste Reaktion.
Mittagessen beim Italiener gegenüber, Nachdenken mit dem Mitbewohner über die Hintergründe und Mechanismen, die den meisten Katholiken den Papst egal sein lassen können. Kaffee und Kuchen bei den Täuflingseltern, dabei eine Stunde Geschenkeauspacken durch Täufling und größere Schwester.
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Bayerisches Abendessen (Schäuferl!) mit München-nach-Berlin-Migrantin. Spaziergang durch die nun schon stärker verdirndelte Münchner Innenstadt ins City-Kino, um dort Liebe anzusehen.
Der Film war ein Erlebnis, in seiner scheinbaren Schlichtheit und leisen Ungewöhnlichkeit. Die Geschichte dieser großen Liebe (die sogar die gemeinsame Tochter ausschließt) wird ganz indirekt über viele kleine Geschichten erzählt, über wenig Handlung, wenig Worte, die Bilder, die fast ausschließlich aus einer einzigen Wohnung stammen. Und es bleiben am Ende viele Fragen offen – auch wir Zuschauer sind zu großen Teilen aus dieser Liebe ausgeschlossen. Ungewöhnlich ist die Abwesenheit von Filmmusik: Musik spielt eine so zentrale Rolle im Leben des dargestellten Paares, dass es nur folgerichtig ist, sie lediglich als echtes Element der Handlung einzusetzen, nicht als Geräusch daneben. Ein Effekt: Geräusche können viel besser und unauffällig zum Vorantreiben der Handlung benutzt werden. Der tonlose Abspann ist besonders eigenartig, aber auch er dem Schluss des Films angemessen.
Die beiden bezaubernden alten Menschen Jean-Louis Trintignant und Emmanuelle Riva sind die Hauptdarsteller, allein schon jede Sekunde des Films wert.
(Kein Link zur hervorragenden Rezension von Tobias Kniebe in der SZ, da ich mir nicht vorwerfen lassen möchte, mit meinem kostenlosen Amateurblog von hochwertigem und teuer produziertem Profijournalismus zu schmarotzen. Haben Sie die Petition gegen das “Leistungsschutzrecht” schon gezeichnet? Hier die Argumente.)
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Schon im Kino immer schlimmere Kopfschmerzen, dazu Übelkeit. Noch aber kein Verdacht, dass sich dahinter die große Spielverderberin Migräne verstecken könnte, deren Besuch ich nur nach etwas mehr Alkohol und nach den ersten Stunden Nachtschlaf kenne. Daheim dann aber so großes Elend, dass kein Zweifel mehr bestehen konnte (ironische Spiegelung des eben gesehenen Films, als sich der Mitbewohner meiner annimmt, mir einen Kübel neben das Bett stellt, durch die offene Schlafzimmertür über mich wacht), zum Glück schon nach wenigen Stunden gerettet durch mein Triptan-Nasenspray.
die Kaltmamsell6 Kommentare zu „Auszeitjournal Samstag, 22. September 2012 – Filme und große Liebe“
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23. September 2012 um 12:23
Wen wundert die Migräne – 3-fach-Taufe, Dirndl-Infarkt, Haneke…braucht’s noch mehr? mir würd’s reichen. Gute Besserung!
23. September 2012 um 12:28
Guter Film. DEFA bürgt für Qualität.
“Den Humor musste immer behalten. Ha ick mir zum Prinzip jemacht.”
23. September 2012 um 17:56
Gute Besserung, liebe Inés!
Ein Interview im Stern mit Michael Haneke gelesen und bekam dadurch einen sehr verqueren und verkopften Eindruck von ihm.
Würde nicht mit Böswill hinter jedem Link die Absicht auf Schmarotzertum stecken können?
23. September 2012 um 18:22
Der Papst ist doch auch nur ein Angestellter. Und zu denen ist die Kirche halt sozial, wenn die Fehler nicht zu irdisch sind.
23. September 2012 um 22:54
Oh, Sie Arme.
Ein schöner Tag endet mit einer Migräne.
Das dramatische Element sozusagen.
Wenigstens waren Fürsorge, Eimer und Nasenspray gesichert.
24. September 2012 um 22:35
verdirndelt!